Vatikanstadt - Freitag, 22. November 2019, 14:40 Uhr.
Der Kardinalstaatssekretär des Vatikans, Pietro Parolin, hat erklärt, er sei verantwortlich für das umstrittene Darlehen für den Kauf eines bankrotten Krankenhauses. Er sei es auch gewesen, der mit dem emeritierten Erzbischof von Washington, Kardinal Donald Wuerl, einen Zuschuss der Papal Foundation koordinierte, um dieses Darlehen zu decken – zu einem Zeitpunkt, an dem es schon nicht mehr bezahlt werden konnte.
Kardinal Pietro Parolin äußerte sich gegenüber der englischsprachigen CNA. Er teilte mit, er habe sich "gezwungen" gefühlt, das Problem anzusprechen, "um eine Kontroverse zu beenden, die unserem Dienst am Herrn, an der Kirche und für den Papst Zeit und Ressourcen raubt, und die zudem das Gewissen vieler Katholiken beunruhigt."
"Die Tätigkeiten, die mit dem IDI zu tun haben, die können sie mir zuschreiben", sagte der Kardinal am 19. November gegenüber CNA. Er betonte, dass seine Handlungen in Bezug auf das Istituto Dermopatico dell'Immacolata (IDI) legal und transparent gewesen seien.
Der Kardinal gab an, er persönlich habe im Jahr 2014 einem Darlehen der Güterverwaltung des Heiligen Stuhls (Administratio Patrimonii Sedis Apostolicae, kurz APSA) in Höhe von 50 Millionen Euro zugestimmt, um teilweise den Kauf des bankrotten IDI zu finanzieren.
Das IDI wurde 2015 gemeinsam gekauft, in einer Verbindung aus dem Staatssekretariat des Vatikans und der Ordensgemeinschaft. Der Orden verwaltete das Krankenhaus, das 800 Millionen Euro Schulden hatte; aufgrund dessen waren einige der früheren Verwalter wegen systematischen Betrugs und Unterschlagung strafrechtlich verfolgt und inhaftiert worden.
Obwohl Kardinal Parolin erklärte, die Vereinbarung sei "mit guten Absichten und ehrlichen Mitteln durchgeführt worden", wird das Darlehen der APSA wahrscheinlich von der europäischen Bankenaufsichtsbehörde geprüft werden, da die Vatikanbank 2012 gegen internationale regulatorische Vereinbarungen verstoßen habe, die verbieten, dass die APSA gewerbliche Kredite vergibt.
Die regulatorischen Vereinbarungen waren das Ergebnis einer Inspektion vor Ort gewesen, die Moneyval, der Expertenausschusses des Europarates für die Bewertung von Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, durchgeführt hatte. Sie verbieten der APSA gesetzlich, Dienstleistungen für Personen anzubieten oder an kommerziellen Transaktionen teilzunehmen.
Kardinal Parolin teilte auch mit, er habe persönlich mit Kardinal Wuerl einen Plan ausgearbeitet, um von der Papal Foundation Mittel zur Deckung des APSA-Darlehens zu beantragen.
Die Beantragung einer Subvention in Höhe von 25 Millionen Dollar bei der Papal Foundation war ein Versuch, die uneinbringlichen Schulden der APSA zu tilgen, bevor die Vereinbarung weitere Aufmerksamkeit auf sich zog und klar wurde, dass das bankrotte und verschuldete Krankenhaus sein Darlehen nicht bezahlen konnte.
Kardinal Wuerl hatte dem Direktionsausschuss der Papal Foundationjedoch mitgeteilt, dass die Mittel dazu dienen sollten, das IDI durch die Deckung kurzfristiger Betriebsverluste vor der Schließung zu bewahren. Die Laien des Stiftungsrates stellten in diesem Zusammenhang mehrere Fragen dahingehend, ob das Geld wirklich zur Deckung eines Betriebsverlustes des Krankenhauses bestimmt sei, oder ob man versuche eine uneinbringliche Schuld der APSA zu decken.
Die Treuhänder und Spender der Papal Foundation äußerten sich skeptisch zum geforderten Betrag, der viel höher war, als ihre sonstigen Zahlungen, bei denen es sich normalerweise um eine Spende von bis zu einigen hunderttausend Dollar für Wohltätigkeitsorganisationen auf der ganzen Welt handelt, die der Heilige Stuhl auswählt.
Nachdem das Direktorium das Darlehen abgelehnt hatte, schrieb der damalige Kardinal Theodore McCarrick, der zu dieser Zeit auch selbst Mitglied des Direktoriums war, es sei für die Papal Foundation "unverantwortlich und sehr schädlich" Bedenken zu äußern. Gegen McCarrick, den Papst Franziskus aus dem Klerikerstand entließ, wurde bereits wegen sexuellen Missbrauchs ermittelt, als er in dieser Angelegenheit einschritt.
Trotz der Einwände wurde der Zuschuss vom Vorstand der Papal Foundation in geheimer Abstimmung genehmigt. Quellen aus der Stiftung teilten CNA mit, dass die Mitglieder des Direktoriums der Meinung sind, dass alle kirchlichen Mitglieder bis auf eines zugunsten des Darlehens gestimmt hätten, während alle Laienmitglieder bis auf eines gegen die Genehmigung des Zuschusses gestimmt hätten.
Für die Übermittlung der Gelder wurden anfänglich zwei Raten nach Rom gesandt, Ende 2017 und Anfang 2018, in einer Höhe von insgesamt 13 Millionen Dollar. Nachdem interne Meinungsverschiedenheiten über die Subvention öffentlich gemacht worden waren, sagte Kardinal Wuerl, er würde den Vatikan bitten, den Antrag zu stornieren und die Gelder zurückzugeben.
Anfang 2019 schrieb Kardinal Parolin an das Direktorum, dass die 13 Millionen Dollar als Darlehen eingestuft würden und nicht als Subvention und dass man sie als Kredite gegen zukünftige Subventionsanträge zahlen würde.
Als das Geld der Subventionen stockte, sah sich die APSA gezwungen, 30 Millionen der 50 Millionen Euro des Darlehens zu canceln. Dadurch wurden die Gewinne des Finanzinstituts für das Geschäftsjahr 2018 zunichte gemacht.
Erzbischof Nunzio Galantino, Leiter der APSA, erkannte das Darlehen und seine Kündigung im September an, obwohl es der APSA rechtlich untersagt ist, Darlehen zur Finanzierung von kommerziellen Transaktionen gewähren.
Nach der Veröffentlichung eines Buches am 21. Oktober, das behauptete, der Vatikan sei quasi insolvent, machte Bischof Galatino das Darlehen dafür verantwortlich, dass die APSA zum ersten Mal in ihrer Geschichte keinen Gewinn verbuchen konnte.
Kardinal Parolin beantwortete in dieser Woche die Fragen von CNA, nachdem sich Kardinal Angelo Becciu - den man als die treibende Kraft sowohl für die Organisation des Darlehens als auch für das Drängen auf einen Zuschuss der Papal Foundation bezeichnet hatte - mit CNA in Verbindung gesetzt hatte, um seine Teilnahme an dieser Angelegenheit zu bestreiten.
Kardinal Becciu erklärte gegenüber CNA, für beide Angelegenheiten sei Kardinalstaatssekretär Parolin "zuständig" gewesen.
Kardinal Becciu teilte CNA Anfang dieses Monats ebenfalls per SMS mit, dass er nichts über das APSA-Darlehens gewusst hätte - erst nachdem es bereits vereinbart worden war - und dass er nicht an der Forderung einer Subvention von der Papal Foundation beteiligtFoundation beteiligt gewesen wäre
Das Darlehen, das die APSA im Jahr 2014 verfügt hatte, wurde trotz schwerwiegender Einwände von Kardinal George Pell gewährt, dem damaligen Präfekten des Wirtschaftssekretariats, der von Papst Franziskus beauftragt worden war, die finanzielle Verantwortung für die Kurie zu übernehmen.
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CNA hatte zuvor auch berichtet, dass das Istituto per le Opere die Religione (in der Abkürzung IOR, auf deutsch "Institut für die religiösen Werke" und gemeinhin Vatikanbank genannt) ein Veto gegen die Bitte um ein Darlehen zu demselben Zweck abgelehnt hatte, nachdem dessen Präsident Jean-Baptiste Douville de Franssu und Kardinal Pell beschlossen hatten, dass das IDI unrentabel sei und dass das Geld nie zurückgezahlt werden würde.
Obwohl Kardinal Parolin die Verantwortung für die Maßnahmen hinsichtlich des IDI übernahm, äußerten mehrere Beamte des Vatikans, dass Kardinal Becciu an der Organisation des Darlehens und der Subvention der Papal Foundation beteiligt gewesen war.
Zu diesen Bemühungen gehörte ein Besuch des Sekretärs der APSA, Pfarrer Mauro Rivella, bei McCarrick in Washington, kurz nachdem der Antrag für den Zuschuss gestellt worden war. Dieser Besuch fand statt, bevor der damalige Kardinal McCarrick die Mitglieder des Direktoriums drängte, den Zuschuss zu genehmigen, und nachdem die Ermittlungen in Bezug auf das sexuelle Fehlverhalten des nunmehr ehemaligen Priesters begonnen hatten.
Trotzdem bestand Kardinal Parolin darauf, dass "Kardinal Becciu, soweit ich weiß, in dieser Angelegenheit keine Rolle gespielt hat."
Die persönlichen Beziehungen Kardinal Beccius zum IDI reichen jedoch mindestens bis in die Zeit seiner Ernennung zum Substitut des Vatikanischen Staatssekretariats im Jahre 2011 zurück.
Kurz nachdem Kardinal Becciu sein Amt im Staatssekretariat übernommen hatte, kontaktierte er den Priester Franco Decaminada, damals Präsident des IDI, um Unterstützung für seinen Vorschlag zu erhalten, dass das Staatssekretariat dem IDI 200 Millionen Dollar zur Verfügung stelle, scheinbar um die Übernahme eines anderen Krankenhauses durch das IDI zu finanzieren, das bereits in die Insolvenz taumelte.
Decaminada wurde später wegen Diebstahls und Betrugsverhaftet, verurteilt und inhaftiert.
Im Oktober teilte Kardinal Becciu CNA mit, er erinnere sich nicht an diesen Vorschlag, obwohl mehrere italienische Medien darüber berichtet hatten. Ebenfalls im vergangenen Monat erklärte der Kardinal, dass sein Interesse und seine Teilnahme am IDI beendet wurde, als Kardinal Parolin zum Kardinalstaatssekretär ernannt wurde.
"Kardinal Parolin übernahm (2013) dieses Amt und ich kümmerte mich nicht mehr ums IDI", so Becciu zu CNA.
Als Kardinal Parolin die Verantwortung für das APSA-Darlehen und für die Forderung an die Papal Foundation übernahm, sagte er gegenüber CNA, dass die Interpretation dieser Vorgänge "seitens bestimmter Medien eine andere Sache ist; sie haben diese Aktivitäten als etwas nicht Transparentes, Irreguläres und sogar Illegales dargestellt. Das ist, soweit ich informiert bin, nicht die Wahrheit."
Neben dem APSA-Darlehen und dem Zuschuss der Papal Foundation habenFoundation haben weitere Aspekte im Zusammenhang mit dem IDI ernste Fragen aufgeworfen.
So hat der Vatikan, zusätzlich zum dem APSA-Darlehen, auch 30 Millionen Euro, die für das Kinderkrankenhaus Bambino Gesú bestimmt waren, zum Kauf des bankrotten IDI verwendet.
Dieses Geld wurde aus einer Spende von 80 Millionen Eurogenommen, welche die italienische Regierung für das erste medizinische Zentrum, das sogenannte "Krankenhaus des Papstes" getätigt hatte. Kardinal Giuseppe Versaldi hatte diese Aktion durchgeführt.
Zu dieser Zeit leitete der Kardinal die Partnerschaft, um das IDI zu kaufen, war Präsident der Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Apostolischen Stuhls und Delegierter des Vatikans zur Betreuung der italienischen Provinz der Kongregation der Söhne der Unbefleckten Empfängnis, denen das IDI gehört hatte, und die sich mit dem Vatikan zusammentaten, um es erneut zu kaufen.
Einige Telefonaufzeichnungen belegen, wie Kardinal Versaldi diesen Plan mit Giuseppe Profiti, dem Präsidenten des Krankenhauses Bambino Gesú, besprochen hat, und wie die beiden sich darauf geeinigt haben, die Gelder umzuleiten.
Kardinal Versaldi und Profiti bestritten später, sich falsch verhalten zu haben, und der Kardinal erklärte, er wollte nur den Papst mit den technischen Details der Bemühungen um die Rettung des IDI verschonen.
Kardinal Parolin bezog sich in seinen Aussagen gegenüber CNA auch auf die Aussagen Kardinal Beccius, der zu CNA gesagt hatte, dass er - wenn er auch nicht wisse, welche Beamten des Vatikans suggeriert hätten, dass er in die Aktivitäten rund um das IDI verwickelt gewesen wäre - glaube, dass er Opfer einer Kampagne der Desinformation sein könne, mit dem Ziel, seinen Ansehen zu beschmutzen. Kardinal Parolin ist nicht der Meinung, dass dies der Fall sei.
"Ich denke, das ist kein kuriales Thema. Auf jeden Fall habe ich mit derlei Aktivitäten nichts zu tun. Und wenn es derartige Aktivitäten gäbe, dann würde ich sie aufs Schärfste verurteilen" betonte er.
Ein Sprecher von Kardinal Donald Wuerl erklärte gegenüber CNA, der amerikanische Kardinal würde "keine Kommentare abgeben, außer die Tatsachen zu wiederholen, die hinsichtlich der Forderungen an die Papal Foundation bereits öffentlich erfasst sind."
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