Theologe Tück beschuldigt Kardinal Brandmüller der „Lernverweigerung“ in Sachen Konzil

Konzilsväter auf dem Petersplatz im Oktober 1961
Peter Geymayer / Wikimedia (Gemeinfrei)

Der Theologe Jan-Heiner Tück hat Kardinal Walter Brandmüller deutlich widersprochen und dessen jüngste Aussagen zum Zweiten Vatikanischen Konzil als „hartnäckige Lernverweigerung“ bezeichnet. In einem Gastbeitrag auf katholisch.de stellte der Wiener Dogmatiker klar, dass Brandmüller damit einen „performativen Selbstwiderspruch“ erzeuge.

Tück erinnerte daran, dass Brandmüller bereits 2012 „eine Charmeoffensive gegenüber den traditionalistischen Piusbrüdern lanciert“ und sich dabei „als fragwürdiger Interpret des Konzils erwiesen“ habe.

Damals habe der Kardinal das Zweite Vatikanische Konzil als „bloß“ ein „Pastoralkonzil“ bezeichnet und den Erklärungen zum Ökumenismus, zum interreligiösen Dialog sowie zur Religions- und Gewissensfreiheit nur einen „geringen Verbindlichkeitsgrad“ zugesprochen. Man könne diese Texte „getrost auf sich beruhen lassen und möge sich bitte schön nicht so aufregen“.

Ohne auf die Kritik einzugehen, die laut Tück schon damals „vielstimmig – auch von den Kardinälen Kasper und Koch – geäußert wurde“, habe Brandmüller nun im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) nachgelegt.

Dort erklärte Brandmüller: „Die wirklich wichtigen Dokumente, also die Konstitutionen zur Liturgie, zur Kirche, zur Heiligen Schrift, haben Bestand, und sie stehen ganz im Strom der kirchlichen Überlieferung.“ Und: „Merkwürdig ist, dass die Traditionalisten gerade gegen die Texte Sturm laufen, die anders als die genannten Konstitutionen den geringsten Verbindlichkeitsgrad haben und lediglich ‚Deklarationen‘ sind.“

Gemeint seien insbesondere „Nostra aetate über die Elemente der Wahrheit in den anderen Religionen und Dignitatis humanae zur Glaubens- und Gewissensfreiheit“. Diese seien „zeitbedingte Erklärungen des Konzils, die mittlerweile überholt sind“.

Tück bewertete diese Position als „Ausdruck einer hartnäckigen Lernverweigerung“. Sie führe seiner Ansicht nach zu einem „performativen Selbstwiderspruch“, weil jene Erklärungen, die Brandmüller für unverbindlich erkläre, in den Konstitutionen, die er anerkenne, theologisch verankert seien.

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Nach Tücks Analyse geht Brandmüllers Argument an der tatsächlichen Struktur des Konzils vorbei, weil dieses im Sinne von Papst Johannes XXIII. auf „eine positive Darlegung der Glaubenswahrheiten“ gesetzt habe. Die Bezeichnung „pastoral“ beschreibe diesen neuen Stil des Lehramts, also eine Darlegung, die ohne neue Dogmendefinitionen auskomme, aber dennoch verbindlich lehre.

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Hintergrund der Diskussion ist die grundlegende Struktur des Zweiten Vatikanischen Konzils. Es verabschiedete 16 Dokumente, darunter vier Konstitutionen, mehrere Dekrete und Erklärungen.

Zwar gilt eine Konstitution üblicherweise als gewichtiger als eine Erklärung, doch letztlich entscheidet der konkrete Inhalt darüber, wie verbindlich eine Aussage ist und ob sie eine bestehende Lehre der Kirche bestätigt, präzisiert oder nur pastoral anwendet.

Die Piusbruderschaft habe diesen Ansatz des lehramtlichen Sprechens in pastoraler Form seit Beginn abgelehnt und unter anderem eine „antijudaistische Theologie“ vertreten, die den Vorwurf des „Gottesmordes“ bis heute aufrechterhalte.

Gleichzeitig bezeichne die Piusbruderschaft die Anerkennung der Religionsfreiheit durch das Konzil als „modernistische Häresie“, so Tück, und verteidige das Modell eines katholischen Staates, der als verlängerter Arm der Kirche agieren solle.

Als Konsequenz dieser Analyse betonte Tück, dass der von Traditionalisten gepflegte Traum eines Staates, der religiöse Konkurrenz beschneidet, „ein anachronistisches Projekt“ sei, dass das Konzil „mit Recht zurückweist“.