Analyse: Papst Franziskus nimmt vielleicht wichtigsten Schritt der Kurienreform

Binnen drei Monaten muss das Staatssekretariat seine Finanzhoheit abgeben – und Kardinal George Pells Reformansatz ist bestätigt worden

Papst Franziskus spricht mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin beim Besuch der Kathedrale von Lima am 21. Januar 2018
Vincenzo Pinto AFP via Getty

Es dürfte der wichtigste Schritt der Reform des Vatikans sein: Papst Franziskus hat dem von mehreren Skandalen erschütterten Staatssekretariat die Verantwortung für Investitionen und Immobilien entzogen. 

Mit der am heutigen 5. November vom Vatikan veröffentlichten Entscheidung nimmt Franziskus dem mächtigen Staatssekretariat seine Finanzhoheit und gibt ihm drei Monate Zeit, seine sämtlichen Werte mithilfe einer eigens dafür eingesetzten Kommission an die Güterverwaltung APSA zu übertragen.

Das teilte der Papst am gestrigen Mittwoch bei einem Treffen dem Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin sowie seinem Stellvertreter Erzbischof Edgar Peña Parra mit – anwesend waren auch die obersten Finanzbeamten des Vatikans, erklärte Presse-Sprecher Matteo Bruni. Dabei handelte es sich um den Generalsekretär des Governatorats der Vatikanstadt, Fernando Vergez, den Präsidenten der vatikanischen Güterverwaltung APSA, Bischof Nunzio Galantino sowie den Wirtschafts-Präfekten, Pater Juan Antonio Guerrero SJ.

Grundlage dieses Treffens war ein Brief, den Franziskus am 25. August an Parolin schrieb. Darin kündigte der Pontifex an, dass er dem Staatssekretariat nicht mehr erlauben werde, sein Geld unabhängig zu verwalten.

Dazu gehört unter anderem auch die umstrittene Investition in Höhe von 350 Millionen Euro in eine Londoner Luxusimmobilie – und der Ausstieg aus dem "Centurion-Fonds", über den CNA mehrfach berichtet hat. Die mögliche Rufschädigung durch solche Investitionen muss ein Ende haben, fordert der Papst.

Insgesamt soll die Vatikanverwaltung laut Franziskus – der Papst, der für sich beansprucht, ein Anwalt der Armen zu sein – "evangeliumsgemäßer, transparenter und effizienter" werden. Und das Staatssekretariat wird ermutigt, auch seine Verwaltung entsprechend zu reduzieren.

"Weil das Staatssekretariat Vermögenswerte weder verwalten noch beaufsichtigen muss, ist es angebracht, dass es sein eigenes Verwaltungsbüro neu definiert und über die Notwendigkeit seiner Existenz nachdenkt", schreibt der Papst an Parolin.

Die Entscheidung bedeutet vor allem, dass das Staatssekretariat – wie jede andere Abteilung im Vatikan – ein Budget vorschlagen und dieses von anderen genehmigen und kontrollieren lassen.

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Diese Kontrolle hat nun das Wirtschaftssekretariat inne: Es prüft – wie nach modernen Standards üblich – die Haushalte aller Abteilungen der römischen Kurie. Genau dieser Schritt ist vor allem eine späte Bestätigung der Arbeit von Kardinal George Pell. 

Wie der Europa-Chef der Catholic News Agency, Luke Coppen, auf Twitter schrieb, hat Kardinal Pell bereits im Jahr 2014 im "Catholic Herald", dass sein Wirtschaftssekretariat "mehrere hundert Millionen Euro in speziellen Konten" entdeckt hatte, die "nicht in den Bilanzen auftauchten". Der australische Prälat legte darin auch die weitere Vorgehensweise vor.

Mit dem Abgang von Kardinal Angelo Becciu und diesem historischen Schritt des Papstes könnten nun, sechs Jahre später, die Weichen für echte Reform gestellt werden, die Pell als damaliger Präfekt des Wirtschaftssekretariats vorgeschlagen hat. Bis dahin aber ist der Weg noch weit.

Das gilt auch für die Aufarbeitung der brodelnden Korruptionsskandale. 

Kardinal Pietro Parolin wird bekanntlich auch nicht mehr im neu konstituierten Aufsichtsgremium des Instituts für religiöse Werke (IOR), das gemeinhin als Vatikanbank bezeichnet wird, sitzen. Zum ersten Mal wird der Staatssekretär dort keinen Sitz haben.

Wie Ed Condon geschrieben hat, war schon diese Ankündigung ein deutlicher Hinweis darauf, dass Parolin wie das Staatssekretariat offenbar an Einfluss und Vertrauen bei Papst Franziskus verlieren.

Kardinal Parolin hat sich bisher weitgehend von dem finanziellen Sturm um die von ihm geführte kuriale Abteilung ferngehalten, während die laufende Untersuchung die Posten von mindestens sechs ehemaligen hohen Beamten gekostet hat – sowie den spektakulären Abgang seines früheren Chef-Stellvertreters, Kardinal Angelo Becciu.

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