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Das neue Jerusalem am anderen Ende der Welt

Prior Pater Pius und die Mönche vom Kloster Notre Dame beim Gebet.
Einmal pro Tag beten hier die Mönche von Notre Dame die Terz: Die Kirche in Colebrook, Tasmanien
Erzbischof Julian Porteous
"Wir wollen die Pfarreien stärken": Erzbischof Porteous bei der Feier der heiligen Messe

Kalt pfeift der Wind über diese kahlen Hügel am anderen Ende der Welt. Weit weg von Surf- und Känguru-Klischees der Reisebroschüren liegt, im Süden des australischen Kontinents, eine grüne Insel von nicht einmal der Größe Bayerns. Die Berge sind im Winter schneebedeckt, der Wind glasklar und eiskalt. In diesen Breitengraden, den berüchtigten Roaring Forties, weht er direkt aus der Antarktis herauf — oder aus der Richtung Patagoniens. Wer an die Peripherien gehen will, so wie es Papst Franziskus immer wieder fordert, der ist hier richtig: Weiter weg von Rom, Berlin oder London geht es kaum. Und doch entsteht gerade hier, am anderen Ende der Welt, ein neues Jerusalem.

Auf über 1.000 Hektar grünen Weidelandes, durch die der Jerusalem Creek verläuft, entsteht das erste Benediktiner-Kloster Tasmaniens. Zu sehen ist davon noch wenig: Die Mönche — ein gutes Dutzend, von denen fast alle vom Festland Australiens kommen — leben noch in Wohnwägen und Wellblech-Hütten einige Kilometer entfernt in Rhyndaston, auf einer von einem Bauern gemieteten Wiese.

Armut und Schönheit

Einmal pro Tag fahren sie ins benachbarte Dorf Colebrook, um in der kleinen Kirche zumindest die Terz zu beten und die heilige Messe zu feiern. Am Seiten-Altar stehen Blumen für die Gottesmutter, und Kerzen flackern im steinernen Gemäuer. Sie leben vielleicht wie Bettler, aber das liturgische Gebet der Mönche ist erhaben, und ihr Gregorianischer Gesang übernatürlich schön. Demnächst soll eine alte Kirche per Sattelschlepper aus dem Norden der Insel transportiert werden. Dann haben die jungen Benediktiner — das Durchschnittsalter ist Mitte 20 — zumindest ein erstes eigenes Gotteshaus.

Das Kloster Notre Dame wird von Pater Pius Mary Noonan geleitet, einem Mönch aus den Südstaaten der USA, der viele Jahre in einem französischen Kloster lebte, in Flavigny-sur-Ozerain. Bis eines Tages ein australisches Ehepaar anklopfte, das Exerzitien down under organisieren wollte. Der Abt schickte seinen amerikanischen Pater nach Australien, denn der sprach zumindest fließend Englisch. Seitdem flog der Mönch regelmäßig um den Erdball. Bis klar war, dass eine dauerhafte Präsenz, eine Klostergründung, der nächste Schritt sein musste.

Die Exerzitien gibt es noch heute – und werden nun vom Kloster Notre Dame angeboten.

Dass Prior Pius und seine wachsende Schar junger Patres in Tasmanien landete: Das liegt vor allem am dortigen Erzbischof, dem rührigen Julian Porteous. Das Kloster untersteht direkt der Aufsicht des Oberhirten, der wie ein geschickter Gärtner das katholische Leben in seinem Erzbistum zum blühen bringt. 

Dabei ist der fruchtbare Boden der Insel karg. Tasmanien ist nicht nur in geographischer Hinsicht katholische Peripherie: Selbst im säkularen Australien — wo statistisch vielerorts noch weniger Katholiken die Messe besuchen als etwa in Deutschland — gibt es keinen Bundesstaat, in dem weniger Katholiken leben. Selbst wenn das Erzbistum Hobart historisch die zweite Diözese Australiens ist, nach Sydney, wie der freundliche Oberhirte bei einer Tasse Kaffee in seinem schlichten Büro gegenüber CNA Deutsch betont.

Benedikt ist nur eine von mehreren Optionen

Die ganze Insel ist seine Erzdiözese, und Erzbischof Julian Porteous ist bemüht, die Vielfalt und Schönheit katholischer Charismen dort gezielt auszusäen, wo sie am besten wachsen können, in der Hoffnung, dass daraus nach und nach ein lebendiger Garten des Glaubens entsteht. Bei gerade mal 80.000 Katholiken unter weit über einer halben Million Einwohner eine gewaltige Aufgabe:

"Wir müssen einen Weg finden, das katholische Leben, die katholische Identität und die katholische Spiritualität zu stärken. Und gleichzeitig dürfen wir uns nicht aus der Gesellschaft zurückziehen", so der Erzbischof gegenüber CNA Deutsch.

So paradox es auch erscheinen mag: Dabei spielen die Benediktinermönche eine wichtige Rolle. "Ich denke, es ist sehr wichtig, in einer Zeit, in der es starke säkularisierende Tendenzen in der Gesellschaft gibt — die auch in der Kirche Einzug halten — dass wir einige Orte starken katholischen Lebens haben, die erstens eine Quelle der Ermutigung für viele in der Kirche sein können, aber zweitens Zeugen des Glaubens für die Gesellschaft werden können."

Wer nicht von dieser Welt sein will, aber in der Welt, braucht solche Orte und Quellen des Glaubens, betont der Erzbischof. "Eine der möglichen Implikationen der Benedikt-Option wäre ein gewisser Rückzug in eine sicherere Umgebung, eine konsequenter katholische Lebensweise, in der die Menschen einander näher sind".

Aber genau wie es die Benediktiner für Europa über Jahrhunderte hinweg getan haben, so bekräftigt er, geht es darum, ein Gleichgewicht zu finden, so wie eben auch Saatgut und Pflanzen die richtigen Bedingungen brauchen, um zu gedeihen, und nicht alles überall Wurzeln schlagen kann.

Von den bewährten Benediktinern bis hin zu neuesten Bewegungen in der Kirche bedient sich der Bischof dabei aller Möglichkeiten. So hat Porteous auch die brasilianische Bewegung Palavra Viva in die zweitgrößte Stadt, Launceston, eingeladen, wo das moderne Leben pulsiert.

Im eher rustikalen Huon-Tal dagegen, wo Holzfäller, Hippies und Ökobauern leben, wirken die Schwestern der Immaculata unter der Mutter Oberin Mary Therese. Die Schwestern wurden 2008 in Sydney gegründet und sind ebenfalls vor wenigen Jahren nach Tasmanien gekommen. Die Ordensfrauen unterweisen junge Menschen aus aller Welt im Glauben und schulen sie zu Missionaren. Ihr blauer Habit ist bei den Messen in der Pfarrei Huonville jeden Sonntag zu sehen, inmitten einer Schar junger Katholiken aus allen Regionen der Welt, die sich unter die Gottesdienstbesucher mischen.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Ordensfrauen und junge Missionare

Darauf angesprochen, nickt Erzbischof Porteuous: "Ja, ich denke, die verschiedenen Orden, Gemeinschaften und Bewegungen, die stehen nicht im Wettbewerb mit den Pfarreien. Darauf habe ich mich immer konzentriert. Vielmehr dienen sie sogar den Pfarreien, insofern ja die Menschen, welche sie prägen, wiederum tatsächlich einen starken Beitrag zum Leben und zur Sendung der Pfarrei leisten, in der sie selber tatsächlich leben. Es gibt keinen Ersatz für die Pfarrei, es ist ein Beitrag zur Pfarrei."

Die Schwestern der Immaculata sind sehr stark auf die Evangelisierung ausgerichtet, erklärt der Erzbischof. "Sie wollen ein traditionelles Ordensleben führen, sie haben eine sehr starke Orientierung am Gebet und eine große Liebe zur marianischen Hingabe. Gleichzeit geht es im Grunde genommen darum, junge Menschen zur Heiligkeit zu bringen. Das ist ihre Mission."

Im vergangenen Jahr war es ein Dutzend junger Leute, welche die vier bis fünf Monate dauernde Missionsschule der derzeit neun Ordensfrauen besuchten. Im derzeitigen Sommer — auf der Südhalbkugel ist bekanntlich Sommer, wenn in Europa Winter ist — nehmen an die 150 jungen Menschen an dem neuntägigen Programm der Schwestern teil.

Auch die jungen Benediktiner vom Kloster Notre Dame am Jerusalem Estate haben keinen Mangel an Interessenten — auch wenn die Mönche, bis auf den jüngsten Neuzugang, bislang alle vom Festland kommen, wie Pater Pius betont. Und die Tasmanier selber? Wie reagieren die auf die Truppe junger Männer mit weissem Habit und Mönchsfrisur? Der Prior lacht.

"Die Leute sind neugierig. Uns werden viele Fragen gestellt. Sie wollen es wissen: Wer seid ihr denn? Normalerweise sind sie sehr glücklich zu hören, dass wir Mönche sind", sagt er und fügt lachend hinzu, "obwohl einige enttäuscht waren, dass wir keine Buddhisten sind".

Es gibt noch viel zu tun, im neuen Jerusalem, auf der anderen Seite der Welt.

LINK-TIPP: Weitere Informationen direkt auf der jeweiligen Website des Klosters Notre Dame und der Sisters of the Immaculata

Erstveröffentlichung 22. Januar 2019

                              

 

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