Kardinal Peter Erdö: "Damit das Allerheiligste nie allein bleibt" (Interview und Video)

Der Primas im EWTN-Interview mit Martin Rothweiler über die Vorbereitungen zum Eucharistischen Weltkongress

Kardinal Peter Erdö - hier eine Aufnahme aus dem Jahr 2011 - ist Erzbischof von Esztergom-Budapest und Primas von Ungarn. Sein Wahlspruch ist: Initio non erat nisi gratia (Am Anfang war nichts, nur die Gnade).
Thaler Tamás / Wikimedia (CC BY 3.0)

Vom 13. bis 20. September 2020 findet in Ungarn der 52. Eucharistische Weltkongress statt. In einer Zeit, in der nicht nur viele Nichtkatholiken den Begriff "Eucharistie" überhaupt nicht kennen, sondern auch und gerade Getaufte – darunter so mancher Geistliche – offensichtlich große Verständnisprobleme haben, bedeutet dieses Großereignis eine besondere Chance und Herausforderung.

Papst Franziskus hat denn auch bei einem Vortreffen betont, der Kongress müsse sich der "säkularisierten Moderne" und der Globalisierung stellen, welche "die Besonderheiten einer reichen und vielfältigen Geschichte auszulöschen droht".

Die katholische Kirche in Ungarn bereitet sich auf den Kongress bereits aufwändig vor und hat viele verschiedene Zugänge zu einem tieferen Verständnis von – und Leben mit – dem Allerheiligsten Sakrament geplant. Der Programmdirektor des katholischen Fernsehsenders EWTN.TV, Martin Rothweiler, sprach vor einigen Wochen darüber mit dem Primas von Ungarn, Kardinal Péter Erdő.

Martin Rothweiler: Eminenz, Sie sind hier in Rom, um den Eucharistischen Kongress vorzubereiten, der von 13. bis 20. September 2020 in Ungarn, in Budapest, stattfinden wird. Wie laufen die Vorbereitungen?

Kardinal Péter Erdő: Also die Vorbereitungen laufen schon sehr intensiv. Das heißt wir haben in Ungarn ein großes Sekretariat, mit vielen Mitarbeitern. Jede Diözese hat Verantwortliche, Laien und Priester. Die Bischofskonferenz hat eine Kommission eingesetzt, die aus Persönlichkeiten des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens besteht.

Aber es gibt auch eine sehr intensive pastorale Vorbereitung. Wir haben ein Missionskreuz mit kleinen Reliquien von Heiligen und Seligen aus Ungarn und aus dem ganzen Karpatenbecken, aus mittel- osteuropäischen Regionen. Es ist sehr intensiv, weil dieses Kreuz in der Region herumreist und in jeder größeren Stadt, in jeder größeren Kathedrale Station macht. Das wird begleitet durch ein Programm: Anbetung natürlich, aber auch Exerzitien, Ausstellungen und verschiedene Programme über das Leben der Heiligen und Seligen, deren Reliquien am Kreuz angebracht sind. Das ist wirklich beeindruckend, weil wir sehr viele Märtyrer vom 20-sten Jahrhundert haben, in jedem Land, in Rumänien, in der Ukraine, in der Slowakei, in Ungarn selbst, in Serbien, Kroatien, in Bosnien, überall.  Und das ist schon ein Programm, das die Völker rund herum verbindet. 

Besteht die Chance, dass Papst Franziskus nach Ungarn kommt, zum Eucharistischen Kongress?

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Kardinal Péter Erdő: Wir haben den Heiligen Vater herzlich eingeladen, die Bischofskonferenz, aber auch der Ungarischen Staat. Er hat offiziell noch nicht geantwortet. Bei den letzten Kongressen repräsentierte den Papst ein Legat, aber wir können noch immer hoffen. Wir haben noch keine Antwort. Entweder kommt ein päpstlicher Legat oder vielleicht kommt Papst Franziskus selbst.

Kardinal Mindszenty ist eine große Persönlichkeit in Ungarn, der Heilig- bzw. Seligsprechungsprozess ist ja angestoßen. Erhoffen sie sich für den Eucharistischen Kongress dort einen weiteren Schritt in Richtung auf eine Heiligsprechung?

Kardinal Péter Erdő: Das wäre unser Traum. Wir beten dafür und zwar ernsthaft. Es gibt nämlich Gebetserhörungen und es gibt Berichte über Wunder, über Heilungen. Also, wenn eine dieser Heilungen bestätigt wird, dann steht der Weg zur Seligsprechung offen und wir hoffen sehr darauf.

Welche Bedeutung hat die Hingabe zur Eucharistie und was können moderne Medien, vielleicht auch die Sozialen Medien, dazu beitragen, diese Hingabe zu fördern?

Kardinal Péter Erdő: Also, es gibt eine interessante Wandlung in den letzten Jahrzehnten. Als ich junger Priester war, haben wir gedacht: Na ja, die Eucharistische Anbetung, die Aussetzung, ist vielleicht eine Frömmigkeitsform der Vergangenheit. Und jetzt sehe ich, dass die Jugendlichen überall, sogar in Deutschland, die Eucharistische Anbetung sehr mögen und sehr viele zusammenkommen; auch in Budapest ist das der Fall. Manchmal ganz in der Stille, manchmal mit Meditationen und mit Musik. Aber es ist sehr populär. Und man muss wieder erklären, wie es das Konzil gemacht hat, dass die Eucharistische Zelebration, die heilige Messe, trotz allem der erste Schritt ist und erst dann kann man eine lange Anbetung organisieren. Das hat natürlich auch seine Folgen für die Programme des Eucharistischen Kongresses: Also erst eine große heilige Messe und dann die Prozession, und nicht umgekehrt natürlich. Aber auch jetzt schon gibt es Kirchen, Pfarreien, die sagen: Von nun an werden wir die Ewige Anbetung organisieren. Und das ist auch sehr schön. Es kostet Anstrengungen, es kostet viel Aufmerksamkeit und Organisation, damit das Allerheiligste nie allein bleibt. Aber das hat Wirkung!

Und welche Rolle können Soziale Medien wie Facebook spielen? Kann man sie dafür einsetzen, um das zu fördern?

Kardinal Péter Erdő: Das Sekretariat hat nicht nur eine Homepage, sondern auch Facebook und Instagram und alles was heute dazu gehört. Und es organisiert sogar internationale Anbetungstage. Darüber könnte der Generalsekretär des Kongresses weitere Details erzählen. Aber es gab schon zwei Anbetungstage. Das zweite Mal haben über 30.000 Gläubige aus der ganzen Welt daran teilgenommen. Und das ist sehr schön.

Warum sollten Menschen zum Eucharistischen Kongress nach Budapest kommen?

Kardinal Péter Erdő: Um Jesus Christus in Budapest zu begegnen. Christus begegnen: das ist der Punkt. Und Jesus Christus ist der Mittelpunkt unseres Glaubens. Also nicht nur eine theoretische Größe. Wir sind keine Naturreligion. Also man soll nicht nur über die Eindrücke und Erfahrungen des persönlichen Lebens freie Philosophie machen. Wir haben viel mehr. Gott hat sein endgültiges Wort in der Person Jesu Christi ausgesprochen, und er will mit den Menschen kommunizieren, auch heute, über Jesus Christus. Also die Zentralität der Person Jesu Christi ist vielleicht eine der wichtigsten Elemente des Eucharistischen Kongresses. Jesus Christus ist eine geschichtliche Person, nicht nur eine Legende, nicht nur ein schönes Symbol. Darum ist auch sehr wichtig, was uns mit ihm geschichtlich verbindet. Und da haben wir die Gemeinschaft, die Kirche, die Tradition. Das ist sehr wichtig. Und natürlich muss all dieses Erbe jetzt gelebt werden. Die Probleme der heutigen Welt müssen uns beunruhigen, damit wir im Lichte von Jesus Christus die richtigen Antworten finden können und realisieren können, was in unsere Macht steht.

Ungarn hat den Ruf, eine strenge Grenzpolitik zu betreiben, dass wenige Migranten in das Land hineingelangen. Was tut die Katholische Kirche für die Migranten?  

Kardinal Péter Erdő: Von Anfang an, also seit 2015, hat die Kirche intensiv vor allem humanitäre Hilfe geleistet. Das heißt ab der Grenze und sogar über die Grenze hinaus in einigen Balkanländer war die ungarische Caritas aktiv, auch die Malteser und andere katholische Organisationen. In Ungarn selbst gab es Gebäude, in denen zum Beispiel Jugendliche beherbergt wurden. Da brauchte man nicht nur Lebensmittel und vielleicht Kleidung, sondern psychologische Hilfe und Ähnliches mehr und Dolmetscher. Die Katholische Universität von Budapest hat zum Beispiel arabische Dolmetscher zur Verfügung gestellt. Dann hat die Kirche auch Wohnungen für ankommende Familien organisiert. Aber man muss wissen, dass die meisten Migranten nicht in Ungarn bleiben wollen, sondern weitergehen. Also das gehört auch zur Realität, und zwar weil das Durchschnittsgehalt in Ungarn noch immer nur 20, 25% des deutschen Durchschnittsgehaltes ist. Das ist seit 30 Jahren so. Also dieses Problem spielt natürlich eine Rolle.  Aber das ist nicht eine bloße Frage der karitativen Arbeit.  Das sind strukturellen Fragen, die früher oder später gemeinsam und sehr klug gelöst werden müssen, Aber wir können tun, was in unsere Macht steht. Und das ist die direkte humanitäre Hilfe und Begleitung.  

Eminenz, sie waren zehn Jahre lang der Vorsitzende, der Präsident, des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen. Wie beurteilen sie die Lage der Kirche in Europa?

Kardinal Péter Erdő: Also vor allem, Europa ist groß. Zu Europa gehört ganz Russland, auch die Türkei, auch Zypern, also Länder, die zur Europäischen Union gehören und andere Länder. Es gibt radikal verschiedene Situationen: nehmen wir zum Beispiel eine katholische Gemeinschaft, die in der Diaspora lebt, in einem mehrheitlich Islamischen Land. Oder denken wir an die ganze Säkularisation in Osteuropa, also nach der kommunistischen Zeit. Also ich weiß nicht, ob das im Westen bewusst ist:  Die öffentliche Meinung oder das Empfinden in Osteuropa ist sehr säkularisiert. Man muss diese Tatsache auch berücksichtigen. Und wenn die Religion wiederbelebt wird, dann ist das auch ein riesengroßer Dienst an der öffentlichen Ordnung und am Zusammenleben eines Volkes, wo alle Kriterien des menschlichen Anstandes verloren gegangen sind. Zum Beispiel war das in den post-sowjetischen Ländern oft der Fall. Der Marxismus als Ideologie ist verschwunden, und es blieb ein Vakuum an der Stelle.

Also spielt die Religion, die christliche Religion, eine wichtige Rolle, auch in diesen Ländern. Natürlich auch im Westen, aber in einer anderen Weise. Dort ist alles stufenweise gegangen. Ich denke, dass alle westlichen Länder sehr gute und intensive gläubige katholische Gemeinschaften haben. Welche und wo genau, das muss man eben wissen. Aber nach Ungarn und in Ost- und Mitteleuropa sind auch geistliche Bewegungen angekommen, sehr oft aus Westeuropa. Andere sind aus Südamerika gekommen. Und sie arbeiten bei uns sehr gut. Die haben einen festen Glauben. Also, was wollen wir sagen? Natürlich ist man nicht automatisch in der Mehrheit. Man muss selbstbewusst sein und man muss sich anstrengen, wenn man katholisch sein will. Aber es lohnt sich. Als meine Eltern in den 50er Jahren erfahren haben, dass wir in der Schule keine Religionsstunden mehr bekommen können, dann hat mein Vater gesagt: "Na ja, es steht geschrieben in der Heiligen Schrift: Du sollst deinen Kindern erzählen...“ Und er hat uns Religion unterrichtet, immer Sonntagfrüh nach der Messe. Das war auch schön. Später konnten wir dann bei den Piaristen wieder Religionsunterricht haben.

Herzlichen Dank, Eminenz.

Kardinal Péter Erdő: Sehr gern geschehen.

LINK-TIPP: Die Offizielle Website des Weltkongresses finden Sie unter http://www.iec2020.hu/

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