Wochenkolumne: Was die Kirche nun braucht - neben einem Christbaum und einer Krippe

Warum sich diese Woche die Kontroverse um Amoris Laetitia zuspitzte - Und eine Klärung immer noch gefordert wird. Ein Einordnung.

Weihnachstbeleuchtung auf dem Petersplatz am 9. Dezember 2016.
CNA/Daniel Ibanez

Über dem Petersplatz leuchten sie nun, die umweltschonenden Lichter des vatikanischen Christbaums. Herab von der Dolomitenfichte, 25 Meter hoch, auf die fast lebensgroße Krippe. Beide hat Papst Franziskus am gestrigen 9. Dezember feierlich "eröffnet".

Der feierliche Rahmen der Zeremonie auf dem Petersplatz war versöhnlicher Kontrapunkt in diesem Advent, der nicht nur feierlich und friedlich für die Kirche begonnen hat.

Franziskus erinnerte daran, dass es letztlich um Jesus Christus geht: Darauf verweist das Kind, das bereits in der Krippe auf dem Petersplatz liegt.

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Wie am Malteserkreuz, der Kleidung und Werkzeugen der Figuren zu erkennen ist – und an einem landestypischen Boot, das auch gleich an die Massenmigration übers Mittelmeer miterinnert – ist diese Krippe ein Geschenk der Erzdiözese Malta. Vertreter des Bistums und der Künstler, Manwel Gretch, waren zugegen, als der Heilige Vater darüber sprach, dass die Krippe "in Kirchen, Häusern und an vielen öffentlichen Plätzen eine Einladung, Platz für Gott zu machen in unserem Leben und unserer Gesellschaft" sei.

Einen Beitrag dazu sollten, ja, müssten eigentlich auch Journalisten leisten: Das forderte Franziskus diese Woche in einem neuen Interview. Das Gespräch mit einer katholischen Wochenpublikation aus Belgien hatte jedoch den gegenteiligen Effekt. Weltliche Medien berichteten die Aussage verzerrt; und katholische Kommentatoren echauffierten sich über die Wortwahl des Papstes. Am Ende war von der "Botschaft der Brüderlichkeit (…) und Solidarität", über die Franziskus vor der Krippe auf dem Petersplatz sprach, wenig übrig.

Wie es dazu kam, erklärt beispielhaft, warum und wie es derzeit alles andere als beschaulich zugeht.

Eine koprophile Presse – und koprophage Leser?

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Was war geschehen? Nun, der Papst warnte "die Medien" im Interview davor, "nicht – verzeihen Sie mir den Ausdruck bitte – an Koprophilie zu erkranken, die bedeutet, immer Skandale kommunizieren zu wollen, hässliche Dinge mitzuteilen, selbst wenn diese wahr sind."

Wie so oft lohnt es sich, auch dieses Interview mit dem Pontifex, wenn überhaupt, dann in seiner vollen Länge und sehr sorgfältig zu lesen. Der Vatikan hat es in englischer Sprache auf seiner Website veröffentlicht.

Weltliche Medien, darunter etwa der britische "Guardian", behaupteten mit Verweis auf dieses Interview nun, der Papst habe sich mit diesen Aussagen gegen "Fake News" gerichtet. Das ist – wie das Zitat zeigt – nicht richtig, und zudem ein unredlicher Versuch, den Papst vor den politischen Karren der "Fake News"-Agenda zu spannen, der gerade medial die Runden macht. Franziskus spricht aber nicht von dieser "Fake News", sondern von echter, die aber nicht erbaulich ist, sondern skandalisiert.

Ob oder wie diese bemerkenswerte Forderung des Papstes mit der demokratischen Funktion des Journalismus vereinbar ist, wäre eigentlich die relevante Frage – die nun nicht gestellt wurde. Dass ausgerechnet Medien damit sich der Sünde schuldig machen, die anhand des Themas "Fake News" externalisiert werden soll, ist kein Trost. Dass dabei ausgerechnet zum Thema "Fake News" einzelne Journalisten wieder einmal falsch und verfälschend argumentieren statt ordentlich zu berichten, zeigt jedoch, wie dringend die Professionalität der Presse auf den eigenen Prüfstand gehört. Wer sich nicht mit dem gefährlichen Vorwurf der "Lügenpresse" beschimpfen lassen will, sollte gerade bei diesen Themen auf sauberes Handwerk achten.

Doch der Papst diagnostizierte nicht nur die Gefahr einer an "Koprophilie" krankenden Presse. Er sagte weiter: "Und nachdem Menschen eine Tendenz zur Erkrankung an Koprophagie haben, kann dies großen Schaden anrichten".

Unabhängig von der Absicht ist eine solche eindeutig zweideutige Wortwahl für viele Gläubige befremdlich; nicht wenige werden nicht einmal gewußt haben, was diese skatologischen Begriffe bedeuten. Vielleicht würden es manche auch gerne wieder vergessen, und das nicht nur zur Adventszeit.

Ob man darin gleich einen weiteren direkten Hinweis dafür sehen muss, wie Blank die Nerven im Vatikan liegen, ist zwar fraglich. Immerhin ist "Unser guter Papa Franz" (Radio Vatikan-Redakteurin Gudrun Sailer) dafür bekannt, "bisweilen flapsig" (Erzbischof Georg Gänswein) zu reden. Verwunderlich wäre es allerdings nicht, denn der Druck auf den Papst wächst.

Klärungsbedarf in Sachen Freude der Liebe?

Wer einen genaueren Blick auf die Debatten der vergangenen Tage geworfen hat, weiß: Neben dem – formal sehr höflichen – Bittbrief der vier Kardinäle mit ihren fünf Dubia, der inzwischen einige öffentliche Unterstützer gefunden hat, gibt es eine Reihe weiterer Bitten um Klärung und Klarstellung zu Amoris Laetitia.

So haben, wie nun bekannt wurde, zwei renommierte katholische Philosophen einen 37 Seiten starken, offenen Brief an den Papst geschrieben. Sie bitten Franziskus, mögliche Fehlinterpretationen seines Schreibens auszuräumen. Und bereits vor den Dubia ist ein Schreiben von 45 Theologen veröffentlicht worden, welche die "Freude der Liebe" peinlich genau seziert. Die Anamnese fällt dramatisch aus.

Nun mag man zum Inhalt dieser Schreiben stehen wie man will; man mag auch nur Unbehagen ob deren Veröffentlichung verspüren, oder sie für dringend nötig halten. Fest steht dennoch eines: Trotz Versicherungen päpstlicher Mitarbeiter, wie etwa des Jesuitenpaters Antonio Spadaro gegenüber Austen Ivereigh auf "Crux", dass doch alles klar sei, ist ein wichtiges Segment der Weltkirche der Meinung, dass dies nicht der Fall ist. Die Verwirrung und widersprüchlichen Interpretationen sind nicht einfach zu ignorieren, so der renommierte Vatikanist John Allen auf der gleichen Website; Allen stellt nüchtern fest: "Ob diese nur eine Minderheit sind, ist egal – sie können nicht einfach ignoriert werden, denn zu ihnen gehören führende Persönlichkeiten der Hierarchie". Mehr noch: Schon die Tatsache, dass sich Pater Spadaro diesen so stelle, zeige ja, dass Fragen zu Amoris Laetitia offen sind, so Allen.

Worum es geht

Der Klärungsbedarf, dem diesen Kritikern zufolge der Papst bislang aus dem Weg zu gehen versuche, verhandelt weit mehr, als nur die ohnehin schon kontrovers diskutierte Frage, ob und wie geschiedene Wiederverheiratete zur Kommunion zugelassen werden können oder sollten.

Wie der Freiburger Theologie-Professor Helmut Hoping in der "FAZ" schreibt: "Für liberale Bischöfe und Theologen ist die Frage der Kommunion für wiederverheiratet Geschiedene ein Türöffner zur Revision der katholischen Sexualmoral insgesamt". Gebe man in ihrem Bindungsanspruch erst einmal die traditionelle Lehre auf, die als Ort gelebter Sexualität ausschließlich die gültige Ehe von Mann und Frau vorsehe, so Hoping, dann "könnte die katholische Kirche wie die evangelische auch eheähnlichen Verhältnissen ihren Segen geben, einschließlich gottesdienstlicher Segensfeiern".

Gleichzeitig ist der Ton, der den Kardinälen und anderen entgegenschlägt, die um eine Klarstellung bitten, enorm eskaliert. Von "Freude der Liebe" kann keine Rede sein, wenn deutsche Theologen, ein römischer Rota-Richter oder ein griechischer Bischof wortmächtige "Drohkulissen aufbauen" (Helmut Hoping), die sich allerdings gegen die Person der Kardinäle richtet, nicht den Inhalt ihres Schreibens. 

Die Vehemenz mag den Ernst der Lage unterstreichen; aber gerade weil es letztlich um die Einheit der Lehre und Kirche geht, sollte als Konsens auf allen Seiten gelten: "Don’t judge!", "(Ver)urteile nicht!", mahnte EWTN Deutschland-Intendant Martin Rothweiler bei "Katholisch.de".

Im Licht des Christbaums sagte Papst Franziskus gestern: "Die Krippe und der Baum bilden eine Botschaft der Hoffnung und der Liebe und helfen dabei, eine förderliche Weihnachtsatmosphäre zu schaffen, um mit Glauben das Geheimnis der Geburt des Erlösers zu erleben, der in Einfachheit und Demut auf die Erde gekommen ist."

Diese klare Einfachheit des Erlösers und dessen Demut, an die uns der Heilige Vater erinnert: Sie ist es, die Jesus nicht nur selber vorgelebt hat, sondern auch von uns einfordert, wenn er im Matthäusevangelium, kurz nach der Bergpredigt, klipp und klar sagt: "Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen" (Mt 5,37).

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