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Ein Konzil steht über dem Papst? Theologen sehen das anders

Papst Paul VI. hat den Vorsitz: Aufnahme vom feierlichen Auftakt des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Noch ist der "Synodale Weg" der Kirche in Deutschland offiziell kein ganzes Jahr alt, und doch hat eine Reihe von spektakulären Forderungen nach Änderungen in der Sexualmoral oder bei der Weihe von Frauen bereits für große Aufmerksamkeit gesorgt. Weniger bekannt sind einige Stellungnahmen der aktuell federführenden Köpfe beim "Synodalen Weg": Bischof Dr. Georg Bätzing, Präsident der deutschen Bischofskonferenz, und Prof. Dr. Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).

Letzterer sagte im Rahmen einer Pressekonferenz bereits im Januar: "Wir müssen hier auch Fragen diskutieren, die nicht mal ein Papst entscheiden kann, sondern nur ein Konzil." Im September sagte er gegenüber der Zeit: "Manches können wir dennoch selbst entscheiden. Bei grundsätzlicheren Fragen hat der Papst ein Wort mitzureden. Und dann gibt es Fragen, und das Frauenpriestertum gehört dazu, darüber kann auch nicht der Papst befinden, sondern das wäre die Anfrage an ein Konzil. Es ist wichtig, die Ebenen auseinanderzuhalten." Und Bischof Bätzing befand im Deutschlandfunk nur wenige Wochen später: "Die Frage: 'Können Frauen in diese sakramentalen Ämter eingegliedert werden?' – das wird nur ein Konzil bearbeiten können. Wer sonst sollte denn eine solche Autorität haben?"

Wie also verhält es sich mit Päpsten und Konzilien? Stehen sie nebeneinander? Ist die eine Instanz möglicherweise wichtiger und bedeutender als die andere? Kann ein Konzil dem Papst seinen Willen aufzwingen – oder umgekehrt?

Der Münchner Benediktinerpater und Kirchenrechtler Prof. Dr. Stephan Haering erklärte gegenüber CNA Deutsch, dass gerade das Zweite Vatikanische Konzil klargestellt hat, "dass Papst und Konzil sich nicht etwa gegenüberstehen, sondern wesenhaft zusammengehören". In der Folge habe sich diese Lehre auch in kirchenrechtlichen Bestimmungen niedergeschlagen: "Nur der Papst kann ein Konzil einberufen und leiten; nur mit der Zustimmung des Papstes werden die Beschlüsse eines Konzils rechtsgültig. Das Konzil steht nicht über dem Papst und es kann auch nicht endgültige Lehrentscheidungen früherer Konzilien und Päpste aufheben. Jeder Papst steht in der kirchlichen Lehrtradition, ist an diese gebunden und kann sie nicht willkürlich ändern. Gleiches gilt für ein Konzil."

Der Freiburger Kirchenrechtler Prof. Dr. Georg Bier ergänzte: "Der Papst hat volle Gewalt, es gibt mithin nichts, wofür er nicht zuständig wäre, nichts, was seiner Entscheidungskompetenz entzogen wäre." Zudem habe der Heilige Vater "die oberste kirchliche Gewalt, es gibt mithin niemanden, der hierarchisch 'über' ihm stünde und seine Entscheidungen in Frage stellen, kontrollieren, korrigieren könnte". Und doch: "Das Bischofskollegium ist ebenfalls Träger höchster und voller Gewalt im Hinblick auf die Gesamtkirche." Wie kann das sein? Der Papst als Bischof von Rom habe innerhalb des Bischofskollegiums eine Sonderstellung, so Bier, da die Bischöfe "nur dann Akte höchster und voller Gewalt" setzen können, "wenn der Papst als Haupt des Kollegiums diese Akte mitträgt. Gegen oder ohne den Papst können die übrigen Bischöfe Akte kirchlicher Höchstgewalt nicht setzen, und wären sie sich untereinander auch alle einig."

Ein Konzil, also die Versammlung aller Bischöfe der Welt, unterliege denselben Regeln, erklärte der Professor für Kirchenrecht. "Es müssen auf einem Konzil nicht sämtliche Bischöfe für eine bestimmte Entscheidung stimmen, solange nur der Papst mit 'im Boot' ist … Wären sich hingegen alle Bischöfe einig und wäre nur der Papst anderer Meinung, kommt es nicht zu einer rechtswirksamen Entscheidung. Das gilt aber nur in der Theorie, weil es in der Praxis wohl soweit nicht kommen würde, zumal der Papst von Rechts wegen die Möglichkeit hat, Themen von der Tagesordnung zu nehmen."

Die Aussage von ZdK-Präsident Sternberg, wonach es Fragen gebe, "die nicht mal ein Papst entscheiden kann, sondern nur ein Konzil", sei "kirchenrechtlich nicht korrekt," betonte Bier. "Es gibt im Gegenteil keine einzige Frage, die der Papst nicht allein entscheiden könnte (höchste und volle Gewalt – can. 331 CIC), es gibt keine einzige Frage, für deren Entscheidung er ein Konzil einberufen müsste. Möglicherweise würde der Papst im Einzelfall unklug handeln, wenn er eine bestimmte Frage 'im Alleingang' entscheidet, rechtlich unzulässig handelte er in diesem Fall nicht."

Prof. Dr. Dr. Jörg Ernesti, der in Augsburg und Brixen lehrt, warf für CNA Deutsch einen Blick in die Kirchengeschichte. Tatsächlich gab es bereits vor Jahrhunderten eine "Konziliarismus" genannte Strömung, die sich mit der Bedeutung von Konzilien und Päpsten beschäftigte. "Der historische Hintergrund für die Entstehung des Konziliarismus ist das Versagen des Papsttums im 14. Jahrhundert", so Ernesti. "Die Päpste hatten Rom verlassen, sich in Avignon dauerhaft niedergelassen und waren in Frankreich willfährige Erfüllungsgehilfen der französischen Könige geworden. Seit etwa der Mitte des Jahrhunderts wurde in akademischen Kreisen diskutiert, ob ein allgemeines Konzil den Weg aus der Misere weisen könne. Besonders an den Universitäten, in denen Vertreter der Bettelorden tätig waren, wurde diese Frage intensiv diskutiert. Von vornherein gab es verschiedene Richtungen: Während eine radikale Richtung, für die etwa Marsilius von Padua oder Wilhelm von Ockham stehen, das Konzil grundsätzlich über den Papst stellen wollten, gab es immer auch moderate Kräfte."

"Von einer eher moderaten Form des Konziliarismus war das Konzil von Konstanz (1414-1418) inspiriert," erläuterte Ernesti. "Angesichts eines Papstschismas – es gab drei Kirchenmänner, die den Anspruch erhoben, Nachfolger Petri zu sein – schien es keinen anderen Ausweg zu geben, als das Konzil entscheiden zu lassen. Aus Sicht der Konzilsväter von Konstanz stand das Konzil im Sinne eines 'Notrechtes' über dem Papst. Das Konzil hat also gewiss nicht unreflektiert aus der Situation heraus konziliaristisch agiert."

Doch schon das nächste Konzil habe sich bemüht, "den Konziliarismus in der Kirche abzuwickeln. Das Erste Vatikanische Konzil (1869-1870) hat dann die Befugnisse der Päpste massiv ausgebaut, indem es die Unfehlbarkeit in der Lehre und den Primat in der Jurisdiktion definiert hat." Mitte des nächsten Jahrhunderts habe das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) dann versucht, "die beiden Kräfte (Konzil und Papsttum) auszuponderieren. Für das Konzil steht fest, dass nicht eine Größe über der anderen steht und deren Beschlüsse außer Kraft setzen kann. Der Papst persönlich kann unfehlbare Lehrentscheidungen treffen. Das kann das Konzil auch, aber niemals ohne den Papst!"

Der Wiener Dogmatiker Prof. Dr. Jan-Heiner Tück ging direkt auf die von Sternberg und Bätzing angesprochene Frage der Frauenweihe ein und warnte vor einem Schisma: "Die aufblühenden Kirchen in Afrika und Asien stehen den absterbenden Volkskirchen Westeuropas gegenüber. Jene haben für die Forderung nach Frauenordination wenig Verständnis und würden sie möglicherweise als westlichen Kulturimperialismus zurückweisen, im Gegenzug haben sie einen wachen Sinn für die Komplementarität der Geschlechter, die im Westen zunehmend dekonstruiert wird. Das Verhältnis zu den Ostkirchen, die der katholischen wegen ihrer bischöflichen Verfassung näherstehen als die Reformationskirchen, würde durch die Einführung des Frauenpriestertums schwer belastet. Schließlich müsste Franziskus die Entscheidung seines Vorgängers offen revidieren – ein Vorgang, der innerkirchlich zu einem Schisma führen würde, da eine nicht zu unterschätzende Zahl von Katholiken die Frauenordination als nicht schrift- und traditionsgemäß ablehnt." 

Tück verwies auf das Apostolische Schreiben Ordinatio sacerdotalis von 1994, worin Papst Johannes Paul II. "mit quasi unfehlbarer Lehrautorität" bestimmt habe, "daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben". Tück erklärte weiter: "Als die Diskussion über den Verbindlichkeitsgrad dieser Entscheidung in der akademischen Theologie Westeuropas und in den USA anhielt, hat die Glaubenskongregation 1995 klargestellt, dass diese Entscheidung 'endgültig zu halten' (definitive tenenda) und 'als zum Glaubensgut der Kirche gehörend' zu betrachten sei. Das bedeutet: Kein Nachfolger auf der Cathedra Petri wird diese Entscheidung offen revidieren können, ohne ein Schisma zu riskieren. Auch Papst Franziskus hat ja bereits in Evangelii Gaudium klar gesagt, dass er an dieser Entscheidung nicht rütteln werde."

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