Berlin - Freitag, 1. September 2023, 11:30 Uhr.
Am 16. September findet wieder der jährliche Marsch für das Leben statt – in diesem Jahr erstmals nicht nur in Berlin, sondern auch in Köln. CNA Deutsch sprach mit Alexandra Linder, der Vorsitzenden des Bundesverbands Lebensrecht, die für die Organisation der beiden Märsche zuständig ist.
Erstmals findet der Marsch für das Leben in diesem Jahr an zwei Orten gleichzeitig statt, in Berlin und in Köln. Warum? Und wo werden Sie sein?
Im Bereich der sogenannten „Bioethik“ haben wir die schlechteste Regierung seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Nicht nur durch die Verstärkung unserer ganzjährigen Arbeit auf vielen Ebenen, sondern auch durch die Ausweitung der größten pro-life-Veranstaltung in Deutschland geben wir darauf eine klare Antwort und fordern eine menschenwürdige Politik. Und wir sehen, dass aufgrund der gestiegenen Kostenbelastung und Inflation eine Reise nach Berlin für viele Menschen nicht mehr einfach so machbar ist. Also kommt der Marsch für das Leben zu ihnen. Köln ist dafür ein gutes Pflaster und wir haben dort eine Gruppe junger, motivierter Menschen, die den Marsch mit uns zusammen organisieren. Wir freuen uns sehr darauf und erhoffen uns natürlich auch tausende Teilnehmer mehr. Da wir am Tag vorher in Berlin weitere Veranstaltungen haben, werde ich in Berlin sein. Unser Vorstand ist in Köln durch Prof. Dr. Paul Cullen gut vertreten.
Haben die beiden Märsche am 16. September einen thematischen Schwerpunkt?
Unsere diesjährige Kampagne heißt „Einzigartig. Leben wagen.“ Sie ist bewusst so gehalten, weil viele Themen aktuell sind: assistierter Suizid und Euthanasie, Schwangerschaftskonfliktberatung, die wirkliche Situation von Frauen und Männern im Schwangerschaftskonflikt, die ideologische Verleugnung des Menschseins vor der Geburt trotz eindeutiger wissenschaftlicher Sachlage, die vorgeburtliche Aussortierung von Menschen mit genetischen Besonderheiten – dieses Jahr in Berlin auch aus dem Erfahrungs- und Entwicklungs-Blickwinkel von Kanada und den Niederlanden, wo Abtreibung und Euthanasie zur Normalität gehören.
Umso unverständlicher ist es, dass Staaten, die diese höchst bedenklichen Entwicklungen in allen betroffenen Bereichen klar sehen können, dennoch Schritte in diese Richtung gehen, statt ein humanes Konzept für solche schwierigen Lebenssituationen umzusetzen.
Die Bundesregierung greift das Leben auf mehreren Ebenen an. Können Sie diejenigen Leser, die das nicht laufend verfolgen, informieren, wie die Lage aussieht?
Der erste Schritt des Koalitionsvertrages 2021, sozusagen ein Versuchsballon, war, das Werbeverbot für Abtreibung (§ 219a StGB) aufzuheben, was im letzten Jahr im Bundestag durchgesetzt wurde. Die Folgen sind genau die, die wir vorhergesagt haben: wachsende gesellschaftliche Normalität der Abtreibung, sinkende Hilfsbereitschaft für Frauen im Schwangerschaftskonflikt und massiv steigende Abtreibungszahlen (wie zuletzt 2012).
Der zweite Schritt soll die Abschaffung des § 218 ff. StGB sein, also der gesamten gesetzlichen Regelung zur Abtreibung. Abtreibung soll stattdessen eine frei wählbare, möglichst von den Krankenkassen bezahlte „Gesundheitsversorgung“ werden. Hierzu wurde gerade eine Kommission aus überwiegend Abtreibungsvertretern gebildet, die sich Gedanken über eine Regelung machen sollen.
Stark bekämpft werden aktuell die Beratung, Hilfe und das Gebet vor Abtreibungseinrichtungen und Beratungsstellen. Ein Fernsehsender hat eine Frau gefunden, die vor zehn Jahren (!) möglicherweise tatsächlich übel belästigt wurde. Ein solches Verhalten ist natürlich inakzeptabel, doch ist dies nicht mehr nachzuprüfen und wäre in Deutschland praktisch ein Einzelfall. Denn es gibt momentan keinen nachgewiesenen Fall von Belästigung, Nötigung, Körperverletzung oder ähnlichem. Dennoch wird stetig behauptet, dies komme nicht nur vor, sondern sei sogar bedrohlicher Alltag von Abtreibungseinrichtungen und Beratungsstellen. Es geht faktisch um die weitere Durchsetzung einer Ideologie, hierzu wurde eigens der Begriff der „Gehsteigbelästigung“ erfunden.
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Weitere Schritte laut Koalitionsvertrag sollen die Zulassung von Eizellspende und „Leihmutterschaft“ sowie ein Recht auf ein Kind sein – unabhängig von Familienstand und sonstigen Verhältnissen.
Nicht zu vergessen der Versuch, die begleitete Selbsttötung zu legalisieren beziehungsweise jenseits staatlicher Regulierung schlicht freizugeben – unter dem Oberbegriff der Autonomie, wie es 2020 vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben wurde. Die Annahme jedoch, dass der Mensch in jeder Lage absolut autonom entscheiden könne, ist utopisch. Umso mehr, wenn es um Krankheiten, Schmerzen, suizidale Phasen oder das Lebensende geht.
Insgesamt ist es ein verheerendes politisches Programm. Da dies die erste Regierung ist, die für solche Gesetze eine Mehrheit finden kann, will sie dieses Programm auf Biegen und Brechen vor den nächsten Wahlen umsetzen – denn es ist möglicherweise die einzige Möglichkeit.
Aus den USA kennt man riesige Menschenmengen zum jährlichen Marsch für das Leben. Warum fällt die Mobilisierung in Deutschland so viel schwerer?
Deutschland ist, was die Teilnahme an Demonstrationen angeht, grundsätzlich vorsichtiger als zum Beispiel Frankreich oder eben die USA, vor allem bei älteren Generationen, die aber dennoch bei uns stark vertreten sind. Auch der wachsende Zulauf junger Leute, die eher auf die Straße gehen, bei unseren Veranstaltungen zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Auf allen Ebenen unserer Arbeit erfahren wir deutlich steigende Unterstützung. 2019 hatten wir mit über 8.000 Teilnehmern unseren bisherigen Rekord, an den wir jetzt anknüpfen wollen. Übrigens gibt es den March for Life in den USA bereits seit 1974 – wir haben 2002 begonnen. Wir können ja 2041 einmal einen Zahlen-Vergleich anstellen …
Können Sie schon etwas sagen, was bischöfliche Teilnehmer betrifft, aber auch Vertreter anderer Konfessionen sowie aus Politik und Gesellschaft?
Die katholische Kirche ist immer mit mehreren Bischöfen, Weihbischöfen und einer großen Zahl von Priestern, Ordensleuten und Pfarrgemeinden anwesend, dieses Jahr unter anderem Bischof Voderholzer aus Regensburg, Erzbischof Koch aus Berlin und Weihbischof Wörner aus Augsburg. Freikirchen sind ebenso solide unterstützend und vertreten wie die Leitung der Evangelischen Allianz, evangelische und orthodoxe Christen, Moslems und Juden, nicht-gläubige Menschen. Es sind des weiteren immer auch verschiedene politische Vertreter und Vertreter von unterschiedlichen Organisationen und Vereinen dabei.
Da der Bundesverband Lebensrecht überparteilich und nicht konfessionsgebunden ist, ist es eine große, demokratische Vielfalt von Teilnehmern, die eines eint: die Überzeugung, dass jeder Mensch weltweit von der Zeugung bis zum Tod eine unabdingbare Menschenwürde hat und wir alle dafür zu sorgen haben, dass sie gewahrt wird. Wir freuen uns auf zwei gute, große, lebensbejahende Demonstrationen am 16. September in Köln und Berlin.
EWTN berichtet am 16. September live über Fernsehen und Internet vom Marsch für das Leben.