Die Frage „Was dürfen wir hoffen?“ ist philosophischer Art und geht auf Immanuel Kant zurück. Über den Königsberger Aufklärungsphilosophen denkt Benedikt XVI. in der Enzyklika „Spe salvi“ nicht nach, sondern über Hoffnungsweisen und Hoffnungsarten, über die „wahre Gestalt der christlichen Hoffnung“. Im materiellen Bereich gebe es „addierbaren Fortschritt“, Erfindungen, die auf durchaus ambivalente Weise zu einer wachsenden „Beherrschung der Natur“ führen können. Das gelte nicht für den Bereich der Moral, „aus dem einfachen Grund, weil die Freiheit des Menschen immer neu ist und ihre Entscheide immer neu fällen muß. Sie sind nie einfach für uns von anderen schon getan – dann wären wir ja nicht mehr frei“: „Freiheit bedingt, daß in den grundlegenden Entscheiden jeder Mensch, jede Generation ein neuer Anfang ist. Sicher können die neuen Generationen auf die Erkenntnisse und Erfahrungen derer bauen, die ihnen vorausgegangen sind, und aus dem moralischen Schatz der ganzen Menschheit schöpfen. Aber sie können ihn auch verneinen, weil er nicht dieselbe Evidenz haben kann wie die materiellen Erfindungen. Der moralische Schatz der Menschheit ist nicht da, wie Geräte da sind, die man benutzt, sondern ist als Anruf an die Freiheit und als Möglichkeit für sie da.“ 

Strukturen könnten das „Gutsein der Welt“ nicht absichern. Sie würden auch nur tauglich sein und helfen, wenn „in einer Gemeinschaft Überzeugungen lebendig sind, die die Menschen zu einer freien Zustimmung zur gemeinschaftlichen Ordnung motivieren können“: „Freiheit braucht Überzeugung; Überzeugung ist nicht von selbst da, sondern muß immer wieder neu gemeinschaftlich errungen werden.“ Wir sehen das in diesen Tagen in Deutschland etwa bei den Plänen der Bundesregierung im Bereich des Lebensschutzes, in welchen sich ein in sich falsches, säkulares Verständnis von Freiheit ausdrückt.

Benedikt XVI. schreibt indessen: „Die Freiheit muß immer neu für das Gute gewonnen werden. Die freie Zustimmung zum Guten ist nie einfach von selber da. Gäbe es Strukturen, die unwiderruflich eine bestimmte – gute – Weltverfassung herstellen, so wäre die Freiheit des Menschen negiert, und darum wären dies letztlich auch keine guten Strukturen. Das bedeutet: Das immer neue Ringen um die rechten Ordnungen der menschlichen Dinge ist jeder Generation auferlegt; es ist nie einfach zu Ende gebracht. Jede Generation muß freilich auch das Ihrige tun, daß sie überzeugende Ordnungen der Freiheit und des Guten einrichtet, die der nächsten Generation als Wegweisung zum rechten Gebrauch der menschlichen Freiheit helfen und insofern in aller menschlichen Beschränkung eine gewisse Gewähr auch für die Zukunft geben.“ 

Ein Irrtum sei zudem der Glaube der Neuzeit, dass der Mensch durch Wissenschaft erlöst werde. Auch heute erleben wir in einer schwierigen Situation die Neubelebung einer Wissenschaftsgläubigkeit, die nahezu grenzenlos anmutet. Benedikt bezeichnet die Absolutsetzung der Wissenschaft als falsch: „Mit einer solchen Erwartung ist die Wissenschaft überfordert; diese Art von Hoffnung ist trügerisch. Die Wissenschaft kann vieles zur Vermenschlichung der Welt und der Menschheit beitragen. Sie kann den Menschen und die Welt aber auch zerstören, wenn sie nicht von Kräften geordnet wird, die außerhalb ihrer selbst liegen.“

Er bekräftigt die anstößige Wahrheit des Glaubens: „Nicht die Wissenschaft erlöst den Menschen. Erlöst wird der Mensch durch die Liebe. Das gilt zunächst im rein innerweltlichen Bereich. Wenn jemand in seinem Leben die große Liebe erfährt, ist dies ein Augenblick der "Erlösung", die seinem Leben einen neuen Sinn gibt. Aber er wird bald auch erkennen, daß die ihm geschenkte Liebe allein die Frage seines Lebens nicht löst. Sie bleibt angefochten. Sie kann durch den Tod zerstört werden. Er braucht die unbedingte Liebe. … Wenn es diese unbedingte Liebe gibt mit ihrer unbedingten Gewißheit, dann – erst dann – ist der Mensch "erlöst", was immer ihm auch im einzelnen zustoßen mag. Das ist gemeint, wenn wir sagen: Jesus Christus hat uns "erlöst". Durch ihn sind wir Gottes gewiß geworden – eines Gottes, der nicht eine ferne "Erstursache" der Welt darstellt, denn sein eingeborener Sohn ist Mensch geworden, und von ihm kann jeder sagen: "Ich lebe im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat" (Gal 2, 20).“

Das ist unser Glaube, zu dem wir uns im Credo der Kirche bekennen. Säkular können wir viele Absichten, Pläne und Hoffnungen hegen, aber diese Hoffnungen zerfallen zu nichts, wenn wir uns nicht auf Gott hin ausrichten. Ein Leben ohne Gott bleibt „im letzten ohne Hoffnung“: „Wer von der Liebe berührt wird, fängt an zu ahnen, was dies eigentlich wäre: "Leben". Er fängt an zu ahnen, was mit dem Hoffnungswort gemeint ist, das uns im Taufritus begegnete: Vom Glauben erwarte ich das "ewige Leben" – das wirkliche Leben, das ganz und unbedroht, in seiner ganzen Fülle einfach Leben ist. Jesus, der von sich gesagt hat, er sei gekommen, damit wir das Leben haben und es in Fülle, im Überfluß, haben (vgl. Joh 10, 10), hat uns auch gedeutet, was dies heißt – "Leben": "Das ist das ewige Leben: dich erkennen, den einzigen wahren Gott und den du gesandt hast, Jesus Christus" (Joh 17, 3). Leben im wahren Sinn hat man nicht in sich allein und nicht aus sich allein: Es ist eine Beziehung. Und das Leben in seiner Ganzheit ist Beziehung zu dem, der die Quelle des Lebens ist. Wenn wir mit dem in Beziehung sind, der nicht stirbt, der das Leben selber ist und die Liebe selber, dann sind wir im Leben. Dann "leben" wir.“

Wir können auf vieles hoffen, was vordergründig wichtig erscheint, aber im Ganzen uns nicht tragen und halten wird. Wir können uns daran binden und uns darin verlieren. Dass diese endlichen Hoffnungen in Erfüllung gehen, dürfen wir nicht erwarten. Aber Christus ist der Grund unserer Hoffnung. Dass Er sein Wort hält bis ans Ende der Zeiten, darauf dürfen wir begründet hoffen. Diese Hoffnung ist das Fundament unseres Glaubens, der uns trägt und bewahrt, im Leben und im Sterben. 

Die Geistlichen Betrachtungen zu den Enzykliken Papst Benedikt XVI. finden Sie hier im Überblick.

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