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'Fest soll mein Taufbund immer stehn, zum Herrn will ich gehören…'

Taufe Christi von Guido Reni, geschaffen um 1622

Der Diözesanteil des Erzbistums Hamburg und der Bistümer Hildesheim wie Osnabrück verzeichnet unter Nummer 875 zwei Strophen dieses bekannten Liedes, das von frommen Katholiken generationsübergreifend mit Freude gesungen wird. Noch dürfen wir es singen. Aber wird das Lied vor der "Wahrheitskommission" Bestand haben?

Der neue Hildesheimer Bischof Dr. Heiner Wilmer hat am 14. Dezember 2018 in dem mittlerweile kontrovers diskutierten Interview "Das Böse in der Kirche eindämmen" mit Joachim Frank vom "Kölner Stadt-Anzeiger" sich zu einigen brisanten Themen geäußert (PDF-Link). Muss das Lied erneuert, revidiert, getilgt werden? In der ersten Strophe singen wir nämlich: "Dank sei dem Herrn, der mich aus Gnad in seine Kirch berufen hat, ihr will ich gläubig folgen." In der klassischen Fassung lautet dies abweichend übrigens: "… nie will ich von ihr weichen".

Im Vertrauen auf Christus und Seine Kirche möchte ich das Lied weiter gern singen dürfen – und ich werde es auch singen. Und Sie, liebe Schwestern und Brüder im Glauben? Wahrscheinlich auch? Wenn nicht, müsste auch das Credo modifiziert oder am besten gleich in der herrschenden Version getilgt werden. Noch bekennen wir: "Ich glaube an die eine heilige, katholische und apostolische Kirche." Zeitgeistlich aufgefrischt könnte es dann lauten: "Ich glaube an die eine heilige und zugleich unheilige Kirche". Offenkundig widersprüchliche, auch widersinnige Gedanken wie diese kommen einfach gläubigen Christen in den Sinn – warum?

Bischof Dr. Wilmer hat deutliche, drastische Worte gefunden, die mancherorts als mutig, klärend und wortgewaltig Zuspruch gefunden haben – und bei vielen einfach gläubigen Christen zu einer nachhaltigen Irritation führen. Weihnachten feiern das Fest der Menschwerdung Gottes – und müssen lesen, dass der "Missbrauch von Macht", so Bischof Dr. Wilmer in dem oben genannten Interview, in der "DNA der Kirche" stecke. Theologen und Philosophen sind ebenso wenig Spezialisten für die Grundlagen der Genetik, aber zuweilen begeben sie sich in eine doppelte Gefahr hinein: Sie verwenden Metaphern, die der Anschaulichkeit ihrer Gedanken dienlich sein sollen, und der gemeine, vielleicht auch gesunde Menschenverstand sieht in dieser spukhaften Wendung ein katholisches Spezifikum, ja ein Alleinstellungsmerkmal, das paradoxerweise zugleich die Täter oder Sünder – wie hier ungewollt – freizusprechen scheint: Liegt der Fehler im System? Muss dann nicht derjenige, der an diesem System Anteil hat oder den unausweichlichen "Strukturen des Bösen" angehört, unausweichlich mitschuldig werden an Vergehen, am Missbrauch von Macht?

Ein Biologe würde staunen über solche Formulierungen – und der katholische Theologe tut das auch, nicht nur weil er sich der Grenzen des eigenen Wissens bewusst sein sollte, sondern auch weil die hier erfolgende Identifikation einer säkularen Institution, einfach gesagt: die Behörde "Kirche", die säkulare Gestalt, in unangemessener Weise ekklesiologisch mit der Kirche Jesu Christi erfolgt.

Am hochheiligen Weihnachtsfest feiern wir die Menschwerdung Gottes, denn Gott nimmt also die menschliche DNA an. Der Exeget, der den griechischen Text des Evangeliums – Frohe Botschaft! – studiert, liest also, dass Gott "sarx" angenommen hat und nicht "soma". Im Griechischen sprechen wir von dem, was den Heiden ein Ärgernis war: Gott wird Mensch, er nimmt nicht einen wohlgestalteten Körper, also "soma", sondern schmutziges Fleisch an, "sarx" – die schwache, gebrechliche Menschengestalt, nämlich Jesus Christus, geboren von der Jungfrau Maria, der erhöht am Kreuz sterben und von den Toten auferstehen wird. In der Teilhabe an der sakramentalen Gegenwart des Herrn, im Leib und Blut Christi, besteht die Kommuniongemeinschaft der einen heiligen, katholischen und apostolischen Kirche, die alle Orte und Zeiten umschließt, und zu der sich unsere Eltern und Großeltern, unsere Verwandten und Freunde, unsere Namenspatronen und alle Heiligen bekannt haben.

Bischof Dr. Wilmer aber sagt: "Es gibt in der Kirche die Einzelnen als Sünder. Aber die Kirche an sich ist rein und makellos. Davon müssen wir uns verabschieden und zur Kenntnis nehmen, dass es »Strukturen des Bösen« in der Kirche als Gemeinschaft gibt." Er greift in diesem Zusammenhang Überlegungen von Eugen Drewermann auf, den er als "verkannten Propheten" bezeichnet. Der ehemalige Paderborner Theologieprofessor ist, lange nach der Suspendierung vom Priesteramt und dem Entzug der kirchlichen Lehrbefugnis, 2005 aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten. Was hindert mich dann aber daran, die von Erzbischof Marcel Lefebvre gespendeten Bischofsweihen von 1988 als heroischen, wahrhaft römisch-katholischen Akt zu bewerten – und den Gründer der Piusbruderschaft analog als "verkannten Propheten" anzusehen?

Suggeriert wird in dem Interview, ob beabsichtigt oder nicht, dass Eugen Drewermann bedenkenswerte, aber nicht hinreichend bedachte Einsichten geäußert hat. Es mag sein, dass auch ich Drewermanns radikal kirchenkritische Denkwege und exegetische Einsichten in den letzten dreißig Jahren vollständig verkannt und grundsätzlich falsch verstanden habe. Meine Torheit, sollte ich mich irren, will ich freimütig eingestehen, aber ich sage dies, als getaufter römisch-katholischer Christ und als ehemaliger Dozent für Theologie: Fest soll mein Taufbund immer stehen, also stehe ich zur Kirche des Herrn.

Mir fällt es darum nicht nur schwer, an die Kirche zu glauben, in der Eugen Drewermann als "verkannter Prophet" gilt – es ist mir schlicht unmöglich. Mit dem Missbrauchsskandal und seinen erschreckenden Ausmaßen, von Bischof Dr. Wilmer mit Recht scharf kritisiert, steht das sachlich in keinem Zusammenhang. Diese Rechtfertigung eines abtrünnigen Theologen ist schlechthin überflüssig.

Vielleicht erscheint es ratsam, ähnlich wie beim Sprachgebrauch über die "DNA der Kirche", die stilistischen Pointen und rhetorischen Figuren von Bischof Dr. Wilmer zu relativieren. Man muss es aber schlicht auch so einfach sagen: Ein Bischof ist kein Lehrer der Biologie. Somit verfügt er auch nicht über hinreichend naturwissenschaftliche Kenntnisse, um diese sprachliche Wendungen wie diese kirchlich anzueignen und vorzubringen. Ebenso wenig ist er dazu befugt, Vorschläge zu machen, die eine Überarbeitung des Glaubensbekenntnisses nahelegen. Der Bischof ist sakramental dazu bestellt, Lehrer des Glaubens in seiner Diözese zu sein, in unverbrüchlicher Treue zum kirchlichen Lehramt, in Gemeinschaft mit dem Papst und den Bischöfen.

Joseph Ratzinger sagt 2002 in dem Aufsatz "Der Bischof – Hüter und Künder des Glaubens" (zur Lektüre empfohlen: Joseph Ratzinger, Gesammelte Schriften, Band 12: Künder des Wortes und Diener der Freude, Freiburg im Breisgau 2010, 332–348), dass die Gläubigen ein "Recht auf den unverfälschten Glauben der Kirche" hätten und dass die Richtschnur das "Glaubensbekenntnis der Kirche" sei:

"Diese Einfachheit des Bekenntnisses darf nicht aus dem Blick kommen, sonst wird das Christentum Gnosis, eine Gelehrtensache, in der es dann letztlich nur noch Hypothesen, aber nicht mehr einen Grund gibt, auf dem wir leben und sterben können. […] Ich denke, wir Bischöfe sollten uns viel mehr, als wir es tun, immer wieder vor das Gericht Gottes und Jesu Christi stellen, vor dem Richter der Lebenden und der Toten; unser Leben am Maßstab des kommenden Gerichts messen. Die Instanz, vor der wir uns verantworten müssen, sind nicht die Massenmedien, die sich freilich zum großen Tribunal über Vergangenheit und Gegenwart aufgeschwungen haben und Menschen hochheben oder zerstören. Unser Maßstab ist der kommende Richter, und in der Abwägung unserer Aktionen muss dies die erste Frage sein: Wie wird der wahre Richter meine jetzige Entscheidung beurteilen?"

Ich bin ein Kind der Diözese Hildesheim, geboren in der Diaspora, und ich bin darum ein Sohn der römisch-katholischen Kirche. So viele einfach gläubige Christen verstehen diese Kirche, die nur deswegen "ihre Kirche" ist, weil sie "Seine Kirche" ist – immer weniger. Aber sie zünden noch ihre Lichter an. Sie sprechen die Gebete der Kirche. Sie geben sich hin im Dienst am Nächsten. Sie bezeugen die Lichtspur des Glaubens. Davon lebt die Kirche, nicht zur Weihnachtszeit. Nur weil die Kirche auf Christus gebaut ist – denn einzig der gekreuzigte und auferstandene Herr ist in einem übertragenen Sinne, wenn man diese Metapher unbedingt verwenden möchte, die DNA der Kirche –, bleibt sie heilig und jung. Die Kirche lebt – mit ihm, in ihm und durch ihn, gestern, heute und morgen.

Ein persönlicher Nachsatz: Ich habe als Dozent für Theologie und Philosophie jahrzehntelang Studenten erlebt, die hoffnungsfroh sich dem Glauben nähern wollten und ernüchtert waren, dass sie so oft Steine statt Brot erhielten. Und doch sehnten sie nach nichts anderem als nach Gemeinschaft mit Christus, nach dem Brot des Lebens. Sie hatten ihre ernsthaften Fragen und auch ihre Zweifel, aber sie fragten nicht nach weltgewandter Geschmeidigkeit, sondern nach der Wahrheit des Glaubens und nicht nach parfümiertem Badeschaum oder einem neukatholischen Mainstreamglück. Auch heute, auch morgen erbitten Menschen das Sakrament der Taufe, die im Namen des dreieinigen Gottes erfolgt und der sakramental gegenwärtig ist in der einen heiligen, katholischen und apostolischen Kirche. Ihr möchten sie angehören, von innen her. So möchte auch ich sagen: Ja, fest soll mein Taufbund immer stehen – und in der fünften Strophe heißt es:

"O Seligkeit, getauft zu sein, in Christus eingesenket! / Am Leben der Dreieinigkeit wird Anteil mir geschenket. / Ich bin der Kirche Christi Glied. / Ein Wunder ist’s, wie das geschieht. / Ich bete an und glaube."

Dr. Thorsten Paprotny lehrte von 1998 bis 2010 am Philosophischen Seminar und von 2010 bis 2017 am Institut für Theologie und Religionswissenschaft an der Leibniz Universität Hannover. Er publizierte zahlreiche Bücher im Verlag Herder und veröffentlichte Arbeiten zur Theologie Joseph Ratzingers / Benedikts XVI., darunter regelmäßig in den "Mitteilungen des Instituts Papst Benedikt XVI.".

(Die Geschichte geht unten weiter)

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