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Erneuerung der Kirche - aber wie?

Christus unter den Schriftgelehrten (um 1630), aus dem Umkreis von Jusepe de Ribera

Vor etwa einer Woche hat der Limburger Bischof Dr. Georg Bätzing einen bemerkenswerten Bericht über seine Pastoralvisitation in Frankfurt vorgestellt. Verschiedene Medien, darunter das "Domradio", haben darüber berichtet. Er erntete Zustimmung und Widerspruch. Auf der begleitenden Pressekonferenz erläuterte Bätzing:

"In gewisser Weise müssen wir uns neu erfinden …Wenn wir es einfach so lassen wie bisher, wird sich die Kirche in vielen Punkten in kurzer Zeit erübrigt haben."

Das Schreiben, in dem der Bischof von Limburg die Eindrücke seiner Pastoralvisitation zusammenfasst (Quelle), wirkt wie eine wissenschaftliche Studie, die auch reich ist an abstrakten Begriffen wie "Relevanzdiskurs", "Plausibilität des Erlösungsparadigmas" und "Glaubwürdigkeitstestfall".

Bätzing schreibt dort etwa: "Umgekehrt kann heute das Evangelium als wirksamer Glaube neu von solchen Orten her gelernt werden, wo er als heilsam und je subjektiv lebensbereichernd erfahren wird, wo also das Christentum sich schon in diesem Sinne inmitten selbstverständlicher Säkularität von seinem Grundverständnis her erneuert hat. … Wo sich durch den Glauben an Gott Erlösung ereignet, da kann die Relevanz des christlichen Glaubens entdeckt werden."

Allein diese Gedanken böten Stoff für ein theologisches Oberseminar. Weiter erwägt Bischof Bätzing, "wie wir als Kirche heute in den Veränderungsprozessen zu Priorisierungen finden können". Auch beschreibt er die seit Jahrzehnten sich vollziehende Auflösung katholischer Milieus. Trotz feststellbarer Vorbehalte von vielen Zeitgenossen gegenüber "christlichen Symbolen und Begriffen" versteht er die "Säkularisierung" als einen "Prozess des Auseinanderdriftens von kirchlichem und nichtkirchlichem Christentum" und als "Ausdifferenzierung des Christentums".

Diese und viele weitere sorgfältige, reflektierte Bemerkungen von Bischof Dr. Georg Bätzing bieten Themen für interdisziplinäre Ringvorlesungen, Aufsatzbände und akademische Colloquien. Sie eignen sich auch für Podiumsdiskussionen auf Katholiken- und Kirchentagen. Man könnte möglicherweise sogar noch neue Formen einer zeitgenössischen Kirchensoziologie anhand dieses Berichtes entwickeln.

Die konzentrierte Lektüre des anspruchsvollen Textes erinnerte mich auch an das Wort meiner ehemaligen Hilfskraft, die Theologie studierte und der ich probehalber einen Text zur Lektüre gab. Sie las aufmerksam und sagte mir freimütig: "Wird wohl stimmen, hm ... aber klingt alles schon ein bisschen stelzig." Ich war enttäuscht über das Echo, das ich dringend nötig hatte. Die junge Dame hatte völlig recht. Verständlichkeit ist wichtig. Über die Erneuerung der Kirche darf man immer (und immer wieder) nachdenken, warum nicht? Wenn wir uns verständigen möchten, müssen wir aber verständlich miteinander reden.

Als Vorbild taugt die heilige Mutter Teresa. Sie belehrte uns vorzüglich, als sie einem Journalisten auf die Frage, was sich als Erstes an der Kirche ändern müsse, präzise antwortete: "Sie und ich!"

Ob eine neue Theologie erforderlich ist, weiß ich nicht. Aber ich glaube: Wir brauchen eine Art Entschlackung, darum einfach weniger – weniger sperrige Begriffe, weniger akademische Kunstwörter. Zwar ist auch das "Neue Testament" nicht in der sogenannten "leichten Sprache" verfasst worden, aber ganz unverständlich scheint es doch nicht zu sein. Darum: Liebe Bischöfe, wir alle möchten Euch so gern verstehen! Einen Gedanke aber, mit dem ein sehr wichtiges Problem zumindest angedeutet wird, entdeckt der Leser in dem sehr nachdenklich formulierten Schreiben des Bischofs. Mit Blick "auf die tausenden getauften (und gefirmten) Christinnen und Christen, die aus der katholischen Kirche ausgetreten sind", fragt er sich und seine Leser: "Wie können wir uns mit ihnen verständigen und verbinden?"

Ein grundsätzlicher Gedanke wäre an dieser Stelle möglich. Der Leser denkt fast unweigerlich daran. Für das "kirchliche Establishment" (Peter Seewald) wäre die Erwägung ganz sicherlich eine Zumutung. Freilich, niemand muss in Deutschland der Kirchensteuerzahlgemeinschaft angehören. Man kann austreten, das ist möglich. Aber bedeutet dieser Austritt aus dem Kirchensteuersystem notwendig zugleich den Austritt aus der Kirche des Herrn? In Deutschland schon. Eine Flut an Häresien, ob verborgen vor der Welt gehegt oder öffentlich geäußert, schließen vielleicht die Mitgliedschaft nicht aus – und könnten sogar weiter verbreitet sein, als die Frömmsten unter uns anzunehmen wagen. Zum Kirchensteuersystem hat sich der emeritierte Papst Benedikt XVI. in dem – unverändert lesenswerten – Buch "Letzte Gespräche" gegenüber Peter Seewald 2016 geäußert.

Die erste Überlegung könnte sich vielleicht auch mit Bischof Bätzings behutsamen Erwägungen berühren. Benedikt XVI. sagte sehr deutlich: "Ich habe in der Tat große Zweifel, ob das Kirchensteuersystem so, wie es ist, richtig ist. Ich meine damit nicht, dass es überhaupt eine Kirchensteuer gibt. Aber die automatische Exkommunikation derer, die sie nicht zahlen, ist meiner Meinung nach nicht haltbar."

Der zweite Gedanke folgte kurz darauf. Hier entdecke ich keine Parallele zu Bätzings Reflexionen. Benedikt XVI. wurde von Peter Seewald auf das Problem des Glaubensverlustes in Deutschland angesprochen. Er äußerte sich unmissverständlich dazu:

"In Deutschland haben wir diesen etablierten und hochbezahlten Katholizismus, vielfach mit angestellten Katholiken, die dann der Kirche in einer Gewerkschaftsmentalität gegenübertreten. Kirche ist für sie nur der Arbeitgeber, gegen den man kritisch steht. Sie kommen nicht aus einer Dynamik des Glaubens, sondern sind eben in so einer Position. Das ist, glaube ich, die große Gefahr der Kirche in Deutschland, dass sie so viele bezahlte Mitarbeiter hat und dadurch ein Übergang an ungeistlicher Bürokratie da ist."

Benedikts sehr verständlich formulierter Vorschlag vom 25. September 2011 lautete:

"Das missionarische Zeugnis der entweltlichten Kirche tritt klarer zutage. Die von materiellen und politischen Lasten und Privilegien befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein. Sie kann ihre Berufung zum Dienst der Anbetung Gottes und zum Dienst des Nächsten wieder unbefangener leben. Die missionarische Pflicht, die über der christlichen Anbetung liegt und die ihre Struktur bestimmen sollte, wird deutlicher sichtbar. … Es geht hier nicht darum, eine neue Taktik zu finden, um der Kirche wieder Geltung zu verschaffen. Vielmehr gilt es, jede bloße Taktik abzulegen und nach der totalen Redlichkeit zu suchen, die nichts von der Wahrheit unseres Heute ausklammert oder verdrängt, sondern ganz im Heute den Glauben vollzieht, eben dadurch daß sie ihn ganz in der Nüchternheit des Heute lebt, ihn ganz zu sich selbst bringt, indem sie das von ihm abstreift, was nur scheinbar Glaube, in Wahrheit aber Konvention und Gewohnheit ist."

Es ist schade, dass Bischof Bätzing nicht empfehlend auf Benedikts Freiburger Rede von 2011 hingewiesen hat, als er seine Reflexionen in Frankfurt vorlegte. Der Limburger Bischof ermutigt immerhin zu "Experimenten". Ob wir alle – Weltchristen wie Kleriker – in Deutschland 2019 den Mut zu einem quasi "benediktinischen" Experiment, nämlich zu einer christozentrischen Erneuerung der Kirche, wie sie Benedikt XVI. vor rund acht Jahren angeregt hat, wirklich aufbrächten? "Um so mehr ist es wieder an der Zeit, die wahre Entweltlichung zu finden, die Weltlichkeit der Kirche beherzt abzulegen."

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Dr. Thorsten Paprotny lehrte von 1998 bis 2010 am Philosophischen Seminar und von 2010 bis 2017 am Institut für Theologie und Religionswissenschaft an der Leibniz Universität Hannover. Er publizierte zahlreiche Bücher im Verlag Herder. Gegenwärtig arbeitet er an einer Studie zum Verhältnis von Systematischer Theologie und Exegese im Werk von Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. Er publiziert regelmäßig in den "Mitteilungen des Instituts Papst Benedikt XVI.".

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