Vatikanstadt - Mittwoch, 21. Oktober 2020, 14:12 Uhr.
In einem neuen Dokumentarfilm fordert Papst Franziskus die Einführung eingetragener Lebenspartnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare. In dem Film, der am heutigen Mittwoch in Rom uraufgeführt wurde, verabschiedet sich damit Franziskus in dieser Frage von der Position der Kongregation für die Glaubenslehre und seinen Vorgängern.
Die Aussage des Papstes wird an der Stelle in dem Dokumentarfilm gemacht, in dem es um die Seelsorge für Menschen geht, die sich selbst als LGBT identifizieren.
"Homosexuelle haben ein Recht darauf, Teil der Familie zu sein. Sie sind Kinder Gottes und haben ein Recht auf eine Familie. Niemand sollte hinausgeworfen werden oder deswegen unglücklich gemacht werden", sagt Papst Franziskus in dem Film über seinen Ansatz in der Seelsorge.
In diesem Zusammenhang erörtert Franziskus dann die Frage eingetragener Lebenspartnerschaften für homosexuelle Paare – und schildert seine Sichtweise, die unter Katholiken kontrovers diskutiert werden dürfte.
"Was wir brauchen, ist ein Gesetz zur eingetragenen Lebenspartnerschaft. Auf diese Weise sind sie rechtlich abgesichert", sagt der Papst. "Dafür bin ich eingetreten."
Franziskus macht die Aussage in dem Film "Francesco", einem Dokumentarfilm über das Leben und Wirken von Papst Franziskus, der am 21. Oktober im Rahmen des Filmfestivals von Rom Premiere hatte und am Sonntag auch in Nordamerika aufgeführt werden soll.
Der Film schildert die Herangehensweise von Papst Franziskus an drängende soziale Fragen wie auch die Seelsorge für Menschen, die – so der Papst – "an der existentiellen Peripherie" leben.
Mit Interviews mit Persönlichkeiten aus dem Vatikan, darunter Kardinal Luis Tagle und andere Mitarbeiter des Papstes, wirft "Francesco" einen Blick auf das Eintreten des Papstes für Migranten und Flüchtlinge, die Armen, sein Vorgehen in der Frage des sexuellen Missbrauchs durch Geistliche, die Rolle der Frau in der Gesellschaft und die Einstellung von Katholiken – wie anderen – gegenüber Personen, die sich selbst als LGBT identifizieren.
Dabei widmet sich der Dokumentarfilm auch dem eigenen Umgang von Papst Franziskus mit Menschen, die sich als LGBT identifizieren, anhand des Beispiels zweier italienischer Männer in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung. Der Papst habe diese ermutigt, ihre Kinder in ihrer Pfarrei aufwachsen zu lassen, was – wie einer der beiden Männer sagt – für die Kinder sehr gut gewesen sei.
"Er hat nicht erwähnt, was seine Meinung über meine Familie war. Wahrscheinlich folgt er in diesem Punkt der Doktrin", so der Mann, der gleichzeitig den Papst für seine Einstellung lobte – und für seine Bereitschaft der Aufnahme und Ermutigung.
An dieser Stelle im Film äußert sich der Papst auch zu eingetragenen Lebenspartnerschaften. Der Filmemacher, Evgeny Afineevsky, bestätigte gegenüber der "Catholic News Agency" (CNA), dass der Papst sich während seines Interviews für eingetragene Lebenspartnerschaften ausgesprochen hat.
Diese direkt ausgesprochene Forderung des Papstes nach einer gesetzlichen Einführung eingetragener Lebenspartnerschaften unterscheidet sich von der Sicht seiner Vorgänger – und von seinen eigenen, frühreren Aussagen zu eingetragenen Lebenspartnerschaften, in denen sich Franziskus weitaus vorsichtiger äußerte.
Im Jahr 2010, als er Erzbischof von Buenos Aires war, sprach sich Papst Franziskus gegen Bemühungen um eine Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe aus. Während Sergio Rubin, der Biograf des zukünftigen Papstes, vorgeschlagen hatte, dass Franziskus die Idee der eingetragenen Lebenspartnerschaften unterstützte, um die uneingeschränkte Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Argentinien zu verhindern, wies Miguel Woites, der während seines Aufenthalts in Argentinien direkt mit der Bischofskonferenz von Argentinien und der Erzdiözese Buenos Aires zusammenarbeitete, diese Behauptung als falsch zurück.
Allerdings scheint die Aussage des Papstes, dass er sich schon früher für eingetragene Lebenspartnerschaften "eingesetzt" habe, die Berichte von Rubin und anderen zu bestätigen, denen zufolge der damalige Kardinal Bergoglio die Idee eingetragener Lebenspartnerschaften als Kompromiss in Argentinien privat unterstützte.
In seinem Buch "Über Himmel und Erde" ("On Heaven and Earth") aus dem Jahr 2013 lehnte Papst Franziskus die Möglichkeit von zivilrechtlichen Vereinigungen nicht rundheraus ab, sagte jedoch, dass Gesetze, die homosexuelle Beziehungen der Ehe "gleichstellen", "ein anthropologischer Rückschritt" sind. Außerdem drückte er seine Besorgnis darüber aus, dass Kinder betroffen sein könnten, wenn gleichgeschlechtliche Paare "Adoptionsrechte erhalten. Jeder Mensch braucht einen männlichen Vater und eine weibliche Mutter, die ihm helfen können, seine Identität zu formen".
Im Jahr 2014 sagte Pater Thomas Rosica, der damals im Pressebüro des Heiligen Stuhls arbeitete, gegenüber CNA, Papst Franziskus habe sich nicht für gleichgeschlechtliche eingetragene Lebenspartnerschaften ausgesprochen, nachdem einige Journalisten berichtet hatten, dass Franziksus dies in einem Interview getan habe. Während in Italien eine Einführung eingetragener Lebenspartnerschaften diskutiert wurde, betonte Rosica, dass Franziskus sich nicht in die Debatte einmische, sondern die katholische Lehre über die Ehe betonen würde.
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Im Jahr 2003 äußerte sich die Glaubenskongregation des Vatikans, unter der Leitung von Kardinal Joseph Ratzinger und auf Anweisung von Papst Johannes Paul II., zu "den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen".
"Nach der Lehre der Kirche kann die Achtung gegenüber homosexuellen Personen in keiner Weise zur Billigung des homosexuellen Verhaltens oder zur rechtlichen Anerkennung der homosexuellen Lebensgemeinschaften führen", so die Glaubenskongregation.
(Den vollen Wortlaut können Sie hier lesen.)
Das Gemeinwohl verlange, "dass die Gesetze die eheliche Gemeinschaft als Fundament der Familie, der Grundzelle der Gesellschaft, anerkennen, fördern und schützen", so der Vatikan.
Die Erklärung fährt fort: "Die rechtliche Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften oder deren Gleichsetzung mit der Ehe würde bedeuten, nicht nur ein abwegiges Verhalten zu billigen und zu einem Modell in der gegenwärtigen Gesellschaft zu machen, sondern auch grundlegende Werte zu verdunkeln, die zum gemeinsamen Erbe der Menschheit gehören. Die Kirche kann nicht anders, als diese Werte zu verteidigen, für das Wohl der Menschen und der ganzen Gesellschaft."
Das Presse-Amt des Vatikans hat Anfragen von CNA zu den Äußerungen des Papstes in dem Dokumentarfilm nicht beantwortet.
Während sich Bischöfe in einigen Ländern nicht gegen Initiativen für die Einführung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften ausgesprochen und stattdessen versucht haben, sie von der standesamtlichen Ehe zu unterscheiden, warnen Gegner solcher Partnerschaften seit langem davor, dass diese als legislative und kulturelle Brücke zur Einführung einer gleichgeschlechtlichen Ehe dienen.
Der Dokumentarfilmer Afineevsky sagte gegenüber EWTN News vor einigen Wochen, dass er in "Francesco" versucht habe, den Papst so darzustellen, wie er ihn gesehen habe, und dass der Film möglicherweise nicht allen Katholiken gefallen würde. Er sagte am Mittwoch gegenüber CNA, seiner Ansicht nach gehe es in dem Film nicht "um" den Aufruf des Papstes zu eingetragene Lebenspartnerschaften, sondern "um viele andere globale Fragen".
"Ich betrachte ihn nicht als Papst, sondern als einen bescheidenen Menschen, ein großes Vorbild für die jüngere Generation, eine Führungskraft für die ältere Generation, eine Führungskraft für viele Menschen nicht im Sinne der katholischen Kirche, sondern in dem Sinn einer klaren Führung, vor Ort, auf den Straßen", fügte Afineevsky hinzu.
Der Dokumentarfilmer sagte, er habe seit 2018 mit dem Vatikan an der Produktion eines Films über Papst Franziskus zusammengearbeitet, und er habe bis zum Abschluss der Dreharbeiten im Juni, inmitten des Lockdowns wegen der Coronavirus-Pandemie in Italien, noch nie dagewesenen Zugang zu Papst Franziskus erhalten.
Afineevsky, ein in Russland geborener und in den USA lebender Filmemacher, wurde 2015 sowohl für einen Oscar als auch für einen Emmy Award nominiert für seine Produktion "Winter on Fire" ("Winter in Flammen"), ein Dokumentarfilm, der die Euromaidan-Proteste der Ukraine 2013 und 2014 dokumentierte. Sein Film "Cries from Syria" (Schreie aus Syrien) wurde 2017 für vier Nachrichten- und Dokumentarfilm-Emmy Awards und drei Critics' Choice Awards nominiert.
Am Donnerstag wird Afineevsky in den Vatikanischen Gärten mit dem renommierten Kineo Movie for Humanity Award ausgezeichnet, mit dem Filmemacher gewürdigt werden, die soziale und humanitäre Themen durch ihr Filmschaffen darstellen. Der Preis wurde 2002 vom italienischen Kulturministerium ins Leben gerufen.
Rosetta Sannelli, die Initiatorin des Kineo-Preises, teilte mit, dass "jede Reise von Papst Franziskus in verschiedene Teile der Welt in Afineevskys Werk, in Bildern und Nachrichtenaufnahmen dokumentiert ist und sich als authentischer Einblick in die Ereignisse unserer Zeit, ein in jeder Hinsicht historisches Werk, offenbart".
Übersetzt und redigiert aus dem Original der CNA Deutsch-Schwesteragentur.
https://twitter.com/cnadeutsch/status/1110081719661723653?s=20