Ein heiliger Traum: Die Göttliche Liturgie vor dem heiligen Schweißtuch von Manoppello

Das Antlitz des Erlösers im Blick: Die Göttliche Liturgie in Manoppello am 18. September 2016.
Das Antlitz des Erlösers im Blick: Die Göttliche Liturgie in Manoppello am 18. September 2016.
CNA/Daniel Ibanez
Eine Synode auf dem Weg: Orthodoxe und katholische Geistliche in Manoppello am 18. September 2016.
Eine Synode auf dem Weg: Orthodoxe und katholische Geistliche in Manoppello am 18. September 2016.
CNA/Daniel Ibanez
Die Feier der Göttlichen Liturgie in Manoppello.
Die Feier der Göttlichen Liturgie in Manoppello.
CNA/Daniel Ibanez
Feier der Göttlichen Liturgie in Manoppello am 18. September 2016.
Feier der Göttlichen Liturgie in Manoppello am 18. September 2016.
CNA/Daniel Ibanez
Die Göttliche Liturgie in Manoppello.
Die Göttliche Liturgie in Manoppello.
CNA/Daniel Ibanez
Feier der Göttlichen Liturgie in Manoppello am 18. September 2016 mit Kardinal Kurt Koch (Mitte), links neben ihm Erzbischof Bruno Forte.
Feier der Göttlichen Liturgie in Manoppello am 18. September 2016 mit Kardinal Kurt Koch (Mitte), links neben ihm Erzbischof Bruno Forte.
CNA/Daniel Ibanez

Es war ein einziges Wort, das für die Spaltung der Ost- und Westkirchen entscheidend wurde. Das war, als die Bischöfe des Westgotenreichs im Mai 581 im Konzil von Toledo dem damals 200 Jahre alten katholischen Glaubensbekenntnis des Konzils von Nizäa-Konstantinopel  das lateinische Wort "filioque" hinzufügten. Das heißt auf deutsch: "und dem Sohn". Seitdem beten die Christen des Westens in ihrem Credo: "wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht", wo es bis heute in den Ostkirchen in der alten Fassung weiter heißt: "Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater hervor geht". Dogmatischen Rang erhielt der Zusatz des Sohnes im Westen zuerst unter Papst Benedikt VIII. und dann noch einmal im Jahr 1215, als die Entfremdung zwischen Ost und West schon sehr weit gediehen war.

Doch im Grunde war es dieses eine und einzige Wort, das zum Stolper- und Meilenstein im Prozess der Spaltung zwischen der Ost- und Westkirche wurde. Abertausende höchst gelehrte Worte haben diese Spaltung danach und später nur vertieft und konnten sie nie heilen.

Und nun hat am 18. September 2016 ein einziges Bild die Ost- und Westkirche unterhalb des Radars aller Nachrichtenkanäle auf eine Weise zusammengeführt wie vielleicht noch nie zuvor. Das war, als an diesem Sonntag 70 orthodoxe Bischöfe mit zwei Kardinälen und etlichen römisch-katholischen Bischöfen und Geistlichen in dem Abruzzenstädtchen Manoppello die Göttliche Liturgie des heiligen Johannes Chrysostomos vor dem Schleierbild des "Heiligen Gesichts" gefeiert haben, das dort über 300 Jahre lang in einer Seitenkapelle der Michaelskirche verborgen wurde, bis es  im Jahr 1923 nach dem großen Erdbeben von 1915 erstmals  in einem neu errichteten Aufbau über dem Hauptaltar öffentlich ausgestellt wurde, wo es seitdem Tag für Tag verehrt werden kann.  

Zehn Jahre nach dem Besuch Papst Benedikt XVI. am 1. September 2006 in diesem Heiligtum war jetzt der Besuch dieser gemischten orthodoxen Synode mit ihren lateinischen Brüdern das bedeutendste Ereignis im Prozess der Wiederentdeckung dieser geheimnisvollen Urikone Christi, die in Konstantinopel lange als "Hagion Mandylion" verehrt wurde, nachher in Rom  als "Sanctissimum Sudarium" galt,  bevor der Schleier  dort auch noch "Sancta Veronica Ierosolymitana" genannt wurde.

Jetzt waren es Metropoliten und Bischöfe des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel (aus Finnland, Estland, Kreta, Patmos, Malta, Großbritannien, Amerika, Australien,  dem Exarchat  der Philippinen, aus Europa und vom Berg Athos) und Patriarchen, Metropoliten und Erzbischöfe  von Alexandria ,  Antiochia, Damaskus, Jerusalem, der autonomen Kirche vom Berg Sinai,  und den orthodoxen Kirchen Rußlands,  Georgiens, Serbiens, Zyperns, Rumäniens, Griechenlands Polens, Albaniens, Tschechiens und der Slovakei, die vor das heilige Antlitz traten und Eucharistie feierten. Nur die bulgarische Kirche hatte keinen Vertreter geschickt. Die Wechselgesänge der wundervollen Liturgie waren in Italienisch, Russisch, Griechisch, Englisch, Rumänisch und Französisch. Metropolit Job Getcha von Telmessos, der dem Gottesdienst  als Vertreter des ökumenischen Patriarchen Bartholomäus aus Konstantinopel vorstand, rühmte in seiner Homilie auf Englisch das "nicht-von-Menschenhand-geschaffene Abbild Christi" von Manoppello, das nach einigen Gelehrten mit dem Soudarion aus dem Auferstehungsevangelium des Johannes identisch sei, während  eine andere Tradition daran festhalte, dass  eine gewisse Veronika mit diesem Schleier das Gesicht Jesu auf dessen Kreuzweg abgewischt habe, auch wenn sie nicht in den kanonischen  Evangelien, sondern nur in den apokryphen "Pilatus-Akten" erwähnt werde.

Erzbischof Bruno Forte aus dem nahen Chieti weiß, dass sich in dem Schleier weder Blutspuren noch irgendwelche Farbreste finden lassen. Jetzt war es seine Idee und Initiative gewesen, die Bischöfe vor das Antlitz Christi zu führen, das er gern als  "Polarstern der Christenheit" rühmt. Er hat die Gruppe nach Manoppello eingeladen und den Teilnehmern im Reisebus von seinem Bischofsitz in Chieti bis zu dem Heiligtum eine gelehrte Einführung in das Schleierbild Christi gegeben.

In Chieti hatten alle Pilger zuvor als Teilnehmer in der 14. Vollversammlung einer gemischten Internationalen Kommission für den theologischen Dialog zwischen Katholiken und Orthodoxen teilgenommen und ein Dokument mit dem Titel "Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Verständnis von Synodalität und Primat im Dienst an der Einheit der Kirche" diskutiert. Es war eine Debatte, die in der vorangegangenen Plenarsitzung in der jordanischen Haupstadt Amman 2014 begonnen hatte und  2015 in Rom weitergeführt worden war. Die Kommission ist das offizielle Organ des theologischen Dialoges zwischen Katholiken und Orthodoxen. Sie wurde 1979 gegründet und vereint 14 autokephale orthodoxe Kirchen, die jeweils von zwei Theologen vertreten werden, die meist Bischöfe sind, sowie verschiedene katholische Vertreter. Und nun folgte dieselbe Gruppe quasi auf einem synodalen Pilgerweg also jenem ersten spektakulären Schritt auf das Gesicht Christi zu, den Benedikt XVI. vor zehn Jahren gegen viele Widerstände als erster Papst nach über 400 Jahren unternommen hatte.

Dessen Nachfolger Papst Franziskus hat danach - am 30. November 2014 auf dem Rückflug von Istanbul nach Rom - den mitreisenden Journalisten erklärt: "Vorsicht: die Kirche hat kein eigenes Licht. Sie muss auf Jesus Christus schauen! Auf diesem Weg müssen wir mutig vorangehen."  Und auf diesem Weg wurde die Göttliche Liturgie vor dem Göttlichen Gesicht an diesem Sonntag nun zu einem Meilenstein der Versöhnung auf dem Weg zur Einheit. Schwerer Regen war angekündigt. Doch es fielen schließlich nur einige Tropfen.

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"Beten Sie für die Christen im Nahen Osten, wenn Sie vor dem Volto Santo beten. Sie haben es unsagbar schwer, " sagte ein orientalischer Bischof nach dem Schlusssegen der deutschen Schwester Petra-Maria Steiner, die in Manoppello  viele Pilger in das Geheimnis vom Licht dieses Lichtbilds einführt. Zuvor hatte Anatoliy Grytskiv, der Protopresbyter von Chieti, zum Abschluss der Feier in einer leidenschaftlichen Bilanz auf italienisch noch das "Wunder" dieser Begegnung gepriesen.

Und wie geht es nun weiter? "Wir haben heute der Barmherzigkeit Gottes ins Gesicht geschaut", sagte Kurienkardinal Koch nach der Feier zuversichtlich gegenüber CNA vor dem Hauptportal der Basilika. "Wohl nur im Blick auf das Antlitz des Erlösers kann Einheit entstehen. Aber es bleibt gewiss schwer. Denn es ist ja wie bei einer Scheidung, wenn man sich lange auseinandergelebt hat. Auch da ist es schwer, wieder zusammen zu kommen. Hier aber stehen tausend Jahre Trennung zwischen uns."

"Ja, aber zum Glück heißt es in der Heiligen Schrift: Tausend Jahre sind vor Gott wie ein Tag," kommentierte Schwester Petra-Maria die nüchterne Skepsis des Kardinals mit einem Lächeln. "Vielleicht beginnt ja jetzt der neue Tag der Einheit. Bei Gott ist doch nichts unmöglich. Vielleicht haben wir heute das Morgenrot dieses neuen Tages gesehen. So hauchdünn und zart das Volto Santo ist, so zart ist jetzt auch dieser neue Anfang, aus dem das Neue kommen kann."

Wäre es so, hätte das Bild Christi an diesem Sonntag jenen Abgrund tatsächlich kurz überbrückt, den unzählig viele Worte zwischen Ost und West aus dem Urgrund der Christenheit als einen Grand Canyon herausgespült haben wie ein urzeitlicher Fluss.

In der Tiefe aber greift dieses heilige "Schweißtuch" ja vielleicht auch noch heilend in den uralten" Filioquestreit" um das erste Wort der Trennung ein. Denn wenn der Schleier, wie Johannes schreibt, im Grab Christi auf dem Gesicht des Herrn gelegen hat, muss es ja auch den ersten Atemzug des Auferstandenen aufgenommen haben, als der heilige Geist Gottes Jesus Christus von den Toten auferweckte - als jener Geist, der Herr ist und lebendig macht und der aus dem Vater und dem Sohn hervor geht.

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