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Kurienmitarbeiter Graulich: Man kann sein Geschlecht „nicht selbst bestimmen oder ändern“

Der Untersekretär des Vatikan-Dikasteriums für die Gesetzestexte, Markus Graulich SDB
Transgender-Symbol

Während die sogenannte „Gender-Theorie“ im politischen und gesellschaftlichen Diskurs immer mehr an Einfluss gewinnt, ist die Lehre der Kirche eindeutig. Ein Gespräch mit Kurienmitarbeiter Monsignore Markus Graulich SDB, dem Untersekretär des vatikanischen Dikasteriums für die Gesetzestexte, über Gender, Segnungsfeiern und das kirchliche Verbot von Geschlechtsumwandlungen.

Die Gender-Theorie wird immer einflussreicher. Was ist die offizielle Position der Kirche dazu?

Es gibt einige Bischofskonferenzen, die dieser Theorie sehr zugetan sind. Und es gibt andere Konferenzen, die sie nicht gutheißen. Der Vatikan jedoch blickt sehr kritisch auf die Gender-Theorie. Diese Kritik wird besonders in den zwei verschiedenen Worten deutlich, die in den vatikanischen Dokumenten verwendet werden. Dort spricht man einmal von der „Gender-Theorie“ und dann wieder von der „Gender-Ideologie“.

Und Papst Franziskus?

Papst Franziskus bezeichnet es normalerweise als „Ideologie“. In Dignitas infinita, dem jüngsten Dokument des Glaubens-Dikasteriums, ist am Anfang zum Beispiel noch von „Theorie“ die Rede, aber dann ändert es sich und das Ganze wird als „Gender-Ideologie“ bezeichnet.

Woher kommt die starke Ablehnung des Papstes?

Ich denke, wir müssen hier unterscheiden. Wenn ich eine Theorie vorstelle, bin ich offen für eine Diskussion. Aber diejenigen, die Gender als Konzept zum Verständnis der Menschheit vorschlagen, sind nicht diskussionsfähig. Das ist ein Kennzeichen für eine Ideologie. Es gibt einige einfache Fakten. Wir müssen unterscheiden zwischen dem Geschlecht, das jemand hat – auf Englisch „Sex“ –, und dem, was man als „Gender“ bezeichnet. „Sex“ ist biologisch-wissenschaftlich, „Gender“ dagegen besteht vor allem aus kulturellen Zuweisungen.

Das müssen Sie genauer erklären.

Ich verwende immer das Beispiel der Geburt eines Kindes. Die Geburt eines Kindes ist eine biologische Frage: Nur die Frau kann schwanger werden. „Wer wechselt die Windeln“ wiederum ist eine Zuweisung der Kultur und der Gesellschaft. Es gibt durchaus Unterscheidungen, die man machen kann, und solange man Diskussionsvorschläge einbringt, befindet man sich im Bereich der Theorie. Wenn man aber sagt, wie bei vielen Anhängern der Gender-Theorie leider zu beobachten ist, das hier ist die absolute Wahrheit und nichts anderes, ist man im Bereich der Ideologie.

Also was sagt die Kirche: Gibt es mehr als zwei Geschlechter?

Nein, es gibt nur zwei Geschlechter: männlich und weiblich. Papst Franziskus unterstreicht immer wieder, dass die beiden Geschlechter in einer Gegenseitigkeit geschaffen sind. Sie haben ihre eigenen Gaben, ihre eigenen Talente, die sich gegenseitig ergänzen, um das Ebenbild Gottes zu formen. Denn das Ebenbild Gottes ist nicht nur männlich oder weiblich, sondern es ist beides. Papst Franziskus ist es wichtig zu betonen, dass man diesen Unterschied nicht einfach beseitigen kann. Man kann nicht sagen, ich bin ein Mann, aber am nächsten Tag bin ich eine Frau und dann verwandle ich mich zurück. Es ist sehr schön ausgedrückt in Dignitas Infinita, dem neuen Dokument des Dikasteriums für die Glaubenslehre, dass dieses Herumspielen an der eigenen Geschlechtlichkeit der Würde des Menschen widerstrebt, weil es ein Herumspielen am Geschenk unseres Schöpfers wäre.

Gut, also momentan sagt die Kirche, es gibt nur zwei Geschlechter. Aber ist es nicht möglich, dass sich die Lehre der Kirche ändern muss, falls neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu diesem Thema auftauchen?

Ich kann die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse natürlich nicht voraussehen. Aber soweit ich die Diskussion verfolge, ist die sogenannte Gender-Theorie auch im Bereich der Biologie weniger ein Forschungsgegenstand, sondern bedient eher einen soziokulturellen Ansatz.

Im Jahr 2023 erklärte die Kirche, dass auch Transgender-Personen das Sakrament der Taufe empfangen können, solange dies keinen „Skandal“ und keine „Verwirrung“ verursacht. Was genau bedeutet das?

Wir müssen ein wenig zurückgehen. Wenn wir davon ausgehen, dass die Taufe für die Erlösung notwendig ist, dann sollten wir niemanden von der Taufe ausschließen. Die Glaubenslehre besagt also, dass jeder Mensch das Recht hat, getauft zu werden, wenn die nötigen Voraussetzungen gegeben sind.

Welche Voraussetzungen?

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Es muss zum Beispiel die Garantie bestehen, dass der Getaufte auch im Glauben erzogen wird, unabhängig von seinem Geschlecht oder seiner Orientierung oder was auch immer. Das ist also die Grundlage.

Aber wie könnte die Taufe einer Transgender-Person für einen Skandal sorgen?

Es könnte sein, dass jemand die Taufe einer transsexuellen Person dafür nutzt, um eine große politische Sache daraus zu machen. Wenn die Taufe für (kirchen-)politische Zwecke ausgeschlachtet wird, dann sorgt das natürlich für einen Skandal unter den Gläubigen.

Das Dikasterium für die Glaubenslehre hat im Dezember 2023 offiziell die Segnung von Menschen mit gleichgeschlechtlicher Anziehung erlaubt, allerdings unter ganz bestimmten Bedingungen. Gibt es eine Statistik, wie viele Menschen davon bereits Gebrauch gemacht haben?

Nein, darüber weiß ich nichts. In Deutschland haben einige ja schon vor zwei oder drei Jahren versucht, eine große Aktion daraus zu machen, aber sie hatten Schwierigkeiten, überhaupt homosexuelle Paare zu finden, die sich segnen lassen wollten.

Also auch, wenn Sie jetzt keine Statistik vorliegen haben, gab es nach Ihrer Kenntnis bislang keinen großen Ansturm auf das Segensangebot.

Nein. Es waren wohl vorwiegend heterosexuelle Paare, die nicht in der Kirche heiraten können, die diese Segensfeier in Anspruch genommen haben.

Als das Glaubensdikasterium kurz vor Weihnachten das Dokument Fiducia supplicans veröffentlicht hat, in dem die Segnung offiziell erlaubt wurde, wurde ja betont, dass es um die Segnung der Personen, nicht jedoch um die Segnung von „irregulären Beziehungen“ geht …

Ja, der Ansatz des Dikasteriums für die Glaubenslehre ist ein sehr interessanter Ansatz. Denn wie Papst Franziskus kürzlich sehr deutlich gemacht hat, handelt es sich nicht um eine Segnung für Paare, sondern für Einzelpersonen. Das ist in dem Dokument nicht so klar, aber der Papst hat das nun klargestellt. Und die andere Sache ist, dass Franziskus immer betont, dass diese Personen den Segen erhalten, um besser nach den Werten des Evangeliums zu leben und Gottes Willen für ihr Leben zu finden. Es wird also nicht gesagt, dass die homosexuelle Aktivität gesegnet ist, sondern die Person, die nach dem Willen Gottes in seinem Leben sucht. Und so könnte dieser Segen auch dazu führen, dass man auf der Suche nach dem Willen Gottes und den Werten des Evangeliums auf homosexuelle Handlungen verzichtet. Fiducia supplicans ist ein sehr interessantes und durchdachtes Dokument, und wir sollten es nicht auf den „15-Sekunden-Segen“ reduzieren. Man muss alle Konsequenzen in Betracht ziehen.

In dem neuen Dokument Dignitas infinita bezieht die Kirche auch Stellung zum Thema Geschlechtsumwandlung. Darin heißt es: „Zugleich sind wir berufen, unser Menschsein zu behüten, und das bedeutet vor allem, es so zu akzeptieren und zu respektieren, wie es erschaffen worden ist. Daraus folgt, dass jeder geschlechtsverändernde Eingriff in der Regel die Gefahr birgt, die einzigartige Würde zu bedrohen, die ein Mensch vom Moment der Empfängnis an besitzt“. Wie ist das zu verstehen?

Das bedeutet, dass die Kirche gegen solche Operationen ist, wenn es darum geht, jenes Geschlecht zu „ändern“, das ich phänotypisch oder aufgrund meiner Chromosomen habe. Das geht nicht. Gleichzeitig unterstreicht Dignitas infinita, dass eine Operation erlaubt ist, wenn es darum geht, Anomalien an den Genitalien zu korrigieren. Das ist aber keine „Geschlechtsumwandlung“. Die Würde des Menschen besteht ja darin, dass man sich nicht selbst erschaffen kann; man kann sich nicht selbst zum Leben erwecken. Und so kann man auch sein Geschlecht nicht selbst bestimmen oder ändern. Es wird einem zugewiesen und es ist Teil meiner Würde, dass ich damit lebe.

Nun ist es mit Verboten und lehramtlichen Dokumenten alleine nicht getan. Wie sollte die Kirche jenen Menschen in der Pastoral begegnen?

Dazu gibt es verschiedene Ansätze. Es gibt einen katholischen Ansatz. Der würde bedeuten, dass Sie jeden willkommen heißen, der zu Ihnen kommt, um pastorale Beratung zu erhalten oder um am sakramentalen Leben der Kirche oder am Leben der Pfarrgemeinde teilzunehmen. Nehmen Sie diese Menschen an, begleiten Sie sie! Erklären Sie ihnen die Werte des Evangeliums und das, was Gott uns gegeben hat! Einige Priester dagegen verfolgen einen radikaleren Ansatz, indem sie an sogenannten „Gay Pride Festivals“ teilnehmen, usw. Ich denke, das ist der falsche Ansatz.

Warum?

Damit heiße ich einen Lebensstil gut, der kein katholischer Lebensstil ist. Es besteht die Gefahr eines Missverständnisses. Es ist nämlich ein großer Unterschied, ob ich jemanden wirklich unterstütze und pastoral begleite, oder ob ich mich von einer Bewegung vereinnahmen lasse, die die ganze Sache politisiert.

Also was raten Sie den Gläubigen?

Akzeptieren Sie die Menschen und sprechen Sie mit Ihnen über ihre Erfahrungen. Hören Sie ihnen zu. Und wenn Sie dann im Laufe des Gespräches an einen Punkt kommen, in dem Sie über Ihren Glauben sprechen können, dann tun Sie das.

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