Rom - Mittwoch, 24. Januar 2024, 15:00 Uhr.
In einem umfangreichen Interview mit der Schweizer Zeitung „Weltwoche“ (aktuelle Ausgabe) hat Kurienkardinal Kurt Koch gewarnt: „Das Christentum ist in einer sehr kritischen Situation in Europa.“ Dies betreffe „alle christlichen Kirchen, nicht nur die katholische.“
Ein Grund für die Krise sei „die schwierige Situation der Kirchen selber, wenn ich an das schmerzliche Problem der Missbräuche denke. Doch die Kirchenaustritte, denke ich, haben auch mit anderen, tieferen Ursachen zu tun.“
Koch, der Präfekt des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen, beklagte die mangelnde Evangelisierung: „Wir sind wahrscheinlich zu wenig überzeugt von der Kostbarkeit und Schönheit der Botschaft, die wir zu verkünden haben, und wagen dann nicht, sie wirklich zu verkünden. Vielleicht liegt es auch daran, dass man den eigenen Glauben gar nicht mehr kennt.“
„Die größte Gefahr ist, dass die Kirche von ihrer christlichen Botschaft nicht mehr ausreichend überzeugt ist und diese Botschaft auch nicht mehr weitergeben kann“, betonte der Kardinal. „Wenn sie Abstriche macht an der Botschaft, sich zurückzieht, sich nicht mehr vertieft in die Botschaft, sie verkündet, aus der Überzeugung, den Menschen das größte Geschenk überhaupt geben zu können.“
„Ich kann nur mit Gott reden, weil er zuvor mit mir geredet hat“, führte Koch aus. „Und dies ist der Kerninhalt des christlichen Glaubens: Gott hat sich dem Menschen offenbart. Er ist kein stummer Gott, der schweigt, sondern ein Gott, der redet, der zum Volk Israel geredet hat, der zuhöchst in Jesus geredet und sich uns offenbart hat. Glauben heisst nicht erfinden. Glauben heisst: Gott hat sich mir offenbart, und meine Antwort lautet, dass ich ihm glaube.“
Der Kardinal äußerte sich noch ausführlicher zur Kirchenkrise und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft: „Wer den Glauben zur Haupttür hinausschickt, empfängt den Aberglauben durch die Hintertür. Das ist immer der Fall. Überall dort, wo der Mensch nicht an die Transzendenz Gottes glaubt, steht er in der Versuchung, weltliche, endliche Dinge zum Höchstwert zu erklären – Ideologie. Der Tod Gottes hat letztlich den Tod des Menschen zur Konsequenz.“
Konkret gehe es dabei um die Würde des Menschen. Es sei „kein Zufall, dass in der heutigen Leistungsgesellschaft zwei Probleme miteinander aufs Tapet gekommen sind. Da ist die Frage der Abtreibung und die Frage der Euthanasie. Wenn die Leistung zum Höchstwert wird, dann hat menschliches Leben, das noch nichts leisten kann, das ungeborene, kindliche Leben, und das menschliche Leben, das nichts mehr leisten kann, das alte, kranke, sterbende, keinen hohen Kurswert mehr.“
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„Dass wir heute die großen Probleme am Anfang und am Ende des Lebens haben, hängt auch mit dem Verlust des Glaubens zusammen“, zeigte er sich überzeugt.
Vor diesem Hintergrund wünsche er sich mit Blick auf die Gesellschaft, „dass der Mensch wieder zur Vernunft kommt und mit diesen schrecklichen Kriegen aufhört. Das Christentum hat hier einen wesentlichen Beitrag zu leisten, weil es eine klare Sicht hat, was Frieden heißt“.
Frieden muss mit Gerechtigkeit verbunden sein, gebunden auch an die Ehre Gottes“, führte Koch aus. „Nehmen wir den Weihnachtsgesang der Engel ernst – Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens. Wir hören immer gern den zweiten Teil und vergessen den ersten. Nur wenn Gott die Ehre gegeben wird, die ihm gebührt, kann auch wirklich Frieden auf Erden sein.“
VIDEO-TIPP: Kardinal Koch im Interview mit Andreas Thonhauser, Leiter von EWTN Vatikan: