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Abtreibung und Todesstrafe nicht vergleichbar: Kardinal Ratzinger zum Lebensschutz

Papst Benedikt XVI.

Durch die jüngsten Äußerungen von Papst Leo XIV. zu Abtreibung und Todesstrafe ist der Lebensschutz wieder in die Diskussion geraten. Kardinal Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., hatte demgegenüber bereits 1993 eindeutig klargestellt, dass die beiden Themen zu vergleichen seien.

Am Dienstag hatte Leo gegenüber EWTN News gesagt: „Jemand, der sagt, er sei gegen Abtreibung, aber für die Todesstrafe, ist nicht wirklich für das Leben. Jemand, der sagt, ich bin gegen Abtreibung, aber ich bin mit der unmenschlichen Behandlung von Einwanderern in den Vereinigten Staaten einverstanden, ich weiß nicht, ob das für das Leben ist.“

Ratzinger sagte indes 1993 im Zusammenhang mit der Vorstellung des Katechismus der Katholischen Kirche, für dessen Ausarbeitung er als Präfekt der Glaubenskongregation federführend verantwortlich war: „Man kann Abtreibung nicht mit der Todesstrafe vergleichen, als ob es sich hier um das Gleiche handeln würde.“

„Bei der Abtreibung tötet man offensichtlich eine völlig unschuldige Per­son, indem man eigene begrenzte Lebensziele über das Lebensrecht eines anderen Men­schen stellt“, führte Ratzinger in aller Klarheit aus. „Ganz anders verhält es sich bei der Todesstrafe. Sie setzt ein schweres Ver­brechen voraus, das von der Gesellschaft geahndet wird.“

Ratzinger, der von 2005 bis zu seinem überraschenden Rücktritt 2013 das Papstamt innehatte, räumte ein, dass er „persönlich die Abschaffung der Todesstrafe und die entsprechende gesellschaftspolitische Zielsetzung“ befürworte.

„Aber so weit will ich nicht gehen, zu sagen, daß sie absolut und für immer und unter allen Umständen ausgeschlos­sen sein muß“, fuhr er fort. „Ich denke hier an ein so fürchterliches Beispiel wie Eichmann und die an­deren Schwerstkriminellen im Vernichtungslager Auschwitz. Können wir sagen, daß ein Rechtsstaat völlig im Unrecht ist, wenn überlegt wird, ob solche Verbrecher die Todes­strafe verdient haben?“

„In der konkreten Politik heute wünsche ich mir die Abschaffung der Todesstrafe“, wiederholte Ratzinger. „Aber dieser persönliche Wunsch und diese gemeingesellschaftliche Ziel­setzung kann sich nicht auf eine Glaubenslehre stützen in dem Sinn, daß die Kirche zu jeder Zeit und unter allen Umständen die Todesstrafe für unvereinbar mit dem Glauben zu erklären und damit zu untersagen hätte.“

„Die Frage der Todesstrafe ist nicht unmittel­bar ein Inhalt oder Gegenstand des christlichen Glaubensbekenntnisses“, hielt der spätere Pontifex fest. „Es geht hier um ein Mittel der Rechtspflege im Staat, zu dem man vom Glauben und von der Sittenlehre als Christ und als Kirche eine Stellungnahme abgeben kann. Die Forderung eines bedin­gungslosen und absoluten Verbotes der Todesstrafe ergibt sich nicht zwingend aus dem christlichen Glaubensbekenntnis.“

Im Katechismus der Katholischen Kirche (KKK 2267) hieß es damals: „Unter der Voraussetzung, daß die Identität und die Verantwortung des Schuldigen mit ganzer Sicherheit feststeht, schließt die überlieferte Lehre der Kirche den Rückgriff auf die Todesstrafe nicht aus, wenn dies der einzig gangbare Weg wäre, um das Leben von Menschen wirksam gegen einen ungerechten Angreifer zu verteidigen. Wenn aber unblutige Mittel hinreichen, um die Sicherheit der Personen gegen den Angreifer zu verteidigen und zu schützen, hat sich die Autorität an diese Mittel zu halten, denn sie entsprechen besser den konkreten Bedingungen des Gemeinwohls und sind der Menschenwürde angemessener. Infolge der Möglichkeiten, über die der Staat verfügt, um das Verbrechen wirksam zu unterdrücken und den Täter unschädlich zu machen, ohne ihm endgültig die Möglichkeit der Besserung zu nehmen, sind jedoch heute die Fälle, in denen die Beseitigung des Schuldigen absolut notwendig ist, ‚schon sehr selten oder praktisch überhaupt nicht mehr gegeben‘ (EV 56).“

Papst Franziskus nahm im Jahr 2018 eine massive Änderung an dieser Passage des Katechismus vor, die unter einfachen Gläubigen sowie unter Philosophen und Theologen auf Widerstand stieß, weil sie die Todesstrafe als grundsätzlich schlecht darzustellen scheint. Dies würde bedeuten, dass die Kirche in ihrer Lehre rund zwei Jahrtausende lang geirrt hätte.

Neuerdings heißt es also im Katechismus (KKK 2267): „Lange Zeit wurde der Rückgriff auf die Todesstrafe durch die rechtmäßige Autorität – nach einem ordentlichen Gerichtsverfahren – als eine angemessene Antwort auf die Schwere einiger Verbrechen und als ein annehmbares, wenn auch extremes Mittel zur Wahrung des Gemeinwohls angesehen. Heute gibt es ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass die Würde der Person auch dann nicht verloren geht, wenn jemand schwerste Verbrechen begangen hat. Hinzu kommt, dass sich ein neues Verständnis vom Sinn der Strafsanktionen durch den Staat verbreitet hat. Schließlich wurden wirksamere Haftsysteme entwickelt, welche die pflichtgemäße Verteidigung der Bürger garantieren, zugleich aber dem Täter nicht endgültig die Möglichkeit der Besserung nehmen. Deshalb lehrt die Kirche im Licht des Evangeliums, dass ‚die Todesstrafe unzulässig ist, weil sie gegen die Unantastbarkeit und Würde der Person verstößt‘, und setzt sich mit Entschiedenheit für deren Abschaffung in der ganzen Welt ein.“

Die einzige Quellenangabe für die neue Positionierung von Papst Franziskus ist eine Ansprache von Papst Franziskus, der sich also selbst zitiert und diesbezüglich im Katechismus schreibt, dass „die Kirche“ dies „im Licht des Evangeliums“ lehre.

Bis heute ist unter Theologen umstritten, wie die Neufassung dieses Abschnitts im Katechismus zu bewerten ist. Eine lehramtliche Klarstellung durch den Papst oder durch das Dikasterium für die Glaubenslehre steht aus.

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