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Mehr Nächstenliebe für Tiere als Menschen?

"Gottes- und Nächstenliebe verschmelzen: Im Geringsten begegnen wir Jesus selbst, und in Jesus begegnen wir Gott."(Aus: Papst Benedikt XVI., Enzyklika Deus Caritas Est)

Jetzt in der Vorweihnachtszeit ist es wieder soweit: Überall kann man spenden und Gutes tun. Das finde ich an sich im Sinne der Caritas wunderbar, aber irgendwie stört mich diese zeitliche Begrenzung. Und irgendwie beschleicht mich im übrigen Jahr oft das Gefühl, dass viel zu wenig auf die Mitmenschen geschaut wird. Und wenn ich gerade wieder die Medienberichte verfolge, in denen es um das Urteil zur Werbung für Abtreibung geht und mir die Kommentare der Leser durchlese, dann läuft mir ein kalter Schauer den Rücken runter. Wohltätigkeit ist hoch im Kurs, aber dann auch bitte politisch korrekt-ungeborenes Leben ist nicht eingeschlossen.

In einem meiner früheren Texte habe ich mich gefragt, was Menschen dazu bewegt, für Abtreibung zu sein und darin absolut nichts Falsches sehen. Mittlerweile glaube ich, dass wir grundsätzlich ein gesellschaftliches Problem damit haben, wie wir den Wert eines Menschen bemessen. Zuerst schaut jeder auf sich selber und den eigenen Profit, dann werden Menschen nach Produktivität und Leistungsfähigkeit eingestuft und dann fallen ganz viele durchs Raster. Dafür reicht es schon Mutter zu sein und sich um seine Kinder zu kümmern und somit keinen finanziell messbaren Mehrwert für die Gesellschaft zu leisten oder eben noch nicht geboren und somit noch nicht sichtbar/greifbar zu sein.

Ganz plakativ ist mir zu meinen Gedanken vor einigen Tagen der Schaukasten unserer Pfarrei ins Auge gesprungen. Bei uns im Ort kann man zu Weihnachten Bedürftigen eine Geschenkkiste zusammenstellen mit haltbaren Lebensmitteln und kleinen Überraschungen. Im Schaukasten hing wieder Werbung für diese Aktion mit einem Bild aus dem letzten Jahr. Darauf zu sehen eine schön verpackte Kiste mit der Aufschrift "Für eine Familie mit Hund". Darunter klein in Klammern "und mit Kleinkind". Ich musste fast ein bisschen lachen – einfach weil es so unstimmig war. Natürlich soll man sich auch verantwortungsvoll und artgerecht um Tiere sorgen, aber zeigt dieses Foto nicht, dass Menschen scheinbar weniger wert sind oder weniger zum Helfen anregen als Hundewelpen?

In einer Dokumentation über Rettungswageneinsätze bestätigen dies die Sanitäter, die berichten, dass hilfsbedürftige Menschen oft keine Beachtung oder Hilfe erfahren. Im Sommer werden hingegen zu Hauf Autoscheiben beherzt eingeschlagen, um Hunde aus der Hitze des Autos zu befreien. Viele Läden starten Aktionen, bieten kostenlos Futterstationen und Wasser für Tiere an, damit man sie gar nicht erst im Auto lässt.

Werden die gleichen Anstrengungen für Menschen erbracht? Gerade zu Weihnachten, wenn man sich klassisch die Herbergssuche von Maria und Josef vor Augen hält, kann man da ins Zweifeln geraten. Ich denke, dass diese Geschichte heute sehr aktuell ist. Wenn mir schwanger im Weihnachtsgottesdienst vor 3 Jahren niemand einen Sitzplatz anbietet, sondern darauf beharrt extra seit 45 Minuten seinen Platz gesichert zu haben und ich früher hätte kommen sollen, wenn Menschen Einbrüche in landwirtschaftliche Stallungen feiern, weil dort vermeintlich der Tierschutz in Gefahr ist, aber gleichzeitig Lebensschützer, die gegen Abtreibung demonstrierten, beschimpft und angegriffen werden, dann werde ich nachdenklich.

Während mir all diese Gedanken durch den Kopf gehen, sehe ich meine Töchter vor mir sitzen, die an das Gute im Menschen glauben, die sich auf ihr Schwesterchen freuen und an die Große, die ihre Centsammlung mit in die Kirche nimmt, um sie dort in den Klingelbeutel zu werfen. Kinder teilen ihre Welt in Schwarz und Weiß-in Gut und Böse ein. Kinder haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, der keine Grauzonen und keine Diskussion zulässt. Das ist für Eltern manchmal anstrengend, aber es ist auch bewundernswert mit welch unerschütterlicher Klarheit sie Regeln und Werte vertreten, die eigentlich dem gesunden Menschenverstand entspringen müssten. Die Krux daran ist natürlich, dass man nicht allen Menschen helfen kann oder überall Gutes tun kann, aber man kann sich das ganze Jahr über Mühe geben, auch die Schwächsten nicht zu vergessen und manchmal reicht auch ein freundliches "Guten Morgen" oder ein warmer Kaffee für einen Bettler am Straßenrand. Die großen Spendenbeträge kann man sich ja gut und gerne für die Weihnachtszeit aufheben, aber dann auch mit der Konsequenz Maria und Josef das ganze Jahr über in sein Haus zu lassen und nicht nur wenn die Lebkuchen in den Regalen stehen und alles eh schon so heimelig ist.

Unser Papst Franziskus hält es mit den Werten wohl wie unsere Töchter; klar und indiskutabel:

"Ich habe diesen Ausdruck von nicht verhandelbaren Werten nie verstanden. Werte sind Werte, Schluss. Ich kann doch auch nicht sagen, von den Fingern einer Hand wäre einer weniger nützlich als der andere. Darum verstehe ich nicht, in welchem Sinne es verhandelbare Werte geben könnte..."  (Interview mit "Corriere della Sera" vom 05.03.2014, Quelle: Bistum Regensburg)


Elisabeth Illig bloggt jeden Montag bei CNA Deutsch. Sie ist Mutter von bald drei Kindern. Die gelernte Erzieherin hat ihr Theologiestudium bewußt unterbrochen, um sich um die Familie zu kümmern.  Eine Übersicht ihrer Beiträge finden Sie hier.

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