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Papst Franziskus: "Hoffe, dass Kardinal Becciu unschuldig ist"

Papst Franziskus im Interview mit Carlos Herrera vom spanischen Radiosender COPE

Mit einem vermeintlichen Angela-Merkel-Zitat sowie Überlegungen zu vielen Krisenherden in Kirche und Politik, vom umstrittenen "Synodalen Weg" in Deutschland bis zum Korruptionsskandal im Vatikan, seinem Vorgehen gegen die traditionelle lateinische Messe und der Lage in China hat sich Papst Franziskus in einem neuen Interview zu Wort gemeldet.  

Auch über seine überstandene Operation und ein neues Konklave äußerte sich der Pontifex in dem 90 Minuten langen, am Mittwoch ausgestrahlten Gespräch mit dem spanischen Radiosender COPE – neben Fragen über Afghanistan, Euthanasie und Abtreibung.

Vorgehen gegen traditionelle lateinische Messe

Papst Franziskus bezeichnet in dem Inteview die Veröffentlichung von Summorum Pontificum, dem apostolischen Schreiben aus dem Jahr 2007, das die Beschränkungen für die Feier der Messe nach dem Messbuch von 1962 aufhob, als "eines der schönsten und menschlichsten pastoralen Dinge, die Benedikt XVI. getan hat, der ein Mann von erlesener Menschlichkeit ist."

Die Tatsache, dass er jedoch dieses Schreiben im Juli mit einem Dekret massiv eingeschränkt hat, begründet der Papst mit einer Umfrage der Glaubenskongregation unter Bischöfen der Weltkirche im Jahr 2020. Die Ergebnisse der Umfrage, sowie die eigentliche Rate der Beteiligung, wurden bislang nicht veröffentlicht, wie Kritiker von "Traditionis Custodes" bemängelt haben.

Im Interview sagt der Papst, er habe aus dieser  Umfrage die Sorge herausgelesen, aus der pastoralen Geste seines Vorgängers sei eine "Ideologie" entstanden. Daher wolle er mit seinem Dekret "denjenigen seelsorgerisch helfen, die eine frühere Erfahrung gemacht haben", die sich in Ideologie verwandle. 

"Also mussten wir mit klaren Regeln reagieren. Klare Regeln, die denen, die diese Erfahrung nicht gemacht hatten, eine Grenze setzen. Denn es schien mancherorts in Mode zu sein, dass junge Priester sagten 'oh nein, ich will...' und vielleicht können sie kein Latein, sie wissen nicht, was das bedeutet".

Andererseits habe er Summorum Pontificum "unterstützen und konsolidieren" wollen, so der Pontifex. Im Interview mit COPE sagt der Papst wörtlich: "Ich habe mehr oder weniger den Entwurf gemacht, ich habe ihn studieren lassen und ich habe gearbeitet, und ich habe viel gearbeitet, mit traditionalistischen Leuten guter Absicht. Und das Ergebnis war diese Seelsorge, die gemacht werden muss, mit einigen guten Grenzen."

"Zum Beispiel, dass die Verkündigung des Wortes in einer Sprache sein muss, die jeder versteht, sonst wäre es so, als würde man über das Wort Gottes lachen. Kleinigkeiten. Aber ja, die Grenze ist sehr klar."

Er fasst die Intention seines Motu Proprio, wie folgt zusammen: "Wenn Sie den Brief gut lesen und das Dekret gut lesen, werden Sie sehen, dass es sich einfach um eine konstruktive Neuordnung handelt, mit pastoraler Fürsorge und der Vermeidung eines Exzesses derer, die es nicht sind."

Korruption und der Fall Becciu 

Papst Franziskus spricht auch die Korruptionskrise und Finanzskandale im Vatikan an. Er hoffe, dass Kardinal Angelo Becciu unschuldig an den gegen ihn erhobenen Vorwürfen sei, so der Pontifex.

"Ich hoffe von ganzem Herzen, dass er unschuldig ist. Außerdem war er ein Mitarbeiter von mir und hat mir sehr geholfen. Er ist ein Mensch, den ich als Person sehr schätze. Ich wünsche ihm, dass er sich gut entwickelt ... In jedem Fall wird die Justiz entscheiden".

Becciu ist einer von 10 Angeklagten im größten FInanz-Prozess des Vatikans der Gegenwart, nachdem der Papst die Regeln geändert hat, um Kardinäle auch von Laienrichtern verurteilen lassen zu können. Becciu wird Veruntreuung und Amtsmissbrauch vorgeworfen. Der Sardinier bestreitet vehement jedes juristische Fehlverhalten.

"Ich habe keine Angst vor Transparenz oder der Wahrheit. Manchmal tut es weh, und zwar sehr, aber die Wahrheit ist das, was uns frei macht", sagt der Papst auf die Frage nach Korruption im Vatikan.

"Hoffen wir, dass diese Schritte, die wir in der vatikanischen Justiz unternehmen, dazu beitragen, dass diese Vorfälle immer seltener vorkommen... Ja, Sie haben das Wort Korruption benutzt, und in diesem Fall scheint es offensichtlich, zumindest auf den ersten Blick, dass es Korruption gibt", räumt er ein.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Sexueller Missbrauch und Kinderpornographie

Der Papst sprach auch die Skandale um sexuellen Missbrauch und dessen Vertuschung in der Kirche an und lobt Kardinal Seán O'Malley aus Boston für seine Arbeit bei der Gründung der Päpstlichen Kommission für den Schutz Minderjähriger.

"Ich möchte einem Mann meine Anerkennung zollen, der mit Mut darüber zu sprechen begann, obwohl er der Organisation ein Dorn im Auge war, lange bevor die Organisation zu diesem Thema gegründet wurde, und das ist Kardinal O'Malley. Es fiel ihm zu, die Angelegenheit in Boston zu regeln, und das war nicht einfach."

Franziskus wechselte jedoch auch das Thema auf eine andere Frage: Warum weltliche Regierungen aus seiner Sicht nicht größere Anstrengungen unternähmen, Kinderpornographie zu beseitigen.

"Einen Jungen zu missbrauchen, um einen Akt der Kinderpornographie zu filmen, ist dämonisch. Es kann nicht ohne die Anwesenheit des Teufels erklärt werden", sagte der Papst.

"Ich frage mich manchmal, wie gewisse Regierungen die Produktion von Kinderpornographie zulassen. Sie sollen nicht sagen, sie wüssten es nicht. Heutzutage, mit den Geheimdiensten, ist alles bekannt", behauptet der Papst.

"Eine Regierung weiß, wer in ihrem Land Kinderpornographie produziert. Für mich ist das eines der ungeheuerlichsten Dinge, die ich je gesehen habe", so Franziskus weiter.

Rückzug aus Afghanistan

Auf die Frage nach dem Rückzug der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten, darunter Deutschland, aus Afghanistan sagt der Papst, dass seines Erachtens "nicht alle Eventualitäten berücksichtigt" worden seien.

Papst Franziskus betont, ihn habe sehr berührt, was die geschätzte deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am 20. August in Moskau zu diesem Thema gesagt habe.

Nach Angaben der Associated Press war es jedoch nicht Merkel, sondern der russische Präsident Wladimir Putin, der sagte, was der Papst zitiert.

"Es ist notwendig, die unverantwortliche Politik zu stoppen, anderen ihre eigenen Werte aufzuzwingen und zu versuchen, in anderen Ländern Demokratie nach fremden Modellen aufzubauen, ohne historische, ethnische und religiöse Fragen zu berücksichtigen und die Traditionen anderer Völker völlig zu ignorieren", sagte Franziskus, und fügte hinzu: "Das ist prägnant und schlüssig. Ich denke, das sagt viel aus; und jeder kann es interpretieren, wie er will. Aber ich habe eine Weisheit gespürt, als ich diese Frau dies sagen hörte."

Der Papst sagt auch, dass das vatikanische Staatssekretariat bei der Situation in Afghanistan helfe - oder zumindest diplomatische Hilfe anbieten wolle. Außerdem lobt er Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin: Dieser sehr "wirklich der beste Diplomat, den ich je getroffen habe", so der Papst wörtlich.

Der umstrittene Deal mit China

In Bezug auf das von ihm und Parolin verantwortete "vorläufige" Abkommen mit dem Regime in China, das erstmals 2018 unterzeichnet und 2020 erneuert wurde, sagt der Papst: "China ist nicht einfach, aber ich bin überzeugt, dass wir den Dialog nicht aufgeben sollten. Man kann im Dialog getäuscht werden, man kann Fehler machen, all das... aber es ist der Weg. Verschlossenheit ist niemals der Weg."

Weiter führt Franziskus aus: "Was bisher in China erreicht wurde, war zumindest Dialog ... einige konkrete Dinge wie die Ernennung neuer Bischöfe, [laufen] langsam ... Aber das sind auch Schritte, die fragwürdig sein können und die Ergebnisse auf der einen oder anderen Seite", gibt er zu.

Der Papst fügt hinzu, dass Kardinal Agostino Casaroli, der vatikanische Staatssekretär in den ersten 10 Jahren des Pontifikats von Johannes Paul II. ihm ein Vorbild für die vatikanische Diplomatie war.

Ihm gehe es um Dialog, so der Papst. "Heute müssen wir in den konfliktreichsten Situationen irgendwie Schritt für Schritt diesen Weg des Dialogs gehen. Meine Erfahrung im Dialog mit dem Islam, zum Beispiel mit dem Großimam Al-Tayyeb, war dabei sehr positiv, und ich bin ihm sehr dankbar", sagte er und bezog sich dabei auf den Großimam von al-Azhar in Ägypten, mit dem der Papst 2019 seine "Erklärung zur menschlichen Brüderlichkeit" unterzeichnete.

Euthanasie und Abtreibung

In dem Interview verteidigt der Papst auch nachdrücklich den Widerstand der Kirche gegen Euthanasie und Abtreibung.

"Wir leben in einer Wegwerfkultur. Was nutzlos ist, wird weggeworfen. Alte Menschen sind Wegwerfmaterial: Sie sind ein Ärgernis. Nicht alle, aber im kollektiven Unbewussten der Wegwerfkultur sind die Alten betroffen, auch die unheilbar Kranken; auch die ungewollten Kinder; und sie werden zurück zum Absender geschickt, bevor sie geboren sind", so der Papst.

"In Bezug auf den Fall der Abtreibung sage ich Folgendes: Jedes Embryologie-Handbuch, das einem Studenten in der medizinischen Fakultät gegeben wird, sagt, dass in der dritten Woche der Empfängnis, manchmal bevor die Mutter merkt [dass sie schwanger ist], alle Organe im Embryo bereits angelegt sind, samt des gesamten Erbguts. Es ist ein Menschenleben. Ein menschliches Leben. Manche sagen: 'Es ist keine Person.' Es ist aber ein menschliches Leben."

Der Papst stellte dann eine Frage: "Ist es erlaubt, ein menschliches Leben zu eliminieren, um ein Problem zu lösen, ist es gerecht, ein menschliches Leben zu eliminieren, um ein Problem zu lösen?"

"Höfliche Teufel"

Angesprochen auf den Teufel, ein Thema, das der Papst seit seiner Wahl im Jahr 2013 oft angesprochen hat – auch wenn ihn deutsche Medien dabei oft nicht zitieren – hebt Franziskus die Gefahr dessen hervor, was er die "höflichen Teufel" nennt.

"Der Teufel läuft überall herum, aber am meisten Angst habe ich vor den höflichen Teufeln. Diejenigen, die an Ihrer Tür klingeln, die Sie um Erlaubnis bitten, die Ihr Haus betreten, die sich als Freunde ausgeben", sagte Franziskus.

"Jesus soll nie darüber gesprochen haben? Oh doch, das hat er", betont der Papst. "Deshalb sage ich, dass die Schlimmsten die höflichen Teufel sind, diejenigen, die an der Tür klingeln. Die Naivität mancher Menschen lässt ihn herein und das Ende dieses Menschen ist schlimmer als der Anfang, sagt der Herr. Ich fürchte mich vor den höflichen Teufeln. Sie sind die schlimmsten, und man wird sehr getäuscht."

Die Zeit im Krankenhaus

Papst Franziskus sagt, dass sich sein Leben wieder normalisiert hat, seit er sich am 4. Juli einer Darmoperation unterzog, die ihn für 11 Tage ins Krankenhaus brachte.

"Es ist das zweite Mal in meinem Leben, dass ein Pfleger oder eine Krankenschwester mein Leben gerettet haben", so der Papst.

Italienische Medien identifizierten den Krankenpfleger als Massimiliano Strappetti, der seit 2002 im Vatikan arbeitet, nachdem er acht Jahre lang auf der Intensivstation des Gemelli-Hospitals in Rom tätig war. Dieser haben ihm den rechten Rat zur Operation gegeben.

"Jetzt kann ich wieder alles essen, was vorher mit den Divertikeln nicht möglich war. Ich kann alles essen. Ich nehme immer noch die post-operativen Medikamente, weil das Gehirn registrieren muss, dass es 33 Zentimeter weniger Darm zur Verfügung hat", so Franziskus.

Der Papst spricht auch über die jüngsten Gerüchte über seinen Rücktritt an und sagte, dass er keine Ahnung von den Spekulationen hatte, bis ihn jemand darauf ansprach.

"Ich lese nur eine Zeitung hier am Morgen, die Zeitung von Rom ... Ich lese sie schnell und das war's ... Und ich erhalte den Bericht über einige der Nachrichten des Tages, aber ich habe viel später herausgefunden, ein paar Tage später, dass es etwas über meinen Rücktritt gab", sagte er.

"Wann immer ein Papst krank ist, gibt es immer einen Windhauch oder einen Orkan von Konklave."

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