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Papst Franziskus: "Der wahre Thomismus ist derjenige von Amoris laetitia"

Papst Franziskus in der Synodenhalle des Vatikans am 3. Oktober 2018

In einer Ansprache vor Moraltheologen am Freitag warnte Papst Franziskus vor einem "Rückwärtsgang" – "sei es aus Angst, aus Mangel an Einfallsreichtum oder aus Mangel an Mut" – welcher der Kirche derzeit "so weh tut". Gleichzeitig betonte er mit Blick auf seine Apostolische Exhortation von 2016: "Der wahre Thomismus ist derjenige von Amoris laetitia."

Man müsse zwar "zu den Wurzeln zurückkehren", so der Pontifex, denn ohne diese "können wir keinen Schritt nach vorne machen. Wir lassen uns von den Wurzeln inspirieren, aber wir müssen vorwärts gehen."

Rückwärts zu gehen sei hingegen "nicht christlich". Dieser Rückwartsgang bedeute "zurückgehen, um einen Schutz zu haben, eine Sicherheit, um das Risiko des Vorwärtsgehens zu vermeiden, das christliche Risiko, den Glauben zu tragen, das christliche Risiko, den Weg mit Jesus Christus zu gehen. Und das ist ein Risiko."

Speziell in der Moraltheologie gebe es "eine Umkehr mit kasuistischen Vorschlägen, und die Kasuistik, die ich unter sieben Metern begraben glaubte, taucht als Vorschlag – ein wenig verschleiert – wieder auf: 'Bis hierher kannst du, bis hierher kannst du nicht, hier ja, hier nein'."

Dekadenter Thomismus oder wahrer Thomismus?

Es sei "die Sünde des Rückschritts", die Moraltheologie auf die Kasuistik reduzieren zu wollen, so Papst Franziskus am 13 Mai. "Die Kasuistik ist abgelöst worden. Die Kasuistik war für mich und meine Generation die Grundlage für das Studium der Moraltheologie. Aber es ist dem dekadenten Thomismus eigen."

"Der wahre Thomismus ist derjenige von Amoris laetitia", so der Pontifex, "der dort stattfindet, in der Synode gut erklärt und von allen akzeptiert wird. Es ist die lebendige Lehre des heiligen Thomas, die uns dazu bringt, risikoreich, aber im Gehorsam voranzugehen. Und das ist nicht einfach. Hüten Sie sich bitte vor dieser Rückwärtsgewandtheit, die auch für Sie als Moraltheologen eine aktuelle Versuchung darstellt."

Die Behauptung, Amoris laetitia sei ein thomistisches Dokument, ist verschiedentlich bestritten worden. Der Dominikanerpater und Moraltheologe Basil Cole schrieb 2016 für den National Catholic Register:

Die Lehre des Aquinaten ist eindeutig: Eine Person, die nicht die Absicht hat, ihr Leben zu ändern und die öffentliche Sünde aufzugeben – einschließlich des Geschlechtsverkehrs mit einer Person, die nicht der sakramentale Ehepartner ist –, sollte weder die heilige Kommunion noch die Absolution empfangen, denn [die öffentliche Sünde] ist eine Sünde des Skandals, durch die man andere zur Sünde verleitet.

Amoris laetitia ist bis heute zudem weiter Gegenstand völlig widersprüchlicher Interpretationen und theologischer Kontroversen, weil es – zumindest gemäß der Interpretation von Papst Franziskus – in bestimmten Fällen Geschiedenen in einer neuen zivilen Ehe den Kommunionempfang erlaubt.  

Moraltheologie muss "aus der reichen Spiritualität" schöpfen, "die in der Familie keimt"

In seiner Ansprache am Freitag ermunterte der Heilige Vater die Moraltheologen, "aus der reichen Spiritualität zu schöpfen, die in der Familie keimt".

"Die Familie ist die Hauskirche", so Franziskus, "in ihr sind die Eheleute und die Kinder dazu berufen, gemeinsam das Geheimnis Christi zu leben, und zwar durch Gebet und Liebe, die in der Konkretheit des täglichen Lebens und der Situationen umgesetzt werden, in gegenseitiger Fürsorge, die fähig ist, zu begleiten, damit niemand ausgeschlossen und verlassen wird."

Die Moraltheologie müsse sich im inter- und transdisziplinären akademischen Austausch der Frage widmen: "Wie können die christlichen Familien heute in der Freude und Mühe der ehelichen, kindlichen und brüderlichen Liebe Zeugnis von der frohen Botschaft des Evangeliums Jesu Christi ablegen?"

Dabei gehe die Theologie in ihrer Reflexion "von der lebendigen Erfahrung und dem sensus fidei fidelium aus. Nur so kann die theologische Erkenntnis des Glaubens ihren notwendigen Dienst an der Kirche leisten."

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