Der französische Philosoph Blaise Pascal (1623-1662) dachte viel darüber nach, wie man seine zweifelnden Zeitgenossen zum Glauben an Gott bewegen könne. Seine berühmte "Wette" geht vom Gedanken aus, dass auf den Glauben zu setzen in jedem Fall eine clevere Option ist. Für Pascal handelt es sich dabei um eine Art Lottospiel mit Gewinngarantie. Man kann einfach nicht verlieren, auch wenn man nur aus spieltaktischen Gründen auf Gott setzt: "Wir wollen Gewinn und Verlust abwägen, setze du aufs Glauben, - wenn du gewinnst, gewinnst du alles, wenn du verlierst, verlierst du nichts." Sollte es Gott geben, kommt man in den Himmel; sollte es ihn nicht geben, hat man wenigstens ein anständiges Leben im Licht einer Illusion geführt. Pascal in Ehren – aber ich stelle mir den Lieben Gott etwas ratlos vor, wenn er einem Gambler den Himmel verleihen soll, weil er beim Roulette der Ewigkeit klug gepokert hat.

Auch der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz ist in einer gewissen Hinsicht eine Art "Gambler" – und zwar in der Art, wie er mit den synodalen Forderungen umgeht: Frauenpriestertum, neue Sexualmoral, Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, Interkommunion, um nur die wichtigsten Punkte zu nennen. Obwohl der Papst sich mittlerweile in fast allen Punkten hinreichend deutlich erklärt hat, setzt Bätzing weiter auf 100 rot. Kommt er mit Frauenfunktionärinnen zusammen, ermuntert er sie zum Widerstand gegen die "Männerkirche", spricht er mit "Publik Forum", will er die synodalen Gewissheiten und Forderungen mit Aplomb nach Rom tragen. Und weil der liebe Papst Franziskus sich mittlerweile als unsicherer Kantonist kirchlicher Umsturzpläne, ja in dieser Hinsicht als wahrer Rohrkrepierer erwiesen hat – soll es mal gleich eine neue Weltsynode sein, die den alten Herrschaften im Vatikan beibiegt, was die Stunde geschlagen hat. 

Was verspricht sich ein Mann, der mit so hohem Risiko spielt? Wer nur ein bisschen mit Rom und der Weltkirche vertraut ist, ahnt, dass der erhoffte Höhenflug mit einer Bauchlandung enden wird. Die Ortskirchen Afrikas reagieren äußerst sensibel auf alle Versuche säkularisierter Westkirchen, ihnen – nach allen kolonialen Wohltaten – nun auch noch das Licht der Aufklärung zu bringen, als seien diese theologisch noch immer etwas unterbelichtet. Black faith matters! Und auf den Philippinen war ich einmal unfreiwilliger Zeuge, wie ein Jugendbischof bei einer tausendköpfigen Schar von Jugendlichen in seiner Homilie einen motivatorischen Volltreffer landete, als er sagte: "Wart Ihr schon einmal in Deutschland? Da geht kein Jugendlicher mehr in die Kirche. Wenn doch, ist es garantiert ein Filipino!" Die weltkirchliche Bereitschaft, von einer 0,2%-Kirche zu lernen, die es nicht einmal schafft, ihre eigenen Leute zum Gottesdienst zu versammeln, ist gleich Null. Sollte Bätzing das nicht wissen? 

Klar weiß er es, aber er macht einen auf Pascal: "Wir wollen Gewinn und Verlust abwägen, setze du (mein lieber Bätzing) aufs Glauben, - wenn du gewinnst, gewinnst du alles, wenn du verlierst, verlierst du nichts." Wo Bätzing steht und geht, verbreitet er den Glauben daran, dass eines schönen Tags die deutschkirchlichen Forderungen im Katechismus der Universalkirche niedergelegt sein werden. Das ist fast schon credo, quia absurdum. Jeder nur einigermaßen mit Realismus gesegnete Beobachter weiß: Es wird so nicht kommen. Bätzing wird die Wette verlieren. Aber da ist ja noch dieses "Wenn du verlierst, verlierst du nichts". Sagt sich der Limburger Bischof vielleicht: "Wenn sie mir auch kein Denkmal setzen mit der Aufschrift ´Dieser Mann war er ein Vorkämpfer von Menschen- und Frauenrechten und ein wackerer Prophet´, so werde ich doch als aufrechter Tragöde in die deutschkirchlichen Geschichtsbücher eingehen"? 

Das Spiel, das Bätzing spielt, ereignet sich noch immer nach der tragikomischen Spielweise, wie sie sich in den letzten fünfzig Jahren - also seit "Humanae vitae" - eingespielt hat. Stets war man in Deutschland etwas klüger als im Rest der Welt. Und immer waren es verstockte, vernagelte Päpste, die im letzten Augenblick den Aufgang der Sonne über der Universalkirche verhinderten. Da hatten sich also katholische Gremien auf etwas verständigt, angesichts dessen dem Bischof schwindelig wurde. Da die Sache aber eine beschlossene war, fiel dem Bischof nach durchbeteter Nacht nichts Besseres ein, als der ganzen Geschichte einfach zuzustimmen, "vorbehaltlich natürlich der Zustimmung Roms". Jeweils mit Butterbrot und guten Wünschen der Reformer versehen ("Hauen Sie mal ordentlich auf den Tisch! Wir zählen auf Sie!"), brachen die Bischöfe nach Rom auf, um dort leise, stotternd und in schlechtem Italienisch an entsprechender Stelle räuspernd anzumerken, in Deutschland gäbe es doch starke Kräfte, denen daran gelegen wäre, dass man bei Gelegenheit doch, nun ja, man wisse schon, das Thema ... und so fort. 

Entweder gingen dann die vatikanischen Augenlider nach unten oder die vatikanischen Augenbrauen nach oben, was ungefähr das Gleiche bedeutete. Die Deutschen wieder! War da nicht jüngst die Sache mit diesem Luther? Jedenfalls konnte der Bischof erhobenen Hauptes in die Heimat zurückreisen, hinter verschlossen Türen toben und vor der Presse beredt schweigen, worauf diese über die Abgründe finsterer Pontifikate mutmaßte. Das war bei Paul VI. so, das war bei Johannes Paul II. so, das war bei Benedikt XVI. so. Bei Franziskus aber sollte das nicht so sein, war aber am Ende doch wieder so.

Im Grunde spielt Bätzing nur das altbekannte Spiel weiter, freilich mit erhöhtem Einsatz. Er setzt nämlich - indem er seine eigene Haut rettet - das Wohl der Kirche aufs Spiel; er spielt mit ihr Vabanque. Und das ist nicht mehr lustig. Wer viel verspricht und am Ende nichts halten kann, befördert den Exodus der Enttäuschten aus der Kirche. Der Oberbischof macht vor, wie Sekte geht. Statt unverbrüchlich mit der universalen Kirche, dem Lehr- und Petrusamt zu gehen und über den lokalen Parteien zu stehen - so steht es seit alters her einem Bischof an -, schlägt er sich auf die Seite einer hochfahrenden aufgeklärten Elite, die es besser weiß als die Catholica im Fadenkreuz der Zeitalter und Kulturen. Mit dem Scheitern der Reformavantgarde sinkt auch sein Stern. Täglich gehen die Dinge mehr in Scherben. "Jedes Reich, das in sich gespalten ist, wird veröden und eine Stadt und eine Familie, die in sich gespalten ist, wird keinen Bestand haben." (Mt 12,25) Die Leute verlieren jegliches Vertrauen und gehen in Massen von der Fahne. Sie brauchen diese Kirche nicht und auch die andere nicht; sie brauchen bald gar keine Kirche und auch keinen Gott mehr. 

Was für ein Sieg! Was für eine Farce! 

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