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Gerichtsprozess in Pforzheim: Ist Beten vor einer Beratungsstelle erlaubt?

Gebet
Felix Böllmann, Rechtsanwalt und Menschenrechtsexperte bei ADF International.

Vor dem Karlsruher Verwaltungsgericht wird am heutigen Mittwoch die Klage der Lebensschutzorganisation "40 Tage für das Leben" verhandelt. Weil sich die Unterstützer der auf Anweisung der Stadt nicht direkt in der Näher einer Abtreibungseinrichtung von "Pro Familia" in Pforzheim aufhalten durfte, sieht Pavica Vojnović, die Leiterin der Gruppe, ein "Gebetsverbot".

Die Lebensrechtlerin wird von Alliance Defending Freedom (ADF) International unterstützt. Rechtsanwalt Felix Böllmann ist als Menschenrechtsexperte bei ADF International tätig.

CNA Deutsch sprach mit ihm über den heutigen Prozess.

Herr Böllmann, Sie vertreten die Gruppe "40 Tage für das Leben" heute vor dem Verwaltungsgericht in Karlsruhe. Die Gruppe setzt sich für das Lebensrecht von Ungeborenen ein und hat unter anderem eine Mahnwache vor einer Abtreibungsklinik abgehalten. Worum geht es bei der Verhandlung?

ADF International unterstützt die Klägerin, Frau Pavica Vojnović. Bei ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe, das heute Corona-bedingt ausnahmsweise im Bürgersaal in Pforzheim die müdliche Verhandlung abhält, treten wir aber nicht als ihr Prozessvertreter auf. Das macht ein deutscher Anwalt.

In dem Verfahren geht es um eine Auflage der Stadt, wonach die Mahnwache nicht in Sicht- und Hörweite der Abtreibungsorganisation durchgeführt werden darf. Dies war mehrere Jahre lang kein Problem. Auch die Rechtsabteilung der Stadt hatte zunächst den Standpunkt - wie interner Schriftwechsel belegt -, dass dies zu gestatten sei. Erst auf massive Intervention der Abtreibungsorganisation hin und nachdem im Bundesland Hessen sogar "Bannmeilen" um Abtreibungsberatungsstellen installiert wurden, hat die Stadt Pforzheim diese Auflage gemacht.

In dem Verfahren geht es darum, die Rechtswidrigkeit dieser Auflage festzustellen und das Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit und die freie Religionsausübung zu sichern.

Die Gruppe "40 Tage für das Leben" hat nach eigenen Angaben Frauen aber nicht am Zutritt zur Klinik gehindert, sondern vor der Pro-Familia-Einrichtung lediglich eine Mahnwache mit Plakaten abgehalten. Ist das nicht vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt?

Bei den Mahnwachen geht es darum, zu beten und zugleich ein stilles Zeichen der Unterstützung zu setzen - für das ungeborene Leben und für Frauen in schwieriger Lage. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Versammlung halten Transparente, die auf das Lebensrecht auch ungeborener Kinder hinweisen, und beten still den Rosenkranz. Der Zugang zur Beratungsstelle wird nicht blockiert, und es wird auch niemand angesprochen.

Selbstverständlich antworten die Versammlungsteilnehmer auf Fragen, falls sie ihrerseits angesprochen werden. Bei einer Kontrolle durch die Polizei bei früheren Versammlungen wurden keine Verstöße festgestellt.

Dieses Verhalten ist vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit garantiert. Ebenso garantiert das Recht auf Meinungsfreiheit, seine Meinung kund zu tun, und ebenso garantiert es zum Beispiel Passanten, sich zu informieren. Ein Verbot verhindert beides – zu Unrecht! Schließlich gestattet die Religionsausübungsfreiheit auch das Gebet an praktisch jedem Ort. Einschränkungen bedürften einer Rechtfertigung, die hier nicht vorliegt.

Wie rechtfertigt die Stadt Pforzheim ihr Eingreifen? 

Die Stadt Pforzheim hat die Gebetsmahnwache während der Öffnungszeiten an einen Ort außerhalb der Sicht- und Hörweite der Abtreibungsorganisation verbannt. Sie beruft sich dabei auf eine angebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Schwangeren, die die Abtreibungsberatungsstelle aufsuchen.

Halten Sie das für rechtens?

Diese Argumentation ist so nicht nachvollziehbar. Es fällt auf, dass die pauschale und unbewiesene Behauptung der Geschäftsleitung der Abtreibungsorganisation, Frauen seien belästigt worden, als Grundlage für die Einschränkung dient. Ungeachtet der rechtlichen Argumentation mangelt es also bereits an einer faktischen Grundlage für das Verbot.

Auch andere Lebensrechtsorganisationen berichten von zunehmenden Repressionen bei der Ausübung von Demonstrationen. In Deutschland tritt mit den "Grünen" gar eine Partei zum Bundestagswahlkampf an, die in ihrem Wahlprogramm ein Verbot von "Gehsteigberatungen" und die Unterbindung von Mahnwachen vor Abtreibungseinrichtungen ankündigen. Beobachten Sie diese Entwicklungen mit Sorge?

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Wir beobachten die Entwicklung. Zu einem pluralistischen, demokratischen Gemeinwesen gehört der freie Wettbewerb der Ideen und so ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass ein freier und offener Austausch der verschiedenen Meinungen stattfindet. Uns ist dabei ganz wichtig, dass die rechtsstaatlichen Grundsätze gewahrt bleiben, dass Chancengleichheit herrscht, und dass die Gesellschaft gerade denen, die ihres Schutzes in besonderer Weise bedürfen, nicht die kalte Schulter zeigt, sondern Wege aus der Not weist. Dort, wo einseitig Einfluss genommen wird, dort, wo Schwache benachteiligt werden, sind wir besonders wachsam.

Die Meinungs- und Glaubensfreiheit genießen in Deutschland durch das Grundgesetz und die Europäische Menschenrechtskonvention starken Schutz. Freiheit muss wahrgenommen werden, und dazu möchten wir ausdrücklich ermutigen. Und das tun Frau Vojnović und die Mitglieder der Gruppe "40 Tage für das Leben". Wir erwarten, dass das Verwaltungsgericht ihrem Recht zum Durchbruch verhilft. Hoffnung dazu gibt es: Erst im vergangenen Jahr hat ein Verwaltungsgericht in Regensburg in einem ähnlichen Fall für die Freiheit entschieden.

Im Übrigen ist es ist bedauerlich, dass auf dem Rücken besonders verletzlicher Menschen – der ungeborenen Kinder und schwangerer Frauen in Notlagen – Politik gemacht wird. Schließlich geht es um konkrete Menschen! Unsere Gesellschaft sollte mehr für sie tun und bessere Hilfen anbieten, als ausgerechnet die Ausweitung von Abtreibung voranzutreiben.

Unsere Rechtsordnung setzt – nach Intervention des Bundesverfassungsgerichts – der Abtreibung enge Grenzen und ist in erster Linie dem Lebensschutz verpflichtet.

Sollte das Gericht zugunsten der Stadt Pforzheim entscheiden, wie werden Sie dann weiter vorgehen? Befürchten Sie, dass eine solche Entscheidung als Präzedenzfall Schule machen könnte? 

Es wird sich zeigen, wie der Prozess weitergeht und welche verfahrensleitende Verfügung das Verwaltungsgericht trifft. Aufgrund der für beide Seiten grundsätzlichen Bedeutung der Sache rechnen wir eher nicht damit, dass der Rechtsstreit bereits in der ersten Instanz eine abschließende Klärung findet. Frau Vojnović ist fest entschlossen, sich für das Leben stark zu machen. Sie hat einen langen Atem.

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