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Bischof Bätzing: "Wir sind eng mit Rom und dem Heiligen Vater verbunden"

Bischof Georg Bätzing

Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing von Limburg, hat in einem Interview mit ACI Stampa, der italienischen Partneragentur von CNA Deutsch, der wachsenden Sorge um ein Schisma der Kirche in Deutschland – angesichts des umstrittenen "Synodalen Wegs" sowie des offenen Widerspruchs gegen Roms "Nein" zu Segnungen homosexueller Verbindungen und beim  Thema Interkommunion – widersprochen. Die Gefahr einer Abspaltung haben nicht nur Papst Franziskus sowie deutsche Bischöfe thematisiert, darunter Kardinal Rainer Maria Woelki von Köln, sondern auch eine wachsende Zahl ausländischer Bischöfe und Beobachter. Doch Bischof Bätzing beteuert, dass die Kirche in Deutschland Teil der universalen Kirche sei: "Das ist außer Frage".

CNA Deutsch dokumentiert die deutsche Fassung im vollen Wortlaut.

ACI Stampa: Der Synodale Weg begann Ende Januar 2020, um auf die Glaubwürdigkeitskrise der Kirche in Deutschland zu reagieren, nachdem im September 2018 eine Studie über die Missbrauchsfälle im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz von 1946 bis 2014 veröffentlicht wurde. Wie und mit welchen Instrumenten will der Synodale Weg der Kirche in Deutschland diese Glaubwürdigkeit zurückgeben? 

Bischof Bätzing: Mit der Vorstellung der Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“, die am 25. September 2018 veröffentlicht wurde, sind Fragen aufgeworfen worden, auf die wir Antworten finden müssen. Diese Fragen beinhalten auch einen vertieften Blick auf systemische Faktoren, die Missbrauch begünstigt haben. Deshalb hat die Deutsche Bischofskonferenz auf ihrer Frühjahrs-Vollversammlung 2019 in Lingen beschlossen, sich gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) auf einen „Synodalen Weg“ zu begeben. Der Synodale Weg ist formal im kirchenrechtlichen Sinne keine Synode sondern ein Format eigener Art (sui generis). Vor allem geht es um die Frage, wie wir heute von Gott sprechen und den Glauben vertiefen können. Der Glaube kann wachsen und tiefer werden, wenn wir frei werden von Angst und Blockierungen des Denkens, wenn wir uns den Fragen stellen und Wege suchen, wie Kirche heute für die Menschen da sein kann. Hierbei bestärkt uns Papst Franziskus mit seinem Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland vom 29. Juni 2019. Er schreibt: „Es handelt sich im Kern um einen synodos, einen gemeinsamen Weg unter der Führung des Heiligen Geistes. Das aber bedeutet, sich gemeinsam auf den Weg zu begeben mit der ganzen Kirche unter dem Licht des Heiligen Geistes, unter seiner Führung und seinem Aufrütteln, um das Hinhören zu lernen und den immer neuen Horizont zu erkennen, den er uns schenken möchte.“

ACI Stampa: Der Synodale Weg arbeitet in vier thematischen Foren: Macht und Gewaltenteilung, Zölibat, die Rolle der Frau, Sexualität. Welche konkreten Ziele sind Ihrer Meinung nach für jedes dieser vier Diskussionsforen erreichbar? Welche Ergebnisse können sie realistisch erzielen? 

Bischof Bätzing: Zum Synodalen Weg gehören die vier Synodalforen, die zwischen den Versammlungen tagen und in denen es darum geht, welche Konsequenzen unsere Rede von Gott heute hat: In der Frage der Machtverteilung in der Kirche, in der Frage nach Sexualität und Partnerschaft, beim Thema „Priesterlicher Dienst“ und in der Frauenfrage. Das sind Fragen, an denen Menschen heute messen, ob sie sich der Kirche zugehörig fühlen können oder nicht. Die Foren arbeiten, weshalb ich heute nicht sagen kann, zu welchen Empfehlungen und Ergebnissen es am Ende kommen wird. Wir haben gerade in der zurückliegenden Online-Konferenz aller Synodaler gespürt, wie wichtig die theologische Debatte in den Foren für die Beratungen in der Synodalversammlung ist, wo ja später die Abstimmungen stattfinden. Der Synodale Weg ist ein geistlicher Prozess unter den „Zeichen der Zeit“.

ACI Stampa: Die Präsidenten des Forums, das sich mit Sexualität befasst – “Leben in gelingenden Beziehungen” – Bischof Helmut Dieser und Birgit Mock, haben kürzlich mit einer Pressemitteilung auf die Antwort der Kongregation für die Glaubenslehre über den Segen homosexueller Paare reagiert. Warum ist dieses Thema auf dem Synodalen Weg und bei den deutschen Bischöfen so wichtig? Glauben Sie, dass eine Kompromisslösung erreicht werden kann? Welche Rolle stellen Sie sich für Homosexuelle in der Kirche vor? 

Bischof Bätzing: Die Frage des Segens für gleichgeschlechtliche Partnerschaften ist eines von vielen Themen in diesem Forum. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften und Partnerschaften von Menschen, die nicht kirchlich heiraten können und wollen, aber dennoch um den Segen der Kirche bitten, gehören zu unserer Gesellschaft und zur Kirche dazu. In Deutschland und in anderen Teilen der Weltkirche gibt es seit längerem Diskussionen, in welcher Weise die Lehre mit tragfähigen Argumenten weiterentwickelt werden kann – auf der Basis grundlegender Wahrheiten des Glaubens und der Moral, der fortschreitenden theologischen Reflexion und ebenso in Offenheit für neuere Ergebnisse der Humanwissenschaften und der Lebenssituationen heutiger Menschen. Auf Fragen dieser Art gibt es keine einfachen Antworten. Der Synodale Weg ist deshalb bestrebt, gerade das Thema gelingender Beziehungen in einer umfassenden Weise zu diskutieren, die auch die Notwendigkeit, die Möglichkeit und die Grenzen kirchlicher Lehrentwicklung bedenkt. Die von der Glaubenskongregation vorgebrachten Gesichtspunkte werden selbstverständlich in diese Gespräche Eingang finden. 

ACI Stampa: Katholische Frauenverbände fordern mehr Platz in der Kirche. Welche Wege kann der Synodale Weg in diesem Sinne eröffnen? Denken Sie, die Zeit ist reif, Diakoninnen oder Priesterinnen zu haben? 

Bischof Bätzing: Der Synodale Weg fragt, welche Rolle Frauen in der Kirche haben können und sollen. Es geht um die Förderung von Charismen und Berufungen. Zur Frage der Geschlechtergerechtigkeit gehört auch die Frage nach Frauen in Leitungspositionen. Ich bin sehr froh, dass wir etwa die Zahl von Frauen in Leitungspositionen in deutschen Ordinariaten signifikant erhöhen konnten. Mir liegt daran, die Argumente der Kirche, warum das sakramentale Amt nur Männern zukommen kann, redlich zu nennen. Ich nehme genauso wahr, dass diese Argumente immer weniger überzeugen und dass es in der Theologie gut herausgearbeitete Argumente gibt, die dafürsprechen, dass das sakramentale Amt auch für Frauen zu öffnen wäre. Deswegen nenne ich oft das Diakonat der Frau, weil ich da einen Spielraum sehe. Für das Amt des Priesters haben die Päpste seit Johannes Paul II. unisono gesagt, die Frage sei beantwortet.

ACI Stampa: Ein Thema, das in Italien wenig bekannt, in Deutschland aber sehr „gefühlt“ ist, ist das der Interkommunion. Die Kongregation für die Glaubenslehre hat in einem an Sie im September 2020 gerichteten Brief unterstrichen, dass die Unterschiede zwischen Katholiken und Protestanten zum Thema "Eucharistie" zu ausgeprägt sind, um eine interkonfessionelle Verwirklichung dieses Sakraments zu ermöglichen. Ist Interkommunion ein geschlossener Diskurs oder suchen die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland noch nach einer gemeinsamen Lösung? In welche Richtung kann diese gehen? 

Bischof Bätzing: Es geht in der aktuellen Debatte nicht um Interkommunion im Sinne einer generellen wechselseitigen Einladung bzw. Teilnahme an Eucharistie und Abendmahl, sondern um die Frage, wie wir mit der persönlichen Gewissensentscheidung einzelner katholischer oder evangelischer Christen umgehen. Für mich gilt, dass ich eine solche Entscheidung respektiere und die Kommunion nicht verweigere, wenn jemand hinzutritt, der glaubt, was wir Katholiken glauben und den Herrn empfangen möchte. Es geht aber gerade nicht darum, allgemein alle nicht-katholische Christinnen und Christen zur Kommunion einzuladen. Eine solche Ein- oder Ausladung sieht das Messbuch auch nicht vor. Im Übrigen kennt das katholische Kirchenrecht die Möglichkeit, dass Nicht-Katholiken unter bestimmten Voraussetzungen die heilige Kommunion empfangen können. Zweifellos müssen wir den theologischen Dialog über die Bedeutung von Eucharistie und Abendmahl fortsetzen. Hier gibt es erfreulicherweise bereits deutliche Annäherungen in den vergangenen Jahren.

ACI Stampa: Ich glaube, wenn man in Italien die Ereignisse der Kirche in Deutschland von außen betrachtet, fragt man sich, ob und inwieweit der Synodale Weg wirklich in der Lage ist, konkrete und autonome Entscheidungen zu treffen. Was meinen Sie? 

Bischof Bätzing: Es ist völlig klar, dass es Fragen gibt, die wir nur auf weltkirchlicher Ebene erörtern können. Wir werden aber aus Deutschland Voten einbringen. Ich trete aber dem immer wieder gehörten Vorwurf entgegen, dass wir schismatisch seien oder uns als deutsche Nationalkirche von Rom loslösen wollten. Wir sind eng mit Rom und dem Heiligen Vater verbunden. Die Verbindlichkeit der Erkenntnisse eines solchen Synodalen Weges verantworten alle diejenigen, die offiziell an ihm beteiligt sind. Eine verbindliche Umsetzung kommt je nach Thema dem Apostolischen Stuhl und/oder dem Ortsbischof zu. Ich betone noch einmal: Die Kirche in Deutschland ist fester Bestandteil der Weltkirche. Das ist gar keine Frage und zeigt sich in ganz vielen Bereichen. Und das wird auch so bleiben. Aus diesem Grund werden wir nach dem Prinzip der Subsidiarität vorgehen und im Synodalen Weg prüfen, welche Schritte wir als Ortskirche frei regeln und entscheiden können. Und dies werden wir unterscheiden von dem, was nur in Verbindung mit der Weltkirche geht. 

ACI Stampa: Bitte vervollständigen Sie diesen Satz: Ich werde den Synodalen Weg als Fehlschlag betrachten, wenn… 

Bischof Bätzing: … es soweit sein sollte. Das glaube ich aber nicht, denn ich bin überzeugt, dass der Synodale Weg zu Beschlüssen führen wird, die dazu beitragen, dass der Glaube für die Menschen wieder zu einer Option wird, und die frohe Botschaft des Evangeliums im Leben der Menschen Bedeutung und Strahlkraft gewinnt. Wir dürfen nicht nachlassen, heute Wege zu suchen, das Evangelium glaubwürdig zu verkündigen. Daher bleibe ich zuversichtlich.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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ACI Stampa: Glauben Sie, dass der Synodale Weg zum Vorbild der Kirche der Zukunft werden kann, das heißt einer Kirche, in der alle ihre Auffassungen miteinander kommunizieren und sich bei Problemen gegenseitig konfrontieren? Oder ist und bleibt es ein vorübergehendes Instrument? 

Bischof Bätzing: Papst Franziskus hat die Ortskirchen aufgefordert, der Synodalität nachzuspüren – und zwar bei seiner historischen Rede 2015 anlässlich des 50. Jahrestages der Errichtung der Bischofssynode. Seitdem ist der Begriff Synodalität ja zu einem Markenzeichen seines Pontifikats geworden. Längst vor der Kirche in Deutschland hat Australien einen solchen Weg begonnen, dann sind andere Bischofskonferenzen hinzugekommen, ich denke an Irland, an die CELAM und auch wir. Die Italienische Bischofskonferenz überlegt derzeit, wie sie einen solchen Weg gehen kann. Sie sehen: Das ist kein „deutsches“ Phänomen sondern eine spannende und wichtige Entwicklung der Ortskirchen - je in ihrer Eigenart - in der weltkirchlichen Gemeinschaft. Ob der Synodale Weg nur eine Phase ist oder eine dauerhafte Lebensform der Kirche werden kann, das wird uns der Geist Gottes weisen – ihm haben wir uns auf diesem Weg anvertraut.

Letztes Update am 7. Mai 2021 um 14:06 Uhr mit der Originalfassung in deutscher Sprache, wie sie die deutsche Bischofskonferenz zur Verfügung gestellt hat. 

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