Pater Josef Kentenich: In den Akten bisher "keine einzige Spur von sexuellem Missbrauch"

Eine Statue von Pater Josef Kentenich in Koblenz. Der Pallottiner war Gründer der Schönstatt-Bewegung.
Wikimedia / CC BY-SA 3.0 de

Der ehemalige Postulator des Seligsprechungsverfahrens, Pater Angel Strada, hat in einem Interview auf der deutschen Homepage der Schönstatt-Bewegung berichtet, dass Pater Josef Kentenich nie offiziell rehabilitiert worden sei. Gleichzeitig betont er jedoch auch, dass ein solches Aufhebungsdekret bei verhängten Sanktionen generell nicht unbedingt üblich sei.

Dabei geht es um einerseits Vorwürfe spirituellen Missbrauchs, andererseits auch Anschuldigungen sexualisierter Gewalt.

Kritiker zufolge hätte der Seligsprechungsprozess für den Gründer der Schönstatt-Bewegung nicht beginnen dürfen, da der Vatikan Kentenich nach mehreren Visitationen zunächst von seinem Werk trennte und ihn anschließend vorübergehend ins Exil in die USA schickte.

Vor zwei Wochen hatte eine Historikerin erneut eine Debatte um das Leben des Schönstatt-Gründers entfacht, indem sie Vatikan-Dokumente zitierte, die Pater Josef Kentenich des Missbrauchs verdächtigten. Repräsentanten des Schönstatt-Werkes haben die Vorwürfe - es geht sowohl um spirituelles Fehlverhalten bis hin zu Machtmissbrauch, aber auch um Fälle von sexueller Gewalt gegen Mitglieder der Schönstätter Marienschwestern - bislang kategorisch zurückgewiesen (CNA Deutsch hat berichtet).

Pater Angel Strada hat nun in einem Interview betont, dass es in den bisher gesichteten Akten "keine einzige Spur" gebe, "die auf einen Fall von sexuellem Missbrauch hindeuten würde".

Strada war der ehemalige Postulator des 1975 begonnenen Seligsprechungsprozesses und wird auf der Homepage von "www.schoenstatt.org" von der dortigen Administratorin Maria Fischer in einem älteren Beitrag als Mann gewürdigt, "der Pater Kentenich sicher am besten kennt".

"Wenn man einen Kommentar von Pater Kentenich zu diesem oder jenem Thema sucht und Pater Angel es nicht weiß, dann gibt es den nicht", schreibt Fischer 2017 zum 80. Geburtstag Stradas. "So einfach. Wer alles lesen musste, was Pater Kentenich geschrieben und gesagt hat, kennt ihn in Weite und Tiefe."

Strada: Missbrauchsvorwürfe nicht belegt

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Auf der deutschen Homepage "www.schoenstatt.de" ist am 14. Juli das Interview mit Pater Angel Strada erschienen. Dort hält er fest:

"Wenn es in den Dokumenten des bisherigen Geheimarchivs in Rom überzeugende Zeugnisse gibt, die einen Missbrauch klar beweisen, dann muss die Kirche entscheiden, den Seligsprechungsprozess zu beenden. Das wird dann unsere vollständige Unterstützung finden."

Die bisherige Aktenlage gebe dies jedoch nicht her, so Strada. Was man finde, seien "Aussagen von wenigen Schwestern, die sich von Pater Kentenich hart, ungerecht oder unverstanden behandelt fühlten". Diese Aussagen müssten zwar ernst genommen werden, "aber in einer Gemeinschaft von damals 1.500 Mitgliedern kann man ja auch nicht erwarten, dass alle mit allem einverstanden sind und sich verstanden fühlen", so der Priester wörtlich.

Auf die Frage, wie Pater Kentenich erfahren habe, dass er in die Verbannung muss und was die Begründung war, antwortet Strada, dass es verschiedene Dekrete vom Visitator – Pater Sebastian Tromp SJ, im Auftrag des Heiligen Offiziums - so die damalige Bezeichnung der Glaubenskongregation - und vom Generalsuperior der Pallottiner gegeben habe, die alle einen unterschiedlichen Inhalt hätten. Schon nach der damaligen Meinung des Heiligen Offiziums seien "einige Entwicklungen in Schönstatt zu korrigieren". Strada wörtlich:

"Sie sagten, das ist nicht möglich, wenn Kentenich da ist, denn er sei 'unbelehrbar'. Weiter wird in einem Dokument die Behauptung einiger Bischöfe aufgegriffen, Pater Kentenich habe einen 'Dachschaden' erlitten, als er im KZ Dachau gewesen sei. In dem verlangten psychologischen Gutachten attestierte der Arzt sinngemäß: Eine Person, die aus dem KZ zurückkommt mit solcher Arbeitskraft, mit solchem Geist, mit einer derartigen Motivation, ist vollkommen normal."

Keine offizielle Rehabilitierung

Dass es kein offizielles Schriftstück gebe, in dem der Schönstatt-Gründer rehabilitiert wird, ist nach Stradas Ansicht nicht ungewöhnlich. Die Praxis, solche Dokumente zu erstellen, gebe es nicht. Strada führt das Beispiel an, dass der Theologe Henri de Lubac SJ nach den Sanktionen gegen ihn damals ebenfalls kein Aufhebungsdokument erhielt, sondern seine Rehabilitierung der Tatsache entnahm, dass er später zum Konzilstheologen ernannt wurde.

Deshalb könne man auch darauf schließen, dass Kentenich vom Vatikan rehabilitiert sei, so Strada weiter. Als Kentenich nach Rom zurückgekehrt sei, habe er mit Wissen des Heiligen Offiziums "alle Sachen" gemacht, die ihm vorher verboten waren: Zum Beispiel habe er wieder die geistliche Leitung der Marienschwestern und der Schönstatt-Bewegung übernommen. Auch der Papst habe ihn am 22. Dezember 1965 zur Audienz empfangen.

Schließlich habe auch der damalige Präfekt des Heiligen Offiziums, Kardinal Alfredo Ottaviani, nach Kentenichs Tod im Dezember 1971 eine 12-seitige Schrift unter dem Titel "Erinnerungen an Pater Kentenich" veröffentlicht und "sich entschuldigt, was Pater Kentenich angetan worden ist". 

Insgesamt habe man für den Seligsprechungsprozess 8.000 Dokumente geprüft, beteuert Strada. Ob es nach der Öffnung der Archive aus der Zeit von Papst Pius XII. neue Erkenntnisse geben wird, bezweifelt er:

"Wir haben mit gutem Willen und viel Arbeit bei 120 zivilen und kirchlichen Archiven in Deutschland und im Ausland nach Dokumenten geforscht. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass es noch weitere Dokumente gibt. Jetzt, da die Dokumente in Rom freigegeben sind zur Einsicht, habe ich die Hoffnung, dass wir auch diese Dokumente bald einsehen können, und nicht nur die bis 1958, sondern auch die nächsten 10 Jahre noch bis 1968, bis zum Tod des Gründers."

Wie die Historikerin Alexandra von Teuffenbach in einem Beitrag für die katholische Wochenzeitung "Die Tagespost" erklärte, habe sie in den bisher erst kürzlich geöffneten Archiven aus der Zeit von Papst Pius XII. Dokumente gesichtet, in denen Mitglieder der Schönstätter Marienschwestern von Missbrauchserfahrungen durch Pater Josef Kentenich berichten. Neben "eines hochgradig manipulativen, die Schwestern in ihrer Gewissensfreiheit planmäßig behindernden" Verhalten des Gründers – bis hin zu erzwungenem Beichtverhalten und Hörigkeitsritualen – soll es ihr zufolge auch zu mindestens einem dokumentierten Fall von sexuellen Missbrauch gekommen sein.

Weshalb dennoch 1975 der Seligsprechunsprozess eröffnet wurde, liegt nach Ansicht des ehemaligen Postulators Pater Angel Strada auch an einer scheinbaren Unbedenklichkeitserklärung des vatikanischen Staatssekretariats an den Bischof von Münster, Heinrich Tenhumberg. In einem Brief soll es heißen:

"Nach eingehender Prüfung Ihrer Anfrage durch die zuständigen päpstlichen Behörden darf ich Sie darauf hinweisen, dass der Bischof von Trier als der zuständige Ortsbischof nach Maßgabe des kanonischen Rechtes von seiner Vollmacht gebrauch machen und den Informativprozess durchführen kann, wenn er die Voraussetzungen dazu gegeben sieht."

Daraufhin habe es in den darauffolgenden Jahren "Zuständigkeitsdiskussionen" zwischen verschiedenen vatikanischen Behörden gegeben, so Strada. Er berichtet:

"Am 11. Januar 1991 erhält der Trierer Bischof, Dr. Hermann Josef Spital, der erneut nach dem Nihil Obstat fragt, von der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse den Bescheid: 'Nach erneuter Untersuchung, wollen wir Ihre Exzellenz informieren, dass der Heilige Stuhl keinen Grund sieht, warum der Seligsprechungsprozess des Dieners Gottes Josef Kentenich, nicht eröffnet werden kann'."

Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe

Um die Vorwürfe gegen den Gründer der Schönstatt-Bewegung aufzuarbeiten, hat der zuständige Bischof von Trier, Stephan Ackermann, jüngst die Gründung einer Historiker-Kommission angekündigt. Schönstatt streitet die Vorwürfe weiterhin ab, hat aber angekündigt, bei der Aufarbeitung mitzuhelfen.

"Am Ende ihrer Arbeit wird die Kommission – unter Einbeziehung des Ergebnisses der vorausgegangenen Kommission – einen Bericht erstellen, in dem auch eine Aussage gemacht wird über die Persönlichkeit und die Spiritualität von P. Josef Kentenich, so wie sie sich in den gesammelten Dokumenten darstellen", so das Bistum Trier.

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