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René Brülhart sagt vor Korruptionsprozess im Vatikan aus

Rene Brülhart
Nachfolger von Kardinal Becciu als Sostituto des Staatssekretariates: Der aus Venezuela stammende Erzbischof Edgar Peña Parra
Eine frühere Verhandlung im Prozess rund um eine Londoner Immobilie
Kardinal Giovanni Angelo Becciu

Der Prozess rund um den Kauf einer Londoner Immobilie im Wert von 396 Millionen Dollar und die Befragung der  beteiligten Personen im Vatikan kommt nur zögerlich voran.

Kardinal Angelo Becciu wird am kommenden 7. April aufgrund der Abwesenheit des Anwalts nicht verhört, und gestern fand auch die Vernehmung des ehemaligen Direktors der AIF (vatikanische Finanzaufsicht), Tommaso Di Ruzza nicht statt.

Immerhin gab es nun eine siebenstündige Verhandlung im Prozess zur Verwaltung der Gelder des Staatssekretariats. Im Mittelpunkt standen die Ereignisse rund um die Investitionen der mächtigen Behörde in ein Gebäude im Luxus-Viertel der Londoner Innenstadt.

Beim Prozess geht es um eine verlustreiche Investition in Höhe von rund 350 Millionen Euro sowie damit zusammenhängende Deals einer Reihe "Geschäftsmänner".

 

Ein Schweizer Finanz-Experte

Befragter war dabei der Schweizer René Brülhart, der sowohl Präsident der Finanzaufsicht als auch Berater des Staatssekretariats war und sich zu Vorwürfen des Amtsmissbrauchs aufgrund des Innehabens dieser beiden Aufgaben äußerte. Brülhart sprach beim Verhör Englisch und wurde von einer Übersetzerin unterstützt. Er beantwortete die Fragen des Gerichts, der Zivilkläger und einiger Anwälte.

In einer Erklärung zu Beginn seiner Anhörung erinnerte Brülhart daran, dass er von der AIF ursprünglich wegen seiner Fachkenntnisse im Bereich Anti-Geldwäsche als externer Berater engagiert worden war.

Brühlhart ist tatsächlich ein renommierter Experte und Finanzkontrolleur, der von der Behörde zur Bekämpfung der Geldwäsche in Liechtenstein kam und Vize-Vorsitzender der Egmont Group war, einer Vereinigung von 166 Aufsichtsbehörden. 

Der  sollte dem Heiligen Stuhl zu helfen, endlich für finanzielle Transparenz in die oft zwielichtigen Geschäfte und finanziellen Verhältnisse Roms zu bringen: 

Die Probleme waren so gravierend, dass der Vatikan nicht mehr als seriöser Partner für Finanzinstitute eingestuft wurde. Brülhart sollte helfen, den Sumpf trocken zu legen, der nun Gegenstand des Gerichtsverfahrens steht 

Das erste Arbeitsverhältnis Brülharts war auf 18 Monate befristet; zu diesem kam ab dem 7. November 2012 die Position als Leiter der Vatikanischen Finanzaufsichtsbehörde hinzu.

2014 wurde Brülharts Stelle als Berater des Staatssekretariats um 12 Monate verlängert; im März 2015 wurde sein Vertrag um weitere fünf Jahre verlängert. In der Zwischenzeit wurde er 2014 auch zum Präsidenten des AIF ernannt. Gleichzeitig ware er auch beratend für das Staatssekretariats tätig.

Brülhart hatte daher die Doppelrolle als Präsident der Finanzaufsichtsbehörde und als Berater des Staatssekretariates inne, was - so der Schweizer vor Gericht - keinen Interessenkonflikt darstelle, da die AIF nicht das Staatssekretariat beaufsichtige.

Im Prozess erklärte der Schweizer auch, dass er in die Vorfälle um das Londoner Gebäude durch Erzbischof Edgar Pena Parra, den Sostituto des Staatssekretariats des Vatikans, mit einbezogen wurde: Der mächtige "Stellvertreter" des Kardinalstaatssekretärs Pietro Parolin habe ihn in einer Sitzung am 7. März 2019 über den Immobilien-Deal informiert.

Der Substitut im Staatssekretariat

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Bei der Gelegenheit sagte Brülhart offenbar dem Sostituto, dass "wenn es Elemente gäbe, um verdächtige Aktivitäten zu melden, würde dies der AIF ermöglichen, Untersuchungen einzuleiten". Die Entscheidung liege allein beim Staatssekretariat.

Erzbischof Pena Parra beschloss, Meldung zu machen – und die AIF begann so den Informationsaustausch mit den anderen Financial Intelligence Units.

Abgesehen von diesen Einzelheiten ist anzumerken, dass die Behörde nicht nur den Austausch im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit fortgesetzt hatte, sondern auch immer deutlich gemacht hatte, dass sie die Untersuchungen zu den Finanzströmen auch weiterhin fortsetzen müsse.

Die Finanzaufsicht schlug vor, die Transaktion nicht fortzusetzen, da "die AIF keine Aufsichts- und Sperrbefugnis über das Staatssekretariat hatte."

Am Ende skizzierte die AIF in der Gesamteinschätzung zwei Szenarien.

Das erste, "die Transaktion nicht fortzusetzen und die Gegenparteien vor Gericht zu stellen", mit dem Risiko eines wirtschaftlichen oder Image-Schadens, während auf rechtlicher Ebene die Verträge bestehen blieben. Die AIF wäre zur Fortsetzung der Ermittlungen aufgefordert und im Falle einer persönlichen Haftung bei der Übermittlung des Gutachtens an die Staatsanwaltschaft nicht ausgeschlossen.

Das zweite Szenario: Eine Umstrukturierung des Finanzgeschäfts, die jedoch auch die Kenntnis der an die Vermittler zu zahlenden Provisionen beinhaltete und die vollständige Übertragung der Aktien an das Staatssekretariat erforderte. 

Hierbei war jedoch nötig, so die Darstellung weiter, die Investition zu refinanzieren, und daraus ergab sich die Bitte um einen Vorschuss des Instituts für religiöse Werke (IOR).

Dieser Antrag konnte gestellt werden, erklärte Brülhart, aber er musste gut abgegrenzt sein, da das IOR keine Bank sei und Anträge nicht als Bankgeschäfte (wie ein Darlehen) konfiguriert werden könnten.

Millionensummen für italienische "Geschäftsmänner"

Im Zuge seiner Äußerungen vermerkte Brülhart, dass er zudem eine Mitteilung erhalten habe, dass Gianluigi Torzi Anspruch auf Entgeld für seine Dienstleistungen habe.

Der italienische "Geschäftsmann" Torzi agierte unter anderem als Finanzmakler, der für die Investition zuständig war. Torzi hatte die Kontrolle über das Londoner Gebäude und behielt tausend Aktien (die einzigen mit Stimmrecht) für sich – zum Nachteil des Staatsekretariates, für das der Italiener, der eine Privataudienz bei Papst Franziskus erhielt, gleichzeitig arbeitete.

Brülhart zufolge war das Ziel, Torzi auszuzahlen, damit das Staatssekretariat die Kontrolle über das Eigentum wiedererlangt, und sogar Papst Franziskus – so Brülhart – habe in einer weiteren Privataudienz ihn gebeten, das Staatssekretariat zu unterstützen.

Daraufhin erhielt der italienische "Geschäftsmann" prompt zehn Millionen Euro an eine Firma überwiesen, deren Eigentümer er war. Weitere fünf Millionen wurden Torzi auf das Konto einer anderen Firma gutgeschrieben.

Brülhart erfuhr davon nur aus einer Rechnung, die er per WhatsApp von Monsignore Carlino erhalten hatte, die er dann aber nicht mehr finden konnte, um diesbezüglich um Erklärungen zu bitten.

Carlino sagte seinerseits, dass er die Rechnung direkt von seinem Stellvertreter erhalten habe.

Monsignore Carlino sagte auch aus. dass er das Domus Sanctae Marthae – die Residenz des Papstes, die auch als Gästehaus fungiert – auf Wunsch seiner Vorgesetzten, nicht aber auf Wunsch von Kardinal Becciu, verlassen habe und dass er am 1. Mai 2019 nicht nach London gereist sei, wie das Gericht rekonstruiert hatte.

Wie es nun weitergeht

Diese Verhandlung war die letzte vor Ostern, für den Zeitraum danach gibt es einen neuen Terminkalender für die Anhörungen bei Gericht: Diese beginnen am 27. April mit dem Verhör von Tommaso Di Ruzza, dem ehemaligen Direktor des AIF. Am 28. April folgt die Vernehmung des Finanzmaklers Enrico Crasso, der die Anlagen des Staatssekretariats betreute.

Am 5. und 6. Mai soll endlich der aus Amt und Würden entlassene Kardinal Becciu vernommen werden – und am 19. Mai Fabrizio Tirabassi, vom Verwaltungsbüro des Staatssekretariats. Dieser weitere "Geschäftsmann" war für Investitionen zuständig und hatte die Deals mit Torzi abgewickelt.

Am 20. Mai findet eine weitere Anhörung statt, die möglicherweise genutzt werden wird, um unterbrochene Vernehmungen abzuschließen.

Ob und wie mit diesem Prozess echte Transparenz – oder gar Gerechtigkeit oder christliches Handeln – in die Machenschaften rund um das Staatssekretariat und die Gelder des Vatikans gesorgt werden kann: Das ist indessen noch unklar.

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