Der Besuch von Papst Franziskus in Chile belebt erneut Vorwürfe gegen diesen Bischof

Bischof Juan Barros
Chilenische Bischofskonferenz

Als Papst Franziskus seinen Besuch in Chile begann, äußerte ein Sprecher des Vatikans "größte Achtung" für die Rechte der Demonstranten, die seit mittlerweile drei Jahren gegen die Ernennung eines Bischofs protestieren.Treffen werde sie der Papst jedoch nicht.

Damit wird die Kontroverse um Bischof Juan Barros Madrid von Osorno kaum enden, sagen Kirchenvertreter vor Ort: Schließlich haben auch dessen wiederholte Erklärungen, dass er nicht wusste, dass sein langjähriger Freund und Mentor, der Priester Fernando Karadima, Minderjährige psychisch und sexuell schwerst missbraucht hat.  

"Ich habe nie etwas von diesen schweren Misshandlungen gewußt oder hätte mir diese vorgestellt, die dieser Priester gegen die Opfer verübt hat", sagte Bischof Barros gegenüber der Agentur "Associated Press".

Er habe auch selber "niemals solche schwer unehrliche Handlungen genehmigt oder daran teilgenommen", so Barros weiter. Er sei ja zudem niemals von einem Gericht für solche Dinge verurteilt worden.
 
Im Januar 2015 ernannte Papst Franziskus Bischof Barros zum Oberhirten der Diözese Osorno in Südchile. Die Ernennung löste sofort scharfe Proteste aus. Mehrere Priester forderten den Rücktritt des neuen Bischofs. Dutzende Demonstranten, darunter auch Nicht-Katholiken, versuchten, seine Einführungsmesse am 21. März 2015 in der Kathedrale von Osorno zu verhindern und stören.

Tage später sagte Erzbischof Fernando Chomali Garib von Concepción, dass Papst Franziskus ihm gesagt habe, dass es "keinen objektiven Grund" gäbe, dass der Bischof nicht installiert werden sollte.

Der Papst sei über die Situation auf dem Laufenden gehalten worden, so Erzbischof Garib.

Am 31. März 2015 veröffentlichte die Kongregation für die Bischöfe des Vatikans ebenfalls eine Erklärung, in der sie erklärte, dass das Büro "die Kandidatur des Prälates sorgfältig geprüft und keine objektiven Gründe gefunden habe, die Ernennung auszuschließen".
 
Der damalige Apostolische Nuntius in Chile, Erzbischof Ivo Scapolo, sagte, dass alle Informationen über die Person Barros an Papst Franziskus weitergegeben worden seien. Die meisten Leute in der Kirche stünden hinter Barros, fügte der Nuntius hinzu.

Fakt ist: Jahrzehntelang war der heutige Bischof Barros ein Zögling und enger Freund von Fernando Karadima; der damals einflussreiche Priester aus Santiago förderte die Berufungen von etwa 40 Priestern — darunter die von Juan Barros.
 
Als Berichte über sexuellen Missbrauch und andere Skandale um Karadima immer wieder auftauchten, gehörte Bischof Barros zu den Priestern, welche die Vorwürfe öffentlich bestritten. Eine Zivilklage gegen Karadima wurde mit der Begründung abgewiesen, dass seine Taten verjährt seien.
 
Im Februar 2011 beendete dann die Kongregation für die Glaubenslehre ihre Untersuchung mit dem Urteil, dass der Priester erwiesenermaßen schuldig ist. Dem mittlerweile über 80 Jahre alten Mann  wurde ein Leben in Zurückgezogenheit und Gebet verordnet. Karadima ist bis heute Priester.
 
Bischof Barros erklärte, er habe sich bereits vom Priester entfernt, bevor Anschuldigungen aufgetaucht seien. Begründung: Karadima sei "übellaunig" geworden.
 
"Der Schmerz der Opfer schmerzt mich enorm, ich bete für diejenigen, die diesen Schmerz heute mit sich tragen", teilte Barros 2015 in einem Brief an die Gläubigen der Diözese Osorno vor seiner Installation mit.
 
Am 6. Mai 2015, fünf Monate nach der Ernennung von Barros zur Diözese Osorno, wandte sich Diakon Jaime Coiro, Generalsekretär der chilenischen Bischofskonferenz, persönlich an Papst Franziskus und sagte ihm: Die Kirche in Osorno habe für ihn "gebetet und gelitten". 

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"Osorno leidet, ja", antwortete Papst Franziskus, "an Dummheit."

"Die einzige Anklage gegen diesen Bischof wurde vor Gericht entkräftet", so der Papst gegenüber Diakon Coiro in einem Video, dass die chilenischen "Ahora Noticias" veröffentlicht haben:

"Denken Sie mit Ihrem Kopf nach und lassen Sie sich nicht von den Linken an der Nase herumführen, die diesen Fall zusammengebastelt haben", fügte der Papst hinzu.

Das sehen mehrere Missbrauchs-Opfer von Karadima anders.

Drei von ihnen werfen Barros vor, den überführten Täter gedeckt und dessen Verbrechen vertuscht zu haben – eine Darstellung, die von den offiziellen vatikanischen Ermittlungen nicht bestätigt wurde.

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Der bekannteste dieser Ankläger, der ehemalige Seminarist Juan Carlos Cruz, lebt in den USA und hat als leitender Kommunikationsmanager für die Firma DuPont gearbeitet. Cruz wirft Karadima vor, ihn in den 1980er Jahren sexuell missbraucht zu haben, und hat wiederholt behauptet, Barros und andere Zöglinge Karadimas hätten von den Misshandlungen gewusst und seien sogar Zeuge davon geworden, so die "Associated Press" (AP).
 
Am 11. Januar 2018 berichtete AP, dass ein vertraulicher Brief des Papstes an die Chilenische Bischofskonferenz vom 31. Januar 2015 die Besorgnis einiger chilenischer Bischöfe bezüglich der Ernennung anspricht. In diesem Schreiben erwähne der Papst auch, dass der Apostolische Nuntius 2014 Barros gebeten hatte, als Militärbischof der chilenischen Streitkräfte zurückzutreten und eine Auszeit zu nehmen, bevor er eine andere Verantwortung als Bischof übernehme.
 
In dem Brief des Papstes heißt es zudem offenbar auch, dass Barros darüber informiert worden sei, dass ein ähnliches Vorgehen für zwei weitere von Karadima ausgebildete Bischöfe geplant sei.  Dies solle Barros aber nicht weitersagen. Barros habe jedoch, berichtet AP,  "ein ernstes Problem" geschaffen, als er diese beiden Bischöfe in einem Rücktrittscheiben als Militärbischof beim Namen nannte und damit "jede Chance verbaute", diese Bischöfe aus den Kontroversen zu entfernen.

Ist die Berichterstattung von AP über diesen Papstbrief zutreffend?

Greg Burke, der Sprecher des Vatikans, lehnte es ab, sich zum Bericht der AP über den Brief von Franziskus zu äußern. Barros seinerseits teilte mit, er habe nichts von dem Brief gewußt.

Widerstand gegen Papstbesuch und Morddrohung

Papst Franziskus besucht derzeit Chile und anschließend Peru – seine 22. Auslandsreise dauert vom 15. bis zum 22. Januar. Seine Ankunft in Chile hat heftigen Widerstand hervorgerufen – nicht nur wegen der Kontroverse um Bischof Barros
 
Mindestens sechs katholische Kirchen im Land wurden aus Protest des Besuchs angegriffen.

Drei katholische Kirchen in der Hauptstadt Santiago wurden am 12. Januar von unbekannten Tätern angegriffen oder verwüstet. Bei einem Anschlag mit einer Brandbombe in der Pfarrei St. Elisabeth von Ungarn hinterließen die Täter auch eine Morddrohung gegen den Papst. 

"Papst Franziskus, die nächsten Bomben werden in Deiner Soutane sein", sagte eine zurückgelassene Broschüre. 

Zwei weitere Kapellen in der Stadt erlitten ebenfalls Schäden, einschließlich zerbrochener Fenster und Türen.
 
Weitere zurückgelassene Broschüren teilten mit: "Wir werden uns niemals der Herrschaft unterwerfen, die sie über unseren Körper, unsere Ideen und Handlungen ausüben wollen, weil wir frei geboren sind, unseren eigenen Weg zu gehen." Die Botschaften fordern zudem "Autonomie und Widerstand" für die Mapuche, die größte indigene Gruppe des Landes. Viele Mapuche leben in der Region de la Araucanía, die Papst Franziskus ebenfalls besuchen wird.
 
Seit Chiles militärischer Eroberung im 19. Jahrhundert haben viele Mapuche-Gemeinschaften die Rückkehr von angestammtem Land, Respekt für ihre kulturelle Identität und manchmal Autonomie gekämpft.

Am Morgen nach den Anschlägen stürmte eine Gruppe von Demonstranten die Apostolische Nuntiatur von Chile, bevor die Polizei sie entfernte.

Roxana Miranda, Leiterin einer Aktivistengruppe, die gegen hohe Hypothekenzinsen protestiert, übernahm die Verantwortung für die Besetzung und sagte, dies sei durch Einwände gegen die Kosten des Papstbesuchs begründet.