Düsseldorf - Montag, 9. Oktober 2023, 15:30 Uhr.
Kardinal Gerhard Müller, der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation, hat den vatikanischen Umgang mit Erzbischof Georg Gänswein, dem langjährigen Privatsekretär von Papst Benedikt XVI., deutlich kritisiert: „So, wie er behandelt wurde, ist das keine Reklame für die katholische Soziallehre.“
Gegenüber der „Rheinischen Post“ sagte Müller am Samstag, nachdem Gänswein „28 Jahre in der römischen Kurie und besonders dem Papst Benedikt XVI. treu gedient hat, gehört es sich nach christlichen Geboten und nach menschlichem Anstand, dass ihm eine würdige Aufgabe in der Kirche gegeben wird“.
Papst Franziskus hatte Gänswein, der erst 67 Jahre alt und damit weit von der bischöflichen Altersgrenze von 75 Jahren entfernt ist, nach dem Tod von Benedikt XVI. ohne neue Aufgabe zurück in seine Heimatdiözese Freiburg geschickt, wo er derzeit im Priesterseminar wohnt.
„Ich glaube, in dem Fall ist außer der menschlich gesehen unmöglichen Behandlung auch die ekklesiologische Dimension des Bischofsamtes nicht beachtet worden“, betonte Müller. „Der Bischof ist Mitbruder des Papstes im Bischofsamt und nicht sein Angestellter. Auch ein Bischof kann nicht willkürlich vom Papst abgesetzt und versetzt werden. Alle diese Leute, die so ein autoritäres Verständnis von Papsttum haben, die sollten mal das erste und das zweite Vaticanum lesen und studieren, was das Papsttum ist und was es nicht ist.“
„Wir sind als Katholiken im Glauben davon überzeugt, dass der Bischof von Rom der Nachfolger Petri ist“, führte der Kardinal aus. „Aber das hat nichts mit der Vorstellung zu tun, der Papst könne alles tun und lassen, wie es gerade seinem persönlichen Gusto entspricht. Wir brauchen das Allzumenschliche, das es leider auch in der Kirche Gottes gibt, nicht schön zu reden. Alle bedürfen wir der Vergebung Gottes.“
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Gefragt, ob auch Papst Franziskus zurücktreten solle, wie es Papst Benedikt getan habe, sagte Müller: „Ein Apostel wird nicht pensioniert. Das Wichtigste am Papst ist, dass er wie Petrus bis zu seinem Tod, ja bis zum blutigen Martyrium bezeugt. Ich glaube, in extremen Situationen – die zur vollkommenen Amtsunfähigkeit führen – kann man einen Rücktritt in Erwägung ziehen, aber er sollte nicht Regel oder Routine werden.“
Der Kardinal sagte, nicht nur die Kirche in Deutschland, sondern die Deutschen als solche „nehmen sich überhaupt zu wichtig. Das ist bei uns immer dieses dialektische Hin und Her zwischen Selbstanklage und Selbstüberhebung. Das lässt sich derzeit an deutscher Kritik an Polen festmachen.“
„Auch die Kirche in Deutschland hat gewaltige Probleme“, erklärte Müller. „2,7 Millionen Menschen sind aus der Kirche ausgetreten. Da haben wir genug zu tun. Da brauchen wir uns nicht als Vorbild für andere zu empfehlen.“
Auf die Frage, wer denn schuld sei am Niedergang der Kirche in Deutschland, antwortete er: „Ich glaube, da sind äußere und innere Faktoren zu nennen. Der missionarische Eifer hat nachgelassen. Die Menschen suchen nach Orientierung.“
„Aber die Kirche kann nicht einfach eine Anstalt sein, die Kundenbedürfnisse befriedigt“, mahnte der Kardinal. „Sich jetzt allem und jedem zu öffnen, ist ein fatalistischer Ansatz, der nicht helfen wird. Wer selbst nicht an Christus, den Sohn Gottes, glaubt, kann kaum andere überzeugen. Es muss von jedem schon eine Entscheidung verlangt werden, dass man zu Christus steht, auch dann, wenn es Skandale gibt.“