Missbrauch: Kardinal O’Malley fordert Vatikan auf, endlich keine Kunst von Marko Rupnik mehr zu verwenden

Kardinal Seán O’Malley OFMCap
screenshot / YouTube / Cardinal O'Connor Conference On Life

Es kann so nicht weitergehen: Der oberste Berater des Papstes in Fragen des sexuellen Missbrauchs durch Geistliche hat den Vatikan offiziell aufgefordert, die Kunstwerke des ehemaligen Jesuiten Marko Rupnik nicht mehr zu verwenden. Der Ex-Jesuit wird „glaubhaft beschuldigt“, zahlreiche Frauen sexuell, spirituell und psychisch schwer missbraucht zu haben.

Kardinal Seán O’Malley OFMCap, der Erzbischof von Boston und Leiter der Päpstlichen Kommission zum Schutz von Minderjährigen, hat einen Brief an die Dikasterien geschickt, welche für die täglichen Angelegenheiten der römischen Kurie zuständig sind.

Darin bringt der Kardinal seine Hoffnung zum Ausdruck, pastorale Klugheit werde verhindern, „dass Kunstwerke in einer Weise gezeigt werden, die entweder eine Entlastung oder eine subtile Verteidigung“ des mutmaßlichen Missbrauchstäters suggerieren könnte.

„Wir müssen vermeiden, die Botschaft auszusenden, dass der Heilige Stuhl die psychologische Notlage, unter der so viele Menschen leiden, nicht wahrnimmt“, schreibt O’Malley am 26. Juni in einem Brief an die Leiter der Kurie, wie die von ihm geleitete Kommission mitteilte.

Der Brief wurde am vergangenen Freitag veröffentlicht – einen Tag, bevor O’Malley 80 Jahre alt wurde und daher seine Ämter im Vatikan aufgeben muss. Das Schreiben bezieht sich auf den 69-jährigen Rupnik, einen slowenischen Kleriker und ehemaligen Jesuiten, dessen Mosaike in mehreren katholischen Kirchen auf der ganzen Welt zu finden ist.

Marko Rupnik wird von etwa zwei Dutzend Frauen, zumeist ehemaligen Ordensfrauen, beschuldigt, sie in den letzten drei Jahrzehnten körperlich, psychisch und spirituell schwer missbraucht zu haben. Der mutmaßliche Täter hat sich bisher nicht öffentlich zu den Vorwürfen geäußert.

Vatican News, eine offizielle Webseite des Heiligen Stuhls, veröffentlicht dennoch regelmäßig Bilder von Rupnik-Mosaiken, zu wachsendem Protest in aller Welt, darunter zuletzt eine Darstellung des heiligen Irenäus mit dem Hinweis, das Original befinde sich im Büro des Apostolischen Nuntius in Paris.

Trotz der öffentlichen Empörung: In den letzten Wochen und Monaten fanden zahlreiche weitere Bilder von Kunstwerken Rupniks bei Vatican News Verwendung.

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Warum wurde Ende Juni in den USA klar: Der italienische Laie Paolo Ruffini, Präfekt des Dikasteriums für Kommunikation, verteidigte die Verwendung von Rupnik-Bildern bei einem Auftritt in Atlanta in den USA am 21. Juni und argumentierte, die Entfernung der Kunst würde Opfern sexueller Gewalt nicht helfen.

Stattdessen kritisierte der Vatikan-Vertreter Ruffini das Verhalten der Opfer von Missbrauch und der skandalisierten Gläubigen: „Ich denke, dass wir als Christen verstehen müssen, dass die Nähe zu den Opfern wichtig ist, aber ich weiß nicht, ob dies der Weg der Heilung ist: immer wieder über dieses Problem der Kunst zu sprechen, die andere vielleicht heilt, ich weiß es nicht, aber vielleicht, ja“, sagte Ruffini wörtlich, wie die Zeitung National Catholic Register, ein Nachrichtenpartner von CNA Deutsch, berichtete.

Ruffini weiter: „Es gibt Menschen, die in den Heiligtümern vieler Kirchen auf der ganzen Welt vor Rupniks Mosaiken beten.“ 

Die Aussagen wurden von Opfern und katholischen Kommentatoren scharf verurteilt und zurückgewiesen. Manche Beobachter forderten den Rücktritt Ruffinis.

Gleichzeitig sorgt der Umgang von Papst Franziskus und seiner Kurie mit mutmaßlichen Missbrauchstätern, besonders Rupnik, schon länger für Kritik.

Exkommunikation aufgehoben

Im Juni 2023 wurde der bereits einmal exkommunizierte Rupnik aus der Gesellschaft Jesu ausgeschlossen, da die Ordensleitung der Jesuiten die Glaubwürdigkeit der gegen ihn erhobenen Vorwürfe für „sehr hoch“ hält und der Priester sich geweigert hatte, „seine Vergangenheit aufzuarbeiten“ und „einen Weg der Wahrheit zu beschreiten“.

Eine Anwältin, die fünf mutmaßliche Opfer des Priesters vertritt, sagte diese Woche, sie habe einen Brief an die Bischöfe der Diözesen geschickt, in denen die Mosaike des Priesters ausgestellt sind, und sie gebeten, sie zu entfernen, „aus Respekt vor den Opfern und vor dem Wesen des Gebetsortes“.

Rupnik wird „von zahlreichen Frauen beschuldigt, sie geistlich, psychologisch, körperlich und sexuell missbraucht zu haben, und seine Mosaike, die sich an Orten befinden, an denen sich alle Gläubigen zum Gebet versammeln, um mit Gott in Kontakt zu treten, verursachen Unruhe in den Herzen der Gläubigen“, so die italienischen Anwältin Laura Sgrò in ihrem Schreiben.

Als Jesuit wurde Rupnik im Jahr 2019 automatisch exkommuniziert, weil er einer Frau, die er entweder vergewaltigte oder anderweitig Geschlechtsverkehr hatte, die Absolution erteilte: Das ist unter anderem ein schweres Vergehen, das die Kirche als Missbrauch des Beichtsakraments betrachtet.

Die Exkommunikation wurde jedoch nach nur einem Monat wieder aufgehoben. Welche Rolle dabei Papst Franziskus hatte, ist bis heute unklar. Im Jahr 2020 predigte der eigentlich schwer belastete Rupnik eine Fastenmeditation für Geistliche in Rom, allen voran der Papst.

Franziskus ist bekanntlich Jesuit, wie es Rupnik bis letztes Jahr auch war, und die beiden sollen in der Vergangenheit befreundet gewesen sein. Erst die öffentliche Empörung über Rupnik veranlasste Papst Franziskus im Januar 2023 zu der Aussage, er habe „nichts damit zu tun“, wie mit Rupniks Fall umgegangen wird.

Beobachter bezweifeln diese Aussage, unter anderem weil Rupnik derzeit Priester in der Diözese Koper in seinem Heimatland Slowenien inkardiniert ist: Ein Schritt, der vom Vatikan abgesegnet wurde.

Mehrere Missbrauchsvorwürfe gegen den Priester wurden von Rom zunächst zurückgewiesen mit der Begründung, dass sie außerhalb der üblichen Verjährungsfrist des Vatikans für den sexuellen Missbrauch Erwachsener lagen. Doch im Oktober 2023 hob Papst Franziskus unter dem Druck der Öffentlichkeit die Verjährungsfrist in diesem Fall endlich auf, so dass der Vatikan die Ermittlungen gegen Rupnik offiziell fortsetzen konnte.

Übersetzt und redigiert aus dem Original von Catholic News Agency (CNA), der englischsprachigen Partneragentur von CNA Deutsch.

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