Wir müssen Eckart von Hirschhausen dankbar sein und dem Applaus, den er auf dem Katholikentag in Münster in einer Debatte mit Kardinal Woelki bekommen hat.

Da hatte der evangelische Arzt und Kabarettist, der mit einer katholischen Ehefrau verheiratet ist, dem Kölner Erzbischof gesagt: "Wenn Sie die Hälfte meiner Kirchensteuer für den katholischen Bereich abzwacken, geben Sie mir entweder eine Oblate dafür, oder Sie geben mir mein Geld zurück!" Als evangelischer Christ werde er deshalb natürlich weiterhin einfach mit seiner Gattin zur Kommunion gehen.

Kardinal Woelki entgegnete, er habe hohen Respekt vor solchen Ehen und wisse um deren Herausforderung und Belastung. Doch als Katholik würde er "niemals von einer Oblate sprechen. Die Verwendung dieses Begriffs zeigt, dass wir beide schon einmal etwas ganz anderes darunter verstehen." Denn die Eucharistie sei für Katholiken das Allerheiligste, da sie dort Christus selber begegnen. Es sei der "Leib des Herrn".

Stimmt. Als "vrône lîcham" oder "Fronleichnam" wird er in Deutschland deshalb schon seit dem Mittelalter bezeichnet.

Doch Herr von Hirschhausen bekam donnernden – und wohl konfessionsverbundenen – Applaus, und nicht der Herr Kardinal. Das lässt allerdings sehr daran zweifeln, dass die Eucharistie für Katholiken, die ja im Auditorium zahlreich anwesend waren, wirklich noch der "Leib des Herrn" und das Allerheiligste ist.

Nachher hat sich der populäre Kabarettist dennoch öffentlich entschuldigt. Es sei natürlich nicht seine Absicht gewesen, Menschen zu verletzen und so weiter und so fort. Ihm sei es nur darum gegangen, ein Signal auszusenden, dass Katholiken und Protestanten doch eine Gemeinschaft bildeten angesichts ihrer großen gemeinsamen Herausforderungen. Und manchmal brauche es wohl einen Hofnarren, der Dinge eben ungeschminkt ausspreche. Er selbst "sei auch verletzt" gewesen.

Verletzt ist die Kirche in Deutschland und vielen anderen Ländern allerdings schon seit der Reformation, als Martin Luther nicht nur die Gemeinschaft mit Rom, sondern auch das Eucharistieverständnis umstürzte. Diese sollte fortan nicht mehr ein Opfer, sondern nur noch ein Mahl sein, wo der Leib Christi zwar im Glaubensakt anwesend ist, nicht mehr aber real und wahrhaftig.

So wurde aus der konsekrierten Hostie die gewöhnliche Oblate. Wir sehen: es ist mehr als nur ein Dilemma, das in Münster sichtbar wurde. Darum müssen wir Herrn von Hirschhausen auch einfach nur weiter dankbar bleiben, dass er hier öffentlich einmal zum Ausdruck brachte, woran evangelische – und die Mehrzahl der katholischen! – Christen ohnehin längst glauben: dass es in dem unverständlichen Streit um die Eucharistie im Grunde nur um Peanuts geht.

So öffentlich wie er hat deshalb zuletzt keiner mehr deutlich gemacht, dass das letzte "Eucharistische Jahr", dass Papst Johannes Paul II. im Oktober 2004 – wenige Monate vor seinem Tod – noch ausgerufen hat, keine Änderung im Bewusstsein der westlichen Christenheit mehr bewirken konnte, und auch nicht seine Enzyklika "Ecclesia in Eucharistia" aus dem Jahr 2003, wo der heilige Papst vom "Eucharistischen Antlitz" Christi sprach und Ignatius aus Antiochien zitierte, der die Eucharistie im zweiten Jahrhundert noch als "Medizin der Unsterblichkeit und Gegengift gegen den Tod" rühmte oder Ephraim den Syrer, der im vierten Jahrhundert sagte, dass jeder, der das verwandelte Brot zu sich nehme, "Feuer und Geist" verzehre.

Nach der Reformation hatte das Konzil von Trient noch einmal verfügt, dass jede konsekrierte Hostie "wahrhaft, wirklich und substanzhaft" Leib und Blut Christi bleibt. Das ist Dogma der katholischen Kirche, obwohl auch hier viele Gläubige die "Realpräsenz Gottes" in dem verwandelten Brot immer weniger verstehen und glauben können.

Dieses Ergebnis eines sich selbst entleerenden Glaubens sehen wir deutlich am Beifall von Münster. Was sollen wir dem katholischen Pfarrer, bei dem Herr von Hirschhausen sich seine "Oblate" abholt, deshalb also vorschlagen (und der Mehrzahl der deutschen Bischöfe)?

Soll er ihn vielleicht einmal zum Sakrament der Beichte und Versöhnung einladen, um ihn auf die Eucharistie vorzubereiten, wie es auch bei jedem Katholiken das Beste wäre?

Das wäre sicher das Allerbeste und Klügste. Es gäbe aber noch andere Hilfestellungen aus der Welt des Katholischen, die es auch dem klugen Komiker erleichtern würden, in der konsekrierten Hostie das "eucharistische Antlitz" Christi zu erkennen und nicht nur eine "Oblate", wie sie es beim nächsten Konditor für weniger als einen Cent gibt.

Das wäre vielleicht zuerst der Lehrsatz "the medium is the message" des genialen – und natürlich katholischen – Kommunikationstheoretikers Marshall McLuhan, der wie kaum einer vor ihm erkannt hat, wie eminent wichtig es zum Verständnis einer Botschaft es ist, wie sie dargeboten wird und zwar bis zu einem Grad, wo der Rahmen – oder das Medium – die Botschaft selbst zu verwandeln weiß.

Doch stimmt das wirklich: wie keiner vor ihm? Nicht ganz. Denn auf ähnlich geniale Weise hat das im Mittelalter auch schon eine Augustinerchorfrau namens Juliana von Cornillon (1192–1258) aus Lüttich erkannt, der wir die Einführung des Fronleichnamsfestes verdanken.

Es war eine visuelle Revolution in der Darstellung der göttlichen Geheimnisse. In Amerika würde man heute wohl sagen, es war ein "Iconic Turn". Das aber will ein wenig ausführlicher erzählt werden.

Denn auch im Mittelalter und davor fiel es den Menschen natürlich nicht leicht, in einem konsekrierten Stück Brot den Leib des Herrn und Gottessohnes wahrzunehmen.

Da hatte nun ab 1209 die mystisch begabte Juliana Visionen und Traumbilder, die sich auf das Sakrament der Eucharistie bezogen. Eine Vision, in der sie eine Mondscheibe mit einem Flecken erblickte, deutete sie als eine himmlische Nachricht, dass dem Festkalender der Kirche noch ein Fest zur besonderen Verehrung des Altarsakramentes fehle, das zu ergänzen sei.

Der helle Vollmond glich selbst der konsekrierten Hostie, das war ja fast mit den Händen zu greifen. Der Herr selbst bestätigte Juliana diese Auslegung in einer ihrer Visionen.

Auf Julianas Anregung hin setzte jedenfalls Papst Urban IV. im Jahr 1264 Fronleichnam für die ganze Kirche ein.

Seit 1246 war das Fest auf Julianas Initiative schon im Bistum Lüttich begangen worden. Thomas von Aquin steuerte der neuen Verehrung mehrere Hymnen bei. Doch es waren nicht nur Träume, die Juliana auf den Gedanken gebracht hatten, den Augen der Gläubigen die eucharistische Brotgestalt auf neue Weise zu offenbaren, wie die Annalen berichten.

Eines Tages besuchte die Heilige die später selig gesprochene Eva, die bei der Kirche St. Martin in Lüttich als Reklusin lebte. Obwohl Juliana erkrankt war und sich kaum auf den Beinen halten konnte, nahm sie diesen Weg auf sich. Denn Eva war ihre engste Vertraute. Da aber Kirchweih war, wurde sie vom heiligen Geist beseelt, heißt es, und sie kam schnell wieder zu Kräften.

Die beiden Freundinnen wollten nun den Altar von St. Martin schmücken. Zuvor aber zeigte Eva ihrer Freundin Juliana eine Kopie der Veronica, die sie in ihrer Zelle in einem Schrein verwahrte. Das heißt, sie zeigte ihr eine Kopie der "wahren Ikone" jenes heiligen Schleiers mit dem Antlitz Christi, der jedes Jahr zwischen zwei Kristallscheiben feierlich durch die Straßen Roms getragen wurde, seit Papst Innozenz III. diese Tradition am Sonntag "Omnis Terra" im Januar 1208 begründet hatte, als er die sogenannte "Veronika" erstmals persönlich mit seinen Kanonikern von der Petersbasilika zu der Kirche Santo Spirito in Sassia getragen hatte.

Und nun berichten die Acta Sanctorum folgendes:

"Als die Reklusin ihre 'Veronica' geöffnet hatte, heftete die Jungfrau Christi die Augen auf das Bild des Erlösers. Durch die Erinnerung an das Leiden Christi wurde Juliana auf der Stelle vom Schmerz durchzuckt, stürzte zu Boden und sank in sich zusammen. Die Reklusin fing sie mit ihren Armen auf und brachte sie in das Bett zurück. Um ihren Schmerz zu vertreiben oder zu lindern, sagte sie ihr: 'Beruhigt euch, meine Herrin, weil der leibliche Schmerz Christi ja schon vorüber und vorbei ist'. Juliana antwortete: 'Wahr ist, dass er vorüber ist; aber das Leiden dauert fort.' Als sie nach einer kurzen Zeit die Festglocken zur Kirchweih läuten hörte, die man die 'Benedicta' nennt, begab sie sich zum Fenster und heftete die Augen an das Firmament des Himmels und sie war im Geist auf wundersame Weise so voller Freude, dass kein Zeichen des Lebens in ihr selbst zurückblieb und man glauben konnte, dass sie jeden Augenblick stirbt. (...) Dann hörte die Reklusin sie mit den heiligen Aposteln Petrus und Paulus sprechen. Danach, als dies beendet war, öffnete sie die Augen und als sie die Reklusin an ihrer Seite sah, sagte sie: 'Gehen wir!' Die Reklusin fragte: 'Und wohin, meine Herrin, gehen wir?' Diese antwortete: 'Nach Rom zu den Aposteln.'"

Nicht nur die heilige Juliana, sondern auch die selige Eva, die nach Julianas Tod wesentlich dazu beitrug, dass Fronleichnam ein Kirchenfest wurde, kannten also die Darstellungsreliquie vom Antlitz Christi in der "Veronica", und dasselbe gilt auch für Papst Urban IV., der ein früherer Domherr von Lüttich war, und das gilt ebenso für Kardinal Hugo von Saint Cher, einst Dominikanerprovinzial zu Lüttich und dann Kardinalspriester der Basilika Santa Sabina auf dem Aventin-Hügel in Rom.

Beide verkehrten mit Juliana persönlich und förderten das Fronleichnamsfest, wo sie nur konnten. Ganz offenbar fiel ihr Werben auf fruchtbaren Boden.

So kehrte ein Neffe Urbans IV., der Priester war und dessen Name wir nicht kennen, nach der Beerdigung des Papstes 1264 aus Rom in seine Pfarre Saint-Armand in Verdun zurück, um dort wenig später die erste Fronleichnams-Prozession in Verdun durchzuführen.

Hatte er zuvor auch schon die päpstliche Prozession mit dem Schleierbild der "wahren Ikone" miterlebt und diese Verehrungsform für die Heilige Eucharistie adaptiert, womöglich sogar auf Vorschlag seines sterbenden Onkels?

Wir wissen nicht, ob er dabei in Verdun schon eine Scheibenmonstranz mitführte. Die frühesten erhaltenen Exemplare dieses Typs, die für die Aufbewahrung der Heiligen Eucharistie bestimmt waren, werden auf das Ende des dreizehnten Jahrhunderts datiert.

Danach aber explodierte die Verehrung die Verehrung der heiligen Eucharistie förmlich in Monstranz und Prozession, hauptsächlich in den Gebieten des Heiligen Römischen Reiches, aber auch in Frankreich und Spanien. Das alles zeigt uns, wie wirksam das Medium und seine Botschaft sind.

Im Falle des Fronleichnamsfestes wird durch das Medium der Monstranz die Heilige Eucharistie den Gläubigen in einer Prozession gezeigt, damit sie – so die Botschaft – durch seine Verehrung das verehrungswürdige eucharistische Antlitz Christi besser kennen lernen und seine Bedeutung als größten Schatz der Kirche erfassen und wahrnehmen.

In Rom selbst aber konnte die öffentliche Prozession mit dem "Allerheiligsten" trotz aller päpstlichen Unterstützung jahrhundertelang nicht recht Fuß fassen. Lag es daran, dass die Römer zu der Zeit noch eine Prozession mit dem geheimnisvollen Schleierbild in einer Scheibenmonstranz kannten, wo alle Pilger das reale Antlitz Christi von beiden Seiten sehen konnten? Der Gedanke drängt sich auf.

Doch während wir noch darüber rätseln, kommen in unserer Zeit, wo sich der Glaube an die Realpräsenz Gottes in der wesensverwandelten Hostie dramatisch entleert, plötzlich die eucharistischen Wunder wieder zurück, doch meistens an der Peripherie (an die zu erinnern Papst Franziskus nicht müde wird), wie in Chirattakonam im indischen Bundesstaat Kerala, wo im Jahr 2001 plötzlich das Antlitz Christi auf einer Hostie selbst erschien, oder wie im niederschlesischen Liegnitz, wo zu Weinachten 2013 in der Pfarrei Hyazinth ein Stück der verwandelten Hostie auf unerklärliche Weise zu einem Stück menschlichen Gewebes mutierte. Genauer, zum Teil eines menschlichen Herzmuskels – und zwar im Zustand des Todeskampfes.

Das eucharistische Wunder von Kerala bei den Thomas-Christen in Indien sagt uns aber auch dies: Dort, wo die Theologie unserer Tage ins Leere läuft, werden Realpräsenz und Bilder siegen.

Der Herr lässt uns nicht allein, und er weiß schon, wie er seinem barmherzigen Antlitz wieder Geltung verschafft und es vor der ganzen Welt aufscheinen lässt, in einem letzten "Iconic Turn", wo Bilder die Wahrheit nicht mehr verhüllen, sondern offenbaren. Denn dies ist ernsten Christen aller Konfessionen ja jetzt schon klar. Wahre Ökumene wird und kann sich nicht in theologischen Streitigkeiten verwirklichen, auch nicht in Besitzansprüchen oder im gemeinsamen Konsum, sondern im gemeinsamen Blick auf den Herrn, dem letzten Ziel und Fluchtpunkt aller Getauften. Vielleicht sollte Kardinal Woelki Herrn von Hirschhausen deshalb mit seiner Gattin ja zuerst einmal zur gemeinsamen Anbetung des Allerheiligsten einladen, oder ihn beim nächsten Fronleichnamsfest um den Ehrendienst bitten, mit drei anderen Ehrenmännern seines Erzbistums den "Himmel" zu tragen, das heißt, jenen kostbaren Brokat-Baldachin, unter dem die Monstranz mit dem "Allerheiligsten" über Blumenteppiche und in Weihrauchwolken durch die Straßen des "hillije Kölle" getragen wird.

Oder vielleicht könnten alle deutschen Bischöfe mit ihren evangelischen Mitbrüdern und Schwestern ja schon einmal alle konfessionsverschiedenen und konfessionsverbundenen Ehepartner einladen, auf dem langen Weg der Ökumene den alten eucharistischen Hochgesang des heiligen Thomas von Aquin zusammen einzuüben:

Tantum ergo, sacramentum!

veneremur cernui,

et antiquum documentum

novo cedat ritui.

Praestet fides supplementum

sensuum defectui.

Genitori genitoque laus et iubilatio.

Salus, honor, virtus quoque

sit et benedictio!

Procedenti ab utroque

compar sit laudatio!

Amen.

(Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Vatican Magazin.)

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