Was führt zur Christenverfolgung in Indien?

Ein christlicher Leiter blickt auf die Trümmer seiner Kirche in Manipur, die bei Ausschreitungen im Mai 2023 zerstört wurde.
Ein christlicher Leiter blickt auf die Trümmer seiner Kirche in Manipur, die bei Ausschreitungen im Mai 2023 zerstört wurde.
Open Doors
Christen in Indien während eines Gottesdienstes
Christen in Indien während eines Gottesdienstes
Open Doors

Das christliche Hilfswerk Open Doors hat am 17. Januar seinen jährlichen Weltverfolgungsindex veröffentlicht. Ein Land steht in diesem Jahr besonders im Fokus: Indien.

Auf dem Index belegt das mehrheitlich hinduistische Land Platz 11. Zudem finden im April und Mai nationale Parlamentswahlen statt, die für die Zukunft der Christen richtungsweisend sein könnten.

Laut der World Christian Database bekennen sich rund 5% der indischen Bevölkerung, etwa 71,1 Millionen Menschen, zum Christentum. Open Doors kategorisiert die verfolgten Christen in drei Hauptgruppen: Angehörige traditioneller Kirchen, wie Katholiken oder Orthodoxe, konvertierte Hindus und Mitglieder protestantischer Freikirchen.

Angesichts zunehmender religiöser Spannungen und strikter Anti-Konversionsgesetze warnen Kirchenvertreter vor Schädigungsversuchen durch hinduistische Gruppen. Obwohl Indiens Verfassung einen säkularen Staat vorsieht, drängen hinduistische Nationalisten darauf, den Hinduismus zur Staatsreligion zu erheben.

Der amtierende Premierminister Narendra Modi strebt bei den Wahlen 2024 eine dritte Amtszeit an. Seit er Minister ist, habe die Zahl der jährlich gemeldeten gewalttätigen Übergriffe auf Christen „drastisch zugenommen“.

Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in Indien nach wie vor sehr groß, obwohl das Land die siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt ist. Ein Grund dafür ist bis heute das sogenannte Kastensystem.

Aktuelle Lage für Christen in Indien

Inder, die vom Hinduismus zum Christentum konvertiert sind, stammen meist aus der untersten Kaste, so das Länderprofil Indien. Sie gehören zur Gruppe der „Dalits“, die auch als „Unberührbare“ bekannt sind.

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„Viele von ihnen haben den Hinduismus verlassen und den christlichen Glauben angenommen, um ihrer hoffnungslosen Situation zu entkommen, mussten aber feststellen, dass auch innerhalb der Kirche gesellschaftliche Barrieren für sie bestehen“, heißt es in dem Bericht.

Der Übertritt zum christlichen Glauben werde oft durch so genannte „Anti-Bekehrungsgesetze“ verhindert: „In der Praxis werden diese Gesetze sowie das indische Strafgesetzbuch jedoch missbraucht, um Christen zu bestrafen, die fälschlicherweise der Missionierung oder Zwangsbekehrung beschuldigt werden.“

Insgesamt 11 der 28 Bundesstaaten hätten bereits „Anti-Bekehrungsgesetze“ erlassen, so der Bericht. In den Staaten, in denen es keine solchen Gesetze gebe, würden Christen wegen „angeblicher evangelistischer Aktivitäten“ verhaftet.

Gewalt gegen Christen

Christen seien im ganzen Land „einem hohen Maß an physischer Gewalt ausgesetzt; Ehrenmorde, Säureattacken, Angriffe durch Schlägertrupps oder Mobs und andere Grausamkeiten“. Auch die Polizei habe mancherorts den Ruf, „brutal und korrupt“ zu sein.

Zudem kontrollierten kommunistische Kampfgruppen – Maoisten oder Naxaliten genannt – einige ländliche Regionen. Dort stünden Christen „unter ständiger Beobachtung und können ihren Glauben nicht offen bekennen“. Wenn sie es dennoch täten, würden die Christen dort „ernsthaft bedroht“.

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Im Bundesstaat Manipur sei es im vergangenen Jahr zu massiven Gewaltausbrüchen zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen, den „Meitei“ (überwiegend Hindus) und den „Kuki“ (überwiegend Christen) gekommen.

Dem Bericht zufolge wurde das gesamte Internet im Bundesstaat abgeschaltet, was die Situation weiter verschärfte.

Bei einem Gewaltausbruch im Distrikt Churachandpur und in der Stadt Imphal – beide im Bundesstaat Manipur – wurden mehr als 200 Kirchen von einem Mob zerstört.

Dies geschah innerhalb von zwei bis drei Tagen: „Der Ministerpräsident des Bundesstaates – selbst ein Meitei – und die Polizei waren nicht in der Lage, die Gewalt zu verhindern. Inzwischen gehen die Angriffe auf die Kuki (die mehrheitlich Christen sind) und ihre Kirchen weiter“.

Im Distrikt Narayanpur habe es am 18. Dezember 2022 „20 koordinierte Angriffe auf Christen“ gegeben. Dorfbewohner hätten etwa 200 Christen gezwungen, ihre Häuser zu verlassen, so das Hilfswerk.

„Laut der ‚Evangelical Fellowship of India‘ sagten die Dorfbewohner, die Christen sollten ihrem Glauben abschwören oder die Gegend verlassen. Als einige protestierten, seien sie geschlagen worden, einige Christen seien wegen ihrer Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert worden, und die Polizei habe sich geweigert, Maßnahmen zu ergreifen, als die Opfer Anzeige gegen ihre Angreifer erstatteten“, heißt es im Bericht zur internationalen Religionsfreiheit 2022 des US-Außenministeriums.

Was sind die stärksten Triebkräfte der Christenverfolgung?

Laut dem Länderprofil von Open Doors sind die stärksten Triebkräfte religiös motivierter Nationalismus, diktatorische Paranoia, ethnisch-religiöse Feindseligkeit und Clan- oder Stammesunterdrückung.

„Die Entschlossenheit und Gewaltbereitschaft hindu-nationalistischer Organisationen hat im Laufe der Jahre zugenommen. Sie behaupten, Indien gehöre dem Hinduismus, und fordern die Vertreibung anderer Religionen aus dem Land“, heißt es in dem Bericht.

Der extremistische Hinduismus sei die treibende Kraft hinter der Verfolgung in Indien. Seit den Wahlen im Mai 2019 stellt die Partei BJP unter Premierminister Narendra Modi wieder die Regierung. Er wird als starker Mann gefeiert, der Indien „führt“.

„Anzeichen für eine zunehmende diktatorische Strömung in Regierungskreisen sind zum Beispiel die Kontrolle sozialer Medien und die Sperrung von Medien, die von der Regierung vertretene Grundsätze und Statistiken in Frage stellen”, so Open Doors.

Weitere Beispiele seien Propaganda gegen vermeintlich „fremde Religionen“ wie den Islam oder das Christentum.

Zudem habe die extremistische Hindu-Bewegung „Rashtriya Swayamsevak Sangh“ verschiedene Stammesgesellschaften unterwandert: „Immer häufiger werden christliche Konvertiten aus diesen Stammesgesellschaften bedroht, sozial ausgegrenzt, vertrieben, vom Zugang zu Trinkwasser abgeschnitten, vergewaltigt und sogar ermordet.“