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Im vollen Wortlaut: Der "Brief an unsere Mitbrüder im Bischofsamt in Deutschland"

Der "Synodale Weg"

EINE ANTWORT AUF DIE SITUATION IN DEUTSCHLAND: EIN BRÜDERLICHER BRIEF AN UNSERE MITBRÜDER IM BISCHOFSAMT IN DEUTSCHLAND

11. April 2022

Im Zeitalter der schnellen globalen Kommunikation wirken sich die Ereignisse in einem Land unweigerlich auch auf das kirchliche Leben in anderen Ländern aus. So hat der Synodale Weg, wie er derzeit von den Katholiken in Deutschland beschritten wird, Auswirkungen auf die Kirche weltweit. Dies gilt auch für die Ortskirchen, die wir als Hirten betreuen, und die vielen gläubigen Katholiken, für die wir Verantwortung tragen.

Aus diesem Grund fühlen wir uns angesichts der Ereignisse in Deutschland gedrängt, unsere wachsende Sorge über den Charakter des gesamten Synodalen Weges und den Inhalt der synodalen Dokumente zum Ausdruck zu bringen. Unsere diesbezüglichen Bemerkungen sind hier bewusst kurz gehalten. Sie würden zwar eine weitere Ausarbeitung durch einzelne Bischöfe erfordern, wozu wir nachdrücklich ermutigen (wie z.B. Erzbischof Samuel Aquilas Ein Offener Brief an die katholischen Bischöfe der Welt), doch verlangt die Dringlichkeit der Situation eine kurze Stellungnahme im Sinne der Warnung des Heiligen Paulus in Römer 12,2 Gleicht Euch nicht dieser Welt an. Der Ernst der Lage ergibt sich ferner aus der Verwirrung, die der Synodale Weg bereits verursacht hat und weiterhin verursacht, und einem dadurch unweigerlich drohenden Schisma im Leben der Kirche. 

Die Notwendigkeit von Reform und Erneuerung ist so alt wie die Kirche selbst. Das Verlangen danach ist prinzipiell lobenswert und kein Grund zur Angst. Viele der am Synodalen Weg Beteiligten sind zweifellos von den besten Absichten geleitet. Doch die Geschichte des Christentums ist übersät mit gutgemeinten Versuchen, die jedoch ihre Verankerung im Wort Gottes, in der treuen Begegnung mit Jesus Christus, im echten Hören auf den Heiligen Geist und in der Unterordnung des eigenen Willens unter den des Vaters verloren haben. Solche gescheiterten Reformversuche haben sowohl das Evangelium als auch die Einheit, die Erfahrung und den Weisheitsschatz der Kirche außer Acht gelassen. Da sie die Worte Jesu „getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ (Joh 15,5) missachtet haben, blieben sie fruchtlos und schadeten der Kirche in ihrer Einheit und ihrer evangelischen Vitalität. Der deutsche Synodale Weg droht in genau solch eine Sackgasse zu führen.

Als Ihre Mitbrüder im Bischofsamt haben wir unter anderem folgende Bedenken:

1. Die Stimme des Heiligen Geistes und des Evangeliums überhörend, untergräbt der Synodale Weg die Glaubwürdigkeit der kirchlichen Autorität, einschließlich der von Papst Franziskus, die christliche Anthropologie und Sexualmoral sowie das Vertrauen in die Heilige Schrift.

2. Obwohl sie eine Fülle religiöser Ideen und Begriffe verwenden, scheinen die Texte des deutschen Synodalen Weges größtenteils nicht vom Wort Gottes und der Tradition – die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil „den einen der Kirche überlassenen heiligen Schatz des Wortes Gottes” bilden (DV 10) –, sondern von soziologischen Analysen und zeitgenössischen politischen Ideologien, einschließlich der Genderideologie, inspiriert zu sein. Sie betrachten die Kirche und ihre Mission eher durch die Brille der Welt als durch die Brille der in der Heiligen Schrift und der verbindlichen Tradition der Kirche geoffenbarten Wahrheit.

3. Die Inhalte des Synodalen Weges scheinen auch den Begriff der christlichen Freiheit umzudeuten und damit zu schmälern. Für den Christen setzt Freiheit das Wissen um das rechte Handeln voraus, besteht sie doch in der Bereitschaft und der ungehinderten Fähigkeit, das Richtige zu tun. Freiheit ist nicht „Autonomie“. Authentische Freiheit ist nach der Lehre der Kirche an die Wahrheit gebunden und auf das Gute und letztendlich auf die Glückseligkeit des Menschen hin geordnet. Das Gewissen, das ja mit persönlicher Vorliebe oder gar Selbstbehauptung nicht verwechselt werden darf, ist keine schöpferische Quelle von Wahrheit. Ein gut gebildetes christliches Gewissen bleibt der Wahrheit über die menschliche Natur und den von Gott geoffenbarten und von der Kirche Christi gelehrten Normen für ein rechtschaffenes Leben verpflichtet. Jesus ist die Wahrheit, die uns befreit (Joh 8).

4. Die Freude des Evangeliums – die für das christliche Leben wesentlich ist, wie Papst Franziskus so oft betont – scheint den Diskussionen und Texten des Synodalen Weges völlig zu fehlen; ein bezeichnendes Manko für einen Prozess, der persönliche und kirchliche Erneuerung anstrebt.

5. Das Verfahren des Synodalen Weges ist fast durchgängig von Experten und Ausschüssen bestimmt: es ist bürokratielastig, zwanghaft kritisch und nach innen gerichtet. Damit spiegelt es selbst eine weit verbreitete kirchliche Sklerose wider und widerspricht ironischer Weise Ton und Charakter des Evangeliums. In Wirklichkeit zeigt der Synodale Weg mehr Unterwerfung und Gehorsam gegenüber der Welt und deren Ideologien als gegenüber Jesus Christus, dem Herrn und Erlöser.

6. Die Fokussierung des Synodalen Weges auf „Macht“ in der Kirche zeugt von einem Geist, der dem wahren Wesen des christlichen Lebens grundlegend widerspricht. Denn letztlich ist die Kirche keine Institution, sondern eine organische Gemeinschaft. Als solche ist sie nicht egalitär, sondern familiär, komplementär und hierarchisch – ein Volk, das durch die gemeinsame Liebe aller zu Jesus Christus und zueinander im Namen Christi zusammengehalten wird. Die Reform der Strukturen bedeutet keineswegs schon die Bekehrung der Herzen. Die Begegnung mit Jesus, wie sie im Evangelium und im Leben der Heiligen im Laufe der Geschichte zu sehen ist, verändert Herz und Geist, bringt Heilung, führt weg von einem Leben in Sünde und Unglück und zeigt so die Macht des Evangeliums.

7. Ein letztes, besorgniserregendes Problem sei noch genannt; eine geradezu paradoxe Wirkung des Synodalen Weges in Deutschland: Dessen zerstörerische Effekte könnten einige Bischöfe und viele, fromme Laien dazu bringen, der Idee der „Synodalität“ selbst zu misstrauen. Dies würde das notwendige Gespräch innerhalb der Kirche über die Erfüllung ihrer Mission zur Bekehrung und Heiligung der Welt schmerzhaft behindern.

In einer Zeit der Verwirrung ist das Letzte, was unsere Glaubensgemeinschaft braucht, noch mehr vom Gleichen. Bei Ihrem Ringen um die Erkenntnis des Willens des Herrn für die Kirche in Deutschland versprechen wir Ihnen unser begleitendes Gebet.

Francis Kardinal Arinze (Onitsha, Nigeria)

Raymond Kardinal Burke (Saint Louis, USA)

(Die Geschichte geht unten weiter)

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