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Ich bin Christin und esse freitags Fisch – und Du?

Fischgericht (Illustration)

Unsere Mittlere kam vor einigen Tagen aus dem Kindergarten und berichtete, dass ein Junge aus ihrer Gruppe kein Rindfleisch essen dürfe, da Rinder heilige Tiere seien. Mit ihren Zweieinhalb hatte sie das schon richtig verinnerlicht und ergänzte, sie sei Christin und dürfe freitags nur Fisch essen. Warum Kühe heilig sind und was es mit der Speisevorschrift auf sich hat, das wurde von ihr erst mal nicht hinterfragt, denn die Tatsache reichte für sie schon aus, um künftige Mahlzeiten im Kindergarten höchst spannend zu finden.

Ihre Erzieherin berichtete mir in den folgenden Tagen immer wieder, dass sie nun akribisch darauf achtet, dass der Junge kein Rind isst und fragt vorsorglich immer vorher nach, bevor er frühstückt oder sich den Teller zu Mittag voll lädt. Für den armen Kerl gibt es nun also kein Entrinnen, dafür sorgt unsere Tochter.

Ich finde es gut, dass sie in ihrer Lebenswelt auch mit anderen Kulturen und anderen Religionen in Kontakt kommt, die Menschen dahinter kennen lernt und auch aktiv deren Lebensgewohnheiten nachvollziehen kann.

Meines Erachtens gelingt dies in dem Kindergarten unserer Töchter sehr gut, da auf ein Gleichgewicht geachtet wird. In jeder Gruppe war zu Zeiten der großen Flüchtlingswelle genau ein Flüchtlingskind, welches sofort integriert war, schnell Deutsch lernte und auch Zeit und Raum war, die Eltern anzusprechen und zu begleiten. Von befreundeten Grundschullehrerinnen weiß ich, dass das auch anders geht. Dass Klassen sehr viele Flüchtlinge aufnehmen müssen, dass dadurch die Ansprache für den einzelnen verloren geht, dass Überforderung auf allen Seiten einsetzt. Unzufriedenheit löst Unmut und Missgunst aus, somit kann keine homogene Gruppe entstehen oder überhaupt ein Zusammengehörigkeitsgefühl. So werden Parallelgesellschaften gefördert.

Die Debatte über "Leitkultur", die es im Zuge der Wahl gegeben hat, finde ich berechtigt und ist an vielen Stellen in die völlig falsche Richtung abgedriftet. Schnell standen sich Politiker gegenüber, schimpften den einen als Rechts, den anderen als Links und schon war der gleiche Konflikt auf politischer Ebene entstanden, wie ihn auch die Gesellschaft besonders in den sozialen Medien widerspiegelt. Man versucht keinen Konsens mehr zu finden, sich ernsthaft mit der eigenen Identität auseinanderzusetzen, sich Gedanken darüber zu machen, was gute Integration ausmacht und wo hinein eigentlich integriert werden soll, sondern man schimpft aufeinander ein. Schnell entsteht die Sorge bei diesem Thema in die eine oder andere Ecke gestellt zu werden. Das sorgt für Unklarheit, Verwirrung und trägt absolut nicht dazu bei, dass klar ist, was unsere deutsche Gesellschaft eigentlich ausmacht und wie neue Bürger begrüßt werden können.

Unsere Tochter hat es eigentlich vorgemacht. Sie hat die Bedürfnisse ihres hinduistischen Freundes ernst genommen, sich für ihn und seine Bedürfnisse interessiert und achtet wie gesagt sehr genau darauf, dass er im Rahmen der Vorschriften isst. Gleichzeitig hat sie sich aber auch abgegrenzt. Hat versucht seine Vorgaben in ihre Lebenswelt einzubinden, Vergleiche zu finden und deutlich zu machen: Ich bin Christin. Ein Musterbeispiel an gelungener Willkommenskultur und Integration.

Ob es in Deutschland ein Problem mit Parallelgesellschaften gibt, wird auch immer mal wieder von unterschiedlichen Seiten anders beleuchtet. Aus meiner Berufserfahrung heraus kann ich sagen, ja, in Deutschland gibt es dieses Phänomen und es gibt auch große Probleme bei der Integration. Es wird aber auch nichts von Menschen erwartet, die hier herkommen oder gar in zweiter oder dritter Generation hier leben. Es sind in einigen Städten ganze Straßenzüge entstanden, in denen eine eigene Community geschlossen funktioniert und ohne Kontakt zur deutschen Kultur oder Sprache auskommt.

Die Vielschichtigkeit des Problems wird bald wieder in der Karwoche vor Ostern deutlich. Jedes Jahr aufs Neue wird dann darüber diskutiert, ob ein Tanzverbot rechtens ist, ob Nicht-Christen dadurch diskriminiert werden oder gar an der Ausübung ihrer Freiheit gehindert werden, das Geschrei ist riesengroß und dauert länger an, als das Tanzverbot überhaupt besteht.

Wenn also nach und nach die kulturelle Identität bröckelt, dann geht auch ein Konsens verloren, der es uns möglich macht, Menschen willkommen zu heißen und in unser Leben zu integrieren. Das wiederum schürt Ängste auf allen Seiten, da Unklarheit mit Unsicherheit gleichzusetzen ist und blockiert Annäherung oder eine Verständigung.

Ich werde es in Zukunft noch bewusster wie meine Tochter halten: Ich bin Christin und esse freitags Fisch – und du?

 

Das Blog "Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter" mit Elisabeth Illig erscheint jeden Montag bei CNA Deutsch. Alle bisherigen Blogposts finden Sie hier im Überblick. 

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Hinweis: Meinungsbeiträge spiegeln die Meinung des Autors wider, nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch. 
 
 

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