Nach dem Freispruch Pells: Zivilrechtliche Klagen gegen Kardinal wahrscheinlich

Kardinal George Pell im Gespräch mit CNA am 25. Oktober 2016
CNA / Alan Holdren

Der Oberste Gerichtshof Australiens hat diese Woche einstimmig die Verurteilung von Kardinal George Pell wegen sexuellen Missbrauchs aufgehoben. Doch dem freigesprochenen Kardinal stehen nun voraussichtlich eine Reihe von Zivilklagen ins Haus.

Das berichtet die Catholic News Agency (CNA).

Der High Court hatte am 7. April Pells Verurteilung aus dem Jahr 2018 für den Missbrauch zweier Chorknaben aufgehoben. Doch der Vater eines der beiden mutmaßlichen Opfer in dem Strafverfahren - der inzwischen verstorben ist - verklagt die katholische Kirche mit der Aussage, dass der Missbrauch der Grund für die "plötzlichen Unruhen" seines Sohnes im Jahr 1996 war , so seine Anwältin Lisa Flynn.

Deshalb werde man trotz des Freispruchs eine Zivilklage anstrengen: Der Vater habe "unermesslich gelitten und beteuert, George Pell sei für die plötzliche Abwärtsspirale seines Sohnes verantwortlich gewesen, nachdem er ihn als jungen Chorknaben missbraucht hatte", so Flynn am 7. April laut CNA.

Das andere mutmaßliche Opfer, das vor Gericht als Zeuge "J" bezeichnet wird, und aufgrund dessen Aussage Pell zuerst verurteilt worden war, wird dagegen keine Zivilklage einreichen, sagte sein Anwalt gegenüber der Zeitung "The Guardian".

Dem Zeugen "J" zufolge entblößte sich Pell und zwang die beiden Chorknaben im Teenageralter zu sexuellen Handlungen an ihm, während der Kardinal fast unmittelbar nach der Messe in der Sakristei der Priester in der St. Patrick's Cathedral im Jahr 1996 bekleidet war. Dem gleichen Zeuge zufolge soll Pell ihn 1997 in einem Korridor sexuell "berührt" haben.

Gegen den 78-jährigen Pell, der stets seine Unschuld beteuert hat, wurden bereits früher Zivilklagen geführt.

Im März 2019 beschudligte ein Mann sowohl Pell als mehrere Nonnen, ihn als Jungen missbraucht zu haben, als er zwischen 1974 und 1978 in einem Heim in der Nähe von Melbourne lebte.

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In der Klage werden Pell, der Orden der Schwestern von Nazareth, der Bundesstaat Victoria und die Erzdiözese Melbourne beschuldigt, so "The Guardian". Das mutmaßliche Opfer fordert Schmerzensgeld sowie Erstattung von Lohnausfall und medizinischer Kosten.

In einer weiteren Klage, die im Juni 2019 eingereicht wurde, wurde Pell beschuldigt, an der Vertuschung eines mehrfachen Täters beteiligt gewesen zu sein: Er soll als bischöflicher Bildungsbeauftragter in der Diözese Ballarat von 1973 bis 1984 von Verbrechen des Ordensmannes Edward Dowlan gewußt haben und daran beteiligt gewesen sein, diesen von Schule zu Schule zu versetzen. Dowlan istzt bis heute hinter Gittern. Neben Pell werden in diesem Fall auch Bischof Paul Bird von Ballarat, Erzbischof Peter Comensoli von Melbourne sowie die Katholische Bildungskommission beschuldigt, berichtet die "Daily Mail".

Unklar ist derzeit, ob und wie der Vatikan das bereits angekündigte kirchenrechtliche Verfahren gegen Pell aufnimmt.

Pell hat bereits mehrfach bei Anhörungen der 2013 ins Leben gerufenen Australian Royal Commission ausgesagt, die sexuellen Missbrauch in alle Bereichen Australiens untersuchte. Dabei wurde der ehemalige Finanzchef des Vatikans wiederholt zum Umgang mit zivilrechtlichen Fällen befragt. "The Guardian" berichtet, dass die Ergebnisse der Kommission aufgrund von Gerichtsverfahren stark geschwärzt wurden, dass aber erwartet wird, dass die geschwärzten Ergebnisse "in den kommenden Wochen" veröffentlicht werden.

Kurz nachdem der Hohe Gerichtshof seine Entscheidung bekannt gegeben hatte, gab Erzbischof Mark Coleridge von Brisbane im Namen der australischen Bischofskonferenz eine Erklärung ab, in der es hieß, dass die Nachricht "von vielen begrüßt werden wird, auch von denen, die während dieses langwierigen Prozesses an die Unschuld des Kardinals geglaubt haben".

Aber, so Coleridge, das Ergebnis "ändert nichts am unerschütterlichen Engagement der Kirche für die Sicherheit von Kindern und für einen gerechten und mitfühlenden Umgang mit Opfern und Betroffenen sexuellen Missbrauchs".

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