Kardinal Becciu vor Gericht im Vatikan: Vorwurf der Veruntreuung und des Amtsmissbrauchs

Der damalige Erzbischof Angelo Becciu in einer Aufname aus dem Jahr 2015.
Daniel Ibáñez / CNA Deutsch

Kardinal Angelo Becciu soll sich vor Gericht in einem Verfahren wegen Veruntreuung und Amtsmissbrauch verantworten. Das hat der Vatikan am 3. Juli mitgeteilt. Wann das Verfahren beginnt, ist noch unklar.

Zwei Jahre haben die Behörden ermittelt, nun soll auch ein strafrechtliches Verfahren beginnen: Der Vatikan hat am heutigen Samstag  ebenfalls angekündigt, Anklage gegen 9 Personen und Einrichtungen zu erheben. Die Vorwürfe beziehen sich auf den Kauf eines Anwesens im berühmten Londoner Stadtteil Chelsea durch das Staatssekretariat.

Den Beschuldigten wird Erpressung, Veruntreuung, Betrug, Geldwäsche und Amtsmissbrauch vorgeworfen, sowie das Unterschlagen von Informationen. Die erste Anhörung findet am 27. Juli statt.

Die heute veröffentlichte Meldung der Vorladung betrifft kirchliche und weltliche Mitarbeiter des Staatssekretariats und leitende Persönlichkeiten der damaligen Finanzaufsichtsbehörde sowie Personen, die in der internationalen Finanzwelt tätig sind, so der Vatikan:

  • Der Schweizer Laie und ehemalige Chef der Finanzaufsicht des VatikansRené Brülhart, dem die Staatsanwaltschaft das Verbrechen des Amtsmissbrauchs vorwirft;
  • Monsignore Mauro Monsignore Carlino, ein suspendierter Mitarbeiter des Staatssekretariates, der der Erpressung und des Amtsmissbrauchs beschuldigt wird;
  • der langjährige Finanzberater des Vatikans, Enrico Crasso, angeklagt wegen Veruntreuung, Korruption, Erpressung, Geldwäsche, Betrug, Amtsmissbrauch, Fälschung einer öffentlichen Urkunde durch eine Privatperson und Fälschung eines privaten Vertrags;
  • der René Brülhart nachgefolgte AIF-Direktor Tommaso Di Ruzza, der der Veruntreuung, des Amtsmissbrauchs und der Verletzung des Amtsgeheimnisses beschuldigt wird;
  • die wegen des Kaufs von Luxushandtaschen bekannt gewordene Cecilia Marogna, die der Veruntreuung beschuldigt wird;
  • der ehemalige Investment Manager des Vatikans, Raffaele Mincione, dem unter anderem Veruntreuung, Betrug, Amtsmissbrauch und Unterschlagung vorgeworfen werden;
  • Nicola Squillace, wegen des Verdachts auf Betrug, der Veruntreuung, der Geldwäsche;
  • Fabrizio Tirabassi, angeklagt wegen Bestechung, Erpressung, Unterschlagung, Betrug und Amtsmissbrauch;
  • der in London ansässige Gianluigi Torzi, dem Erpressung, Unterschlagung, Betrug, Veruntreuung und Geldwäsche vorgeworfen wird; und den Kardinal Becciu angeblich "gar nicht kennt", auch wenn Torzi zur Privataudienz bei Papst Franziskus gewesen sein soll als der Londoner Deal in seiner entscheidenden Phase war. 

Die ebenfalls als Beschuldigte genannten Unternehmen "HP Finance LLC", "Sogenel Capital Investment" sowie das "Prestige Family Office" gehören alle zum "Geschäftsmann" Enrico Crasso, der auch den "Centurion Global Fund" managt, in den der Vatikan investiert hat.

Das Unternehmen "Logsic Humanitarne Dejavnosti, D.O.O." dagegen steht in Verbindung zu Cecilia Marogna.

Gegen den 73 Jahre alten Kardinal Becciu wird laut Vatikan wegen Veruntreuung und des Amtsmissbrauchs – sowie der Anstiftung dazu – ermittelt. Dieser hat wiederholt seine Unschuld beteuert.

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Becciu war in den Jahren 2014 bis 2018 der Sostituto des Staatssekretariates des Vatikans – in dem Zeitraum, in dem die Investition über mehrere hundert Millionen Euro in Londons Innenstadt organisiert wurde. CNA Deutsch hat über die Hintergründe ausführlich berichtet.

In einer Erklärung, die durch seine Anwälte am 3. Juli abgegeben wurde, sagte Becciu, er sei unschuldig und Opfer feindlicher Intrigen und des Spottes der Medien.

Der Prozess wird "der Moment der Klärung sein", sagte er und fügte hinzu, dass er glaubt, dass das Gericht "die absolute Falschheit der Anschuldigungen gegen mich und die dunklen Intrigen, die sie offensichtlich unterstützt und genährt haben, aufdecken wird.

 

Hintergrund: Luxus-Immobilie in London


Im Mittelpunkt der Ermittlungen der vatikanischen Behörden ist ein Immobilien-Geschäft  in London. CNA Deutsch hat bereits im November 2020 berichtet, dass diese zwielichtige Investition durch ein kurzfristiges Darlehen in Höhe von offenbar mindestens 200 Millionen Dollar finanziert wurde. Eine Summe, die über Schweizer Banken arrangiert worden war, zusammen mit einer Investition von fast 50 Millionen Dollar im Jahr 2018 in dieselbe Immobilie an der Sloane Avenue in London, wodurch der Vatikan der alleinige Eigentümer wurde.

Gianluigi Torzi soll nach Recherchen von CNA etwa 10 Millionen Euro an dem Deal verdient haben, bei dem ein weiterer "Geschäftsmann", Raffaele Mincione, dem Staatssekretariat zu einem überhöhten Preis seine Anteile an einer Londoner Luxus-Immobilie verkaufte - während er gleichzeitig für das Staatssekretariat Anlagen in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro managte. 

Anstatt jedoch das Gebäude vollständig von einer Minciones Holdinggesellschaft zu kaufen, übernahm das Staatssekretariat des Vatikans im Jahr 2018 die Firma selbst – und gründete eine neue Londoner Firma für das Investment.

Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin – der Verantwortliche des Staatsekretariates – hat diese Vorgänge in seiner Behörde im Oktober 2019 als "unklar" bezeichnet und angekündigt, das Investment weiter zu prüfen, dass sein ehemaliger Stellvertreter, Kardinal Giovanni Angelo Becciu, arrangierte – bevor Papst Franziskus Becciu zum Präfekten der Kongregation für die Heiligsprechungsverfahren beförderte.

Im November 2019 sprach Papst Franziskus öffentlich über die brodelnden Skandale und Korruptionsvorwürfe. Ja, es sei "nicht gut" was da in der Kurie passiere, sagte der Papst gegenüber Journalisten bei einer "fliegenden Pressekonferenz" am 26. November. Ja, es gebe Korruption im Vatikan. Gleichzeitig betonte Franziskus, dass es mit Reformen doch vorwärts gehe, und differenziert werden müsse zwischen soliden Anlagen und eventueller Korruption.

Einkommen aus dem Peterspfennig zu investieren sei eine akzeptable Form des Finanzmanagements, wenn es sich um solide Investitionen handle. Ob die Investition in den Bau einer Luxus-Immobilie in London auch korrupt war, das sei noch nicht geklärt, so der Pontifex weiter.

Wenig später dann das, was deutsche Journalisten gerne einen "Paukenschlag" nennen: Im September 2020 nahm der Papst den Rücktritt Beccius von seinem damaligen Amt als Präfekt der Kongregation für die Heiligsprechungsverfahren an. Becciu verzichtete auch auf seine "Rechte" als Kardinal. Dieser Verzicht und der Rücktritt waren alles andere als freiwillig, wie Becciu selbst konsterniert durchblicken ließ.

Nun sieht es so aus, als würde er endlich Gelegenheit bekommen, vor Gericht seine mehrfach beteuerte Unschuld zu beweisen. 

Letztes Update am 3. Juli 2021 um 16:47 Uhr 

https://twitter.com/cnadeutsch/status/1110081719661723653?s=20 

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