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Papst Franziskus kritisiert „sehr starke reaktionäre Haltung“ in der Kirche in den USA

Papst Franziskus mit Jesuiten am 5. August 2023 in Lissabon

In einem Gespräch mit Jesuiten in Portugal Anfang August hat Papst Franziskus ein „Klima der Verschlossenheit“ in den Vereinigten Staaten thematisiert, das, wie er sagte, manchmal den Glauben durch Ideologie ersetze.

„Sie sagen, Sie haben ein Klima der Verschlossenheit [in den Vereinigten Staaten] gespürt“, sagte der Papst auf die Frage eines Jesuiten. „Ja, dieses Klima kann in einigen Situationen erlebt werden. Und dort kann man die wahre Tradition verlieren und sich Ideologien zuwenden, um Unterstützung zu finden. Mit anderen Worten, die Ideologie ersetzt den Glauben, die Zugehörigkeit zu einem Teil der Kirche ersetzt die Zugehörigkeit zur Kirche.“

Papst Franziskus äußerte sich entsprechend während eines Treffens mit Jesuiten am 5. August im Colégio de São João de Brito, einer von Jesuiten geführten Grund- und Sekundarschule in Lissabon. Eine Mitschrift des privaten Gesprächs mit Mitgliedern der Gesellschaft Jesu wurde am Montag von der Jesuitenzeitschrift „La Civiltà Cattolica“ veröffentlicht.

Franziskus sagte, die Situation in den Vereinigten Staaten sei nicht einfach. Dabei verwies er auf eine „sehr starke reaktionäre Haltung“, die „organisiert ist und die Art und Weise prägt, wie Menschen dazugehören, sogar emotional“.

Der Pontifex verwies außerdem auf ein Phänomen, das er auf Italienisch „indietrismo“ nennt und das mit „Rückständigkeit“ oder „Rückwärtsgewandtheit“ übersetzt werden kann.

Diese Haltung sei „nutzlos, und wir müssen verstehen, dass es eine angemessene Entwicklung im Verständnis von Glaubens- und Sittenfragen gibt, solange wir die drei Kriterien befolgen, die Vinzenz von Lérins bereits im fünften Jahrhundert genannt hat: Die Lehre entwickelt sich ‚ut annis consolidetur, dilatetur tempore, sublimetur aetate.‘“

„Mit anderen Worten: Auch die Lehre schreitet voran, erweitert und vertieft sich mit der Zeit und wird stabiler, aber sie entwickelt sich immer weiter“, erklärte er.

Der heilige Vinzenz von Lérins war ein christlicher Mönch, der im 5. Jahrhundert in Gallien lebte. Heute gilt er als die führende Autorität der frühen Kirche in Bezug auf die Theologie der Tradition und die Entwicklung der Lehre, auch wenn es unterschiedliche Interpretationen seines Denkens gibt.

Das Zitat des Papstes über Vinzenz von Lérins in seinem Gespräch mit Jesuiten in Portugal stammt aus dem theologischen Werk „Commonitorium“, in dem sich eine seiner bekanntesten Aussagen findet, die als vinzentinischer Kanon bekannt ist: „Darüber hinaus muss in der katholischen Kirche selbst alle mögliche Sorgfalt darauf verwendet werden, dass wir den Glauben bewahren, der überall, immer und von allen geglaubt worden ist.“

Papst Franziskus hat sich bereits mehrfach auf Vinzenz von Lérins und dessen Äußerungen zur Entwicklung der Lehre bezogen, unter anderem bei einem Gespräch mit Jesuiten in Kanada im Juli 2022.

In Portugal sagte der Papst, dass einige Menschen aus den Kriterien des Vinzenz von Lérins für die Entwicklung der Lehre „aussteigen“. Dies seien die Menschen, die er auf Italienisch„indietristi“ nenne.

„Wenn man rückwärts geht, bildet man etwas Geschlossenes, das von den Wurzeln der Kirche abgekoppelt ist, und man verliert den Saft der Offenbarung“, sagte er. „Wenn man sich nicht nach oben verändert, geht man rückwärts, und dann nimmt man andere Kriterien für Veränderungen an als jene, die unser Glaube für Wachstum und Veränderung vorgibt.“

Franziskus sagte, die Auswirkungen dieser Rückwärtsgewandtheit auf die Sittenlehre seien „verheerend“: „Die Probleme, mit denen sich die Moralisten heute auseinandersetzen müssen, sind sehr ernst, und um sie zu bewältigen, müssen sie das Risiko eingehen, Veränderungen vorzunehmen, aber in die Richtung, von der ich gesprochen habe.“

Synodalität

Auf die Frage eines anderen Jesuiten, was ihn im Moment am meisten freue, verwies Papst Franziskus auf die erste von zwei einmonatigen Versammlungen der Synode zur Synodalität, die im Oktober stattfinden wird. Seine Freude, sagte er, sei trotz einiger Unzulänglichkeiten in der Art und Weise, wie die Synode geleitet wird, vorhanden.

„Die größte Freude bereitet mir im Moment die Vorbereitung der Synode, auch wenn ich manchmal sehe, dass es in der Art und Weise, wie sie durchgeführt wird, Unzulänglichkeiten gibt“, sagte er. „Die Freude, zu sehen, wie aus kleinen Pfarrgruppen, aus kleinen kirchlichen Gruppen sehr schöne Überlegungen hervorgehen und eine große Dynamik entsteht.“

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Er habe die Idee einer Synode nicht selbst erfunden, betonte Franziskus: „Es war Paul VI. am Ende des Konzils, der erkannte, dass die katholische Kirche den Sinn für die Synodalität verloren hatte. Der östliche Teil der Kirche hält ihn aufrecht“, sagte der Papst.

Er erinnerte an seine Rolle als stellvertretender Generalreferent bei der Bischofssynode 2001 über das Bischofsamt. „Als ich damals die Abstimmung über die Vorschläge der Gruppen vorbereitete, sagte der für die Synode zuständige Kardinal zu mir: ‚Nein, füge das nicht ein. Nimm es raus.‘ Kurz gesagt, sie wollten eine Synode mit Zensur, eine kuriale Zensur, die Dinge blockiert“, so Franziskus.

Der Papst sagte, dass es zwar Unvollkommenheiten auf dem Weg zur Synodalität gegeben habe, seit Paul VI. im Jahr 1965 die Bischofssynode ins Leben gerufen habe, „aber in den letzten zehn Jahren haben wir den Fortschritt fortgesetzt, bis wir, wie ich glaube, einen reifen Ausdruck dessen erreicht haben, was Synodalität ist“.

„Bei der Synodalität geht es nicht darum, auf Stimmenfang zu gehen, wie es eine politische Partei tun würde“, betonte er. „Es geht nicht um Präferenzen, um die Zugehörigkeit zu dieser oder jener Partei. In einer Synode ist die Hauptfigur der Heilige Geist. Er ist der Protagonist. Man muss also den Geist die Dinge leiten lassen. Lasst ihn sich so ausdrücken, wie er es am Pfingstmorgen getan hat. Ich glaube, das ist der kraftvollste Weg.“

Ratschläge für Jesuiten

Während des Gesprächs gab Papst Franziskus den Jesuiten auch Ratschläge für das Leben in ihrer Berufung, darunter auch die Ermahnung, Weltlichkeit zu vermeiden.

„Geistliche Weltlichkeit ist eine oft wiederkehrende Falle. Ihr müsst lernen, zu unterscheiden: Es ist eine Sache, sich auf den Dialog mit der Welt vorzubereiten – wie ihr es mit dem Dialog mit der Welt der Kunst und der Kultur tut –, es ist eine andere Sache, sich mit den Dingen der Welt, mit der Weltlichkeit zu kompromittieren“, sagte er.

Um sich vor weltlichen Dingen zu schützen und keusch zu leben, betonte der Papst die Bedeutung einer täglichen Gewissenserforschung, wie sie der Gründer der Gesellschaft Jesu empfohlen hatte.

„Heute besteht das ernste Problem in den versteckten Zufluchtsorten der Selbstsucht, die oft mit Sexualität, aber auch mit anderen Dingen zu tun haben. Was ist zu tun? Ich finde Hilfe in der Gewissenserforschung, wie sie der heilige Ignatius verlangt hat“, sagte Franziskus. Ignatius von Loyola habe „sehr selten“ von dieser Verpflichtung für die Mitglieder der Gesellschaft Jesu abgesehen.

„Das Ziel ist es, zu sehen, was in einem vorgeht. Und es gibt geweihte Menschen, die ihr Herz den vier Winden aussetzen, mit offenen Fenstern, offenen Türen. Kurz gesagt, sie haben keine innere Konsequenz.“

Franziskus sagte, auch das Gebet sei sehr wichtig: „Mit dem Gebet geht der Jesuit vorwärts, er hat vor nichts Angst, weil er weiß, dass der Herr ihn zu gegebener Zeit inspirieren wird, was er tun muss.“

„Wenn ein Jesuit nicht betet, wird er zu einem ausgetrockneten Jesuiten. In Portugal würde man sagen, er ist ein ‚baccalà‘ geworden, ein getrockneter und gesalzener Kabeljau“, sagte er in Anspielung auf das berühmte Lissabonner Gericht.

Übersetzt und redigiert aus dem Original von Catholic News Agency (CNA), der englischsprachigen Partneragentur von CNA Deutsch.

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