Hass auf Christen im Heiligen Land: Aufrufe der Kirchen an Israels Behörden

Das Kloster Tabgha am See Genezareth nach dem Brandanschlag im Jahr 2015 durch einen verurteilten jüdischen Extremisten.
Das Kloster Tabgha am See Genezareth nach dem Brandanschlag im Jahr 2015 durch einen verurteilten jüdischen Extremisten.
ACN / Lateinisches Patriarchat von Jerusalem
Bischof Giacinto-Boulos Marcuzzo
Bischof Giacinto-Boulos Marcuzzo
ACN

In den letzten zehn Jahren ist im Heiligen Land die Zahl christenfeindlicher Übergriffe durch radikalisierte Juden deutlich gestiegen. Regelmäßig wenden sich die Repräsentanten der im Heiligen Land vertretenen christlichen Gemeinschaften an die öffentlichen Behörden, um Übergriffe zu verurteilen und Konsequenzen zu fordern.

Im Folgenden eine Zusammenfassung der Ereignisse des letzten Jahrzehnts durch die internationale Stiftung Kirche in Not (ACN), die dafür mit Bischof Giacinto-Boulos Marcuzzo, Generalvikar des Lateinischen Patriarchats für Jerusalem und Palästina, gesprochen hat.

Am 11. Februar dieses Jahres wurden in der arabischen Stadt Gisch im Norden Israels ungefähr einhundert Autoreifen aufgeschlitzt. Zudem wurden die Mauern der Stadt mit auf Hebräisch geschriebenem Graffiti beschmiert. Gisch zählt ungefähr 3.000 Einwohner, wovon die Mehrheit katholischen Glaubens ist: 50 % sind Maroniten, 10 % sind Melkiten und etwa 35 % Muslime.

Die Hassparolen jüdischer Extremisten richten sich gegen Nichtjuden und deren Präsenz in Israel: Wandschmierereien mit dem Wortlaut "Wachet auf, Ihr Juden… hört auf, euch zu assimilieren" kritisieren das Zusammenleben der Religionen in Israel.

Die Übergriffe gegen Christen und andere Nichtjuden in Israel sind kein Einzelfall.

Dementsprechend reagierte AOCTS sofort: Die aus den katholischen Bischöfen der lateinischen und orientalischen Riten des Heiligen Landes zusammengesetzte Vereinigung  – Assemblée des Ordinaires catholiques de Terre Sainte – forderte "die zivilen Behörden und Sicherheitsbehörden des Staates" auf, "ihrer Verantwortung in Bezug auf Bildung und Sicherheit nachzukommen, damit sich solche Verbrechen in Zukunft nicht wiederholen".

Eine Aufforderung, die zum wiederholten Mal ausgesprochen wurde – erfolglos, während Übergriffe jüdischer Extremisten immer wieder verübt werden, so Bischof Giacinto-Boulos Marcuzzo, Generalvikar des Lateinischen Patriarchats für Jerusalem und Palästina. Er betont, dass "die AOCTS seit über zehn Jahren um ein Treffen mit den verantwortlichen Ministern oder sogar mit dem Premierminister bittet (…) Bis heute jedoch ohne jeden Erfolg!"

Verurteilung nach Brandanschlag

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Kultstätten werden bespuckt, beleidigt, mit anstößigem Graffiti beschmutzt, mutwillig beschädigt. Im letzten Jahrzehnt gab es Dutzende dieser Übergriffe. Allein im Laufe der letzten zwei Jahre wurden fünf Übergriffe gezählt. Sie werden zwar für gewöhnlich von der israelischen Regierung, den Medien und der öffentlichen Meinung in Israel offiziell verurteilt, wie Bischof Marcuzzo positiv feststellt.

Doch den Worten folgen meist keine Taten – mit einer Ausnahme: Nach dem Brandanschlag 2015 auf einen Teil der in Taghba im Norden Israels gelegenen Pilgerstätte der Brotvermehrung, wurden die dafür verantwortlichen Täter festgenommen und verurteilt, betont der Generalvikar für Jerusalem.

Israels Schulbildung sät Hass

Die Kirchen des Heiligen Landes weisen mehrheitlich auf die Bildung hin, die den jungen Menschen in manchen israelischen Schulen zukommt. "Es ist sicherlich eine Frage der Bildung, hinter der ein allgemeineres kulturelles Problem liegt: die mangelnde Akzeptanz des Andersseins des anderen", analysiert Bischof Marcuzzo, und fügt hinzu: "Wir sind sehr besorgt, weil die gegenseitige soziale Akzeptanz die gesunde Basis einer jeden Gesellschaft ist, insbesondere bei der großen ethnischen, kulturellen, religiösen und politischen Vielfalt in Israel und im Nahen Osten. Eine solche Haltung untergräbt die Grundlage des sozialen Zusammenhalts und der Solidarität, die doch die Basis eines jeden Landes ausmachen. Wir sind ebenfalls besorgt, weil diese Kultur nicht zur Versöhnung und zum Frieden führt, die doch das vorrangige Ziel jedes Landes in dieser Region sein sollten."

Die Vereinigung AOCTS hatte bereits im Oktober 2012 ihre Bestürzung ausgedrückt:

"Was geschieht denn heute in der israelischen Gesellschaft, dass die Christen zu Sündenböcken und zu Zielen der Gewalt werden? Was für eine Art Lehre der Verachtung gegenüber den Christen wird denn in den Schulen unterrichtet? Und weshalb werden die Schuldigen niemals festgenommen, geschweige denn vor Gericht gebracht?"

Die AOCTS hatte ebenfalls ausdrücklich darum gebeten, "dass das Bildungssystem radikal verändert werden möge." Acht Jahre später muss eine bittere Erkenntnis getroffen werden. "Die Kirchen weisen auf allen Ebenen und bei mehreren Gelegenheiten auf dieses Problem hin, doch ihre Stimme wird nicht immer gehört, weil sie weder politisches noch finanzielles Gewicht hat (wir machen nur 2 % der Bevölkerung aus). Daraus ergibt sich übrigens auch das Problem des gesetzlichen Schutzes und der Rechte der Minderheiten", stellt Bischof Marcuzzo fest.

Radikale Siedler und religiöse Juden

Die Übergriffe in Gisch stehen im Zusammenhang mit einer Politik, die seit 2008 von radikalen Siedlern und anderen rechtsextremistischen Aktivisten verlangt wird. Sie sagen, sie wollten Rache nehmen wegen der ihnen von Regierung und Armee aufgezwungenen Einschränkungen ihrer radikalen, fanatischen Sichtweise der Besiedlung. Dazu greifen sie die Besitztümer der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland und der arabischen Bevölkerung in Israel (sowohl der christlichen als auch der muslimischen) oder deren Kultstätten an.

Aber das ist nur eine Seite der Gewalt gegen Christen, wie der armenische Patriarch von Jerusalem vor einigen Monaten betonte. Die Angriffe könnte auch von "extremistischen religiösen Juden" verübt werden, so der Kirchenmann. Die Gruppe extremistischer Juden übt – auch wenn sie derzeit eine Minderheit ist – druck auf das religiöse Leben in Israel aus und versucht, dieses zu beeinflussen.

In seiner Botschaften vom 20. Juni 2019 brach das armenische Patriarchat zudem sein Schweigen über einen anti-christlichen Angriff radikaler Juden in der Jerusalemer Altstadt. Dabei bespuckten und beschimpften drei junge Juden mehrere armenische Seminaristen bei deren wöchentlicher Prozession aus dem armenischen Viertel zur Kirche des Heiligen Grabes. Die Juden hatten die Priesteranwärter angespuckt und dabei geschrien: "Die Christen sollen sterben" und: "Wir werden euch in diesem Land auslöschen."

"Wir dachten, Israel sei ein demokratisches Land", beklagte das armenische Patriarchat. "Wer würde es wagen, Juden in Europa und in den Vereinigten Staaten anzuspucken? … Ist es in Israel erlaubt, Christen anzuspucken?"

Parallel dazu forderte das Patriarchat ebenfalls die israelische Regierung, die jüdischen religiösen Oberhäupter, die israelische Polizei und alle anderen Behörden auf, "die Verantwortlichen zu bestrafen sowie dieses Verhalten gegenüber Christen und insbesondere gegen die armenische Gemeinde nachdrücklich zu verurteilen."

"Zur Hölle mit den Christen"

In der Nähe des armenischen Viertels in Jerusalem hat es in den vergangenen Jahren ebenfalls christenfeindliche Übergriffe gegeben. Opfer der jüdischen Gewalt sind die auf dem Berg Zion angesiedelten christlichen Glaubensgemeinschaften, darunter griechisch-orthodoxe Christen, Franziskaner und Benediktiner sowie Armenier. Ziel radikaler Juden ist das Verschwinden jeder christliche Präsenz aus dem Umfeld dessen, was sie als das Grab König Davids verehren.

Zielscheibe ist unter anderem die deutschsprachige Dormitio-Abtei der Benediktiner. Gegen das Kloster verübten jüdische Extremisten im Mai 2014 und Februar 2015 Brandanschläge. Zuvor war die Lage bereits über Jahre eskaliert: So wurden in den Jahren 2012 und 2013 die Klostermauern mit eindeutig christenfeindlichem Hassparolen beschmiert. Das gleiche geschah im Januar 2016, als die Wände des Gebäudes mit Graffiti wurden: "Tod den christlichen Heiden, den Feinden Israels"; "Mögen sein Name (Jesus) und sein Angedenken ausgelöscht werden", oder: "Zur Hölle mit den Christen".

Jerusalem kein Einzelfall

Christliche Kirchen und sogar Friedhöfe werden auch außerhalb Jerusalems von radikalen Juden angegriffen. Nachdem der Friedhof des Salesianerklosters in Bet Dschemal im Dezember 2015 das erste Mal entweiht wurde, warfen im Oktober 2018 unbekannte Täter dort erneut Grabsteine um und zerstörten Kreuze. Bet Dschemal liegt 30 km westlich von Jerusalem, in der Nähe der Stadt Bet Schemesh, die einen hohen Bevölkerungsanteil an ultraorthodoxen Juden aufweist. Im Jahr 2013 war das Kloster mit Molotowcocktails beworfen worden.

Die Angreifer schmierten Parolen wie "Tode den Nichtjuden" auf die Mauern des Klosters.

Im September 2017 wurde die zum Kloster gehörende Kirche des Heiligen Stephanus durch Vandalismus beschädigt. Vor zwei Jahren wurden ebenfalls in Bet Dschamal die Mauern des Klosters der Monastischen Familie von Bethlehem mit Slogans in hebräischer Sprache beschmiert. Im März 2014 wurde in der Nähe von Bet Schemesh das Kloster Deir Rafat mit dem Heiligtum von Unserer Lieben Frau von Palästina Ziel einer mutwilligen Beschädigung.

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