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Der katholische Blick auf die Bundestagswahl: Olaf Scholz und die SPD

Olaf Scholz bei einem Parteitag der SPD

Am 26. September 2021 stehen in Deutschland die Bundestagswahlen an. Nach der langen Ära von Bundeskanzlerin Angela Merkel steht nach Einschätzung vieler Beobachter eine Zäsur bevor. Wer aber tritt die Nachfolge an, und mit welchem Programm? Während sich die Parteien in Stellung bringen, Konzepte entwerfen und ihre Kandidaten auf Stimmfang schicken, stellt sich den Katholiken im Land erneut die sogenannte "Gretchenfrage".

Die "Gretchenfrage" beschreibt der Duden als "unangenehme, oft peinliche und zugleich für eine bestimmte Entscheidung wesentliche Frage [die in einer schwierigen Situation gestellt wird]". Sie hat ihren Ursprung in Goethes "Faust", in dem die Figur der Magarete den Protagonisten Heinrich Faust fragt:

"Nun sag', wie hast du's mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub', du hältst nicht viel davon."

In unserer Reihe "Der katholische Blick auf die Bundestagswahl" möchten wir die Kanzlerkandidaten kurz vorstellen und einen "katholischen Blick" in das jeweils veröffentlichte Parteiprogramm werfen. Bisher haben wir uns schon mit der Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und dem Wahlprogramm der "Grünen" beschäftigt.

Heute sprechen wir über den Kandidaten der SPD, Olaf Scholz.

Olaf Scholz: Zur Person

Scholz wurde 1958 in Osnabrück geboren, als Sohn von Textil-Kaufleuten wuchs er in Hamburg auf. Nach den Studien der Rechtswissenschaften in Hamburg arbeitete er 1985 als Rechtsanwalt. Seit 1975 ist er Mitglied der SPD-Mitglied.

1998 heiratete der Politiker Britta Ernst, die seit 2017 brandenburgische Ministerin für Bildung, Jugend und Sport ist. Das Paar ist kinderlos.

Scholz wurde evangelisch getauft, ist nach Medienberichten aber bereits vor Jahren aus der Kirche ausgetreten. Der Politikwissenschaftler Andreas Püttmann erklärte im vergangenen Sommer in einem Interview mit dem Kölner "Domradio", dass Scholz "durch ausdrückliche Bezüge auf das Christentum nicht in Erscheinung getreten" sei. Püttmann erinnerte jedoch auch an einen Konflikt mit Kardinal Lehmann, als Scholz als SPD-Generalsekretär die "Lufthoheit über den Kinderbetten" proklamierte. 

Das war 2002, als die damalige Regierung - bestehend aus SPD und den "Grünen" - unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder über die Ganztagsbetreuung von Kindern diskutierte. Etwa 100.000 neue Ganztagsschulen wollte Rot-Grün damals schaffen. Dabei tätigte Scholz seine bis heute umstrittene Aussage:

"Wir wollen die Lufthoheit über den Kinderbetten erobern."

Der damalige Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, bezeichnete Scholz' Ankündigung damals als "rücksichtslos und zynisch" gegenüber Familien.

Im "Wort des Bischofs" des SWR-Radio wiederholte Kardinal Lehmann am 4. März 2007 seine Warnung vor den Eingriffen des Staates in das Elternrecht. Wörtlich sagte der damalige Bischof von Mainz: 

"Manchmal haben wir zu Unrecht vergessen, dass es noch nicht so lange her ist mit einer fatalen Dominanz des Staates in der Kindererziehung, vor allem marxistischer Gesellschaftssysteme. Es bleibt eine Verführung mancher Politiker, die 'Lufthoheit über die Kinderbetten' zu gewinnen, um an ein bekanntes Schlagwort zu erinnern. Die größere Anzahl von Kinderkrippen in den neuen Bundesländern wird manchmal geradezu verherrlicht, ohne dass man die ideologischen Implikationen im System genügend wahrnimmt. In manchen Köpfen ist eine umfassende staatliche Kindererziehung ziemlich lebendig. Dies wird mit vielen Problemfällen und auch der Unfähigkeit vieler Eltern zur Erziehung begründet. Rasch ist man dann auch dabei, den Kindergarten mit der Aufgabe frühkindlicher Bildung zu verknüpfen. An dieser Stelle ist höchste Wachsamkeit am Platz."

Das Wahlprogramm der SPD

Das Parteiprogramm der SPD wurde am 1. März 2021 vorgelegt. Es umfasst insgesamt 85 Seiten und ist hier online einsehbar. Im Folgenden dokumentiert CNA Deutsch einige Auszüge in Hinblick auf Fragen, die besonders die Katholiken in Deutschland beschäftigen.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Klimakonzept für Deutschland und Europa

Der Umweltschutz nimmt im Wahlprogramm der SPD weiten Raum ein. Geht es nach den Sozialdemokraten, soll man in Deutschland spätestens im Jahr 2050 "klimaneutral wirtschaften". Der Ausstieg aus Atom- und Kohlekraft soll bis dahin ebenfalls geschafft sein, zusätzlich möchte man die E-Mobilität fördern. Der Personennahverkehr und der Schienenverkehr soll auf "ein neues Niveau" gehoben werden, um einen Anreiz zu schaffen, damit immer mehr Bürger ihr Auto stehen lassen. Die SPD macht sich auch für ein Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde stark, weil dies den Schadstoffaustoß reduziere und für weniger Unfälle auf deutschen Autobahnen sorge.

Die SPD will ihr Engagement für den Klimaschutz jedoch nicht auf Deutschland beschränken. Die Europäische Union (EU), welche man "zur modernsten Demokratie der Welt machen" möchte, soll "bis spätestens 2050 zum ersten nachhaltigen und treibhausgasneutralen Kontinent" geworden sein und "eine Vorreiterrolle beim der Bekämpfung des Klimawandels einnehmen".

Die Ziele sind hoch gesteckt. Wörtlich heißt es im Wahlprogramm:

"Wir müssen die globale Erderwärmung auf weit unter zwei Grad halten und möglichst auf 1,5 Grad Celsius begrenzen. Dafür werden wir unsere eigenen Klimaschutzverpflichtungen gemäß des Pariser Klimaabkommens einlösen und weiter steigern."

Lohngleichheit und Frauenquote

Die Sozialdemokraten wollen nach eigenen Angaben vor allem die Gleichstellung von Mann und Frau voranbringen. Noch immer fühlten sich viele Frauen "unvermittelt in alte Rollenmodelle zurückversetzt", heißt es. Deshalb drängt die Partei darauf, ein Gesetz einzuführen, welches festlegt, dass Frauen und Männer für die gleiche Arbeit auch den gleichen Lohn erhalten sollen.

"Wir haben zunächst eine Quote für Aufsichtsräte eingeführt", schreibt die Partei in ihrem Programm, "danach haben wir dafür gesorgt, dass in den Vorständen von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten großen Unternehmen mindestens eine Frau vertreten sein muss. Wir werden weiterhin mit Förderprogrammen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sorgen."

Diskriminierung durch künstliche Intelligenz und Algorithmen?

Auch in anderen Bereichen sieht die SPD Nachholbedarf zur Beseitigung von Diskriminierung. So soll auch der Einsatz von Algorithmen, zum Beispiel bei der Personalrekrutierung, besser überwacht werden. "Wir wollen verantwortungsvolle Künstliche Intelligenzen (KI) und Algorithmen, die vorurteilsfrei programmiert sind und auf diskriminierungsfreien Datenlagen basieren. Dies soll regelmäßig geprüft und zertifiziert werden", heißt es dazu im Wahlprogramm.

"Ehe für alle" und Adoptionsrecht für Homosexuelle

Die SPD erinnert daran, dass sie die sogenannte "Ehe für alle" durchgesetzt habe. "Zugleich ist klar: Verantwortung hängt nicht am Trauschein", heißt es weiter. Deshalb sollen "vielfältige Familienmodelle" abgesichert werden. Wörtlich heißt es:

"Mit der Verantwortungsgemeinschaft schaffen wir nach dem Vorbild des französischen ‚Pacte civil de solidarité ‚(PACS) eine zusätzliche Alternative für alle, zu deren Lebenssituation und Wünschen das klassische Ehe-Modell nicht passt. Auch Regenbogenfamilien brauchen starke Rechte. Mit der Verantwortungsgemeinschaft unterstützen wir Regenbogenfamilien zusätzlich darin, füreinander Sorge zu tragen und Verantwortung zu übernehmen, wenn sich mehrere Menschen mit oder anstelle der biologischen Eltern um Kinder kümmern."

Außerdem will die Partei ein "modernes Abstammungsrecht" schaffen. Wörtlich:

"Wir setzen uns ein für gleiche Rechte von Homosexuellen in der Ehe, insbesondere bei Adoptionen. Kein Gericht sollte künftig mehr über die Anpassung des Personenstandes entscheiden. Psychologische Gutachten zur Feststellung der Geschlechtsidentität werden wir abschaffen. Jeder Mensch sollte selber über sein Leben bestimmen können. Das Transsexuellenrecht werden wir entsprechend reformieren. Das Diskriminierungsverbot wegen der sexuellen Identität wollen wir in Art. 3 Abs. 3 GG aufnehmen."

Für den Kampf gegen "Diskriminierung und Gewalt" möchte die SPD deshalb einen "nationalen Aktionsplan gegen Homo-, Bi-, Trans- und Interphobie und Gewalt gegen LSBTIQ*" umsetzen. Dazu heißt es im Wahlprogramm:

"Die gleichberechtigte Teilhabe aller Geschlechter und Identitäten ist ein Gewinn für die ganze Gesellschaft, da alte Rollen- und Denkmuster aufgebrochen [sic!]. Wir setzen uns für die Anerkennung und Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans-, Inter- und queeren Menschen (LSBTIQ*) ein. Niemand darf schlechter gestellt werden aufgrund des Geschlechts. Wir setzen uns die rechtliche Absicherung von LSBTIQ*-Familien und Trans* und Inter*Personen zum Ziel."

Forderung: Das Wort "Rasse" aus dem Grundgesetz streichen

Die Partei stellt in Aussicht, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zu "modernisieren". "Gleichzeitig werden wir nachdrücklich gegen Sexismus, Rassismus, Rechtsextremismus, Antisemitismus, Antiziganismus und Islamfeindlichkeit vorgehen", heißt es weiter. Durch die Schaffung einer Bund-Länder-Kommission soll ein besserer Austausch ermöglicht werden, um Strataten konsequenter zu erfassen und zu ahnden. Weiter heißt es:

"Das Wort 'Rasse' werden wir aus Art. 3 Abs. 3 GG streichen und durch eine andere Formulierung ersetzen, die den grundrechtlichen Schutz vor Rassismus weiterhin garantiert. Für den Kampf gegen Rassismus in der deutschen Gesellschaft braucht es aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit unserer kolonialen Vergangenheit. Es gilt verantwortungsvoll mit unserer historischen Schuld umzugehen."

Neben der Aufarbeitung der Kolonialzeit und der deutschen NS-Vergangenheit verspricht die SPD auch die Bundesstiftung Aufarbeitung zu stärken, "damit auch das Engagement der Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur landesweit mehr Unterstützung erhält".

Der Umgang mit Grundstückseigentum

Der Vorstoß des SPD-Politikers Kevin Kühnert, aus privatem Bauland eventuelle Wertzuwächse künftig "abzuschöpfen", hat landesweit für Kritik gesorgt. "Grund für den Wertzuwachs ist allein eine entsprechende kommunale Ausweisung des Grundstücks als Bauerwartungsland", hatte Kühnert kürzlich erklärt. "Für die SPD steht dieser Teil des Wertzuwachses daher der Allgemeinheit zu. Boden und Wohnraum können nicht wie x-beliebige Waren behandelt werden."

Im SPD-Wahlprogramm wird der Umgang mit Grundstückseigentum ebenfalls thematisiert.  "Unsere Bodenpolitik wird am Gemeinwohl orientiert", heißt es da. "Bund, Länder und Kommunen sollen öffentliches Eigentum an Grundstücken sichern und vermehren, um die Spekulation mit Grund und Boden zu stoppen".

Nach Möglichkeit wolle man dazu beitragen, "dass kommunale Wohnbauflächen nicht veräußert werden, Flächen wo möglich zurückerworben werden und öffentliches Bauland nur auf dem Weg der Erbpacht abgeben wird". Die bisher geltende Zehn-Jahres-Frist an Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne für nicht selbst genutzter Grundstücke will die Partei abschaffen. "Eigentümerstrukturen" sollen über ein "zentrales Immobilienregister" öffentlich gemacht werden. 

Schulden für teure "Zukunftsinvestitionen"?

Unter dem Titel "Wie wir unsere Politik finanzieren wollen" erklärt die SPD, dass durch die Coronavirus-Pandemie auch die Steuereinnahmen zurückgegangen, während die staatlichen Ausgaben gestiegen seien. Um "die großen Zukunftsinvestitionen", "ein klimaneutrales Wachstum" und den "gesellschaftlichen Zusammenhalt" zu stärken, soll vor allem die Finanzierung der genannten Schwerpunkte sichergestellt werden. Dazu werde man Kredite aufnehmen müssen, innerhalb der "verfassungsrechtlich möglichen Spielräume".

Zusätzlich soll neben einer Finanztransaktionssteuer auch die Vermögenssteuer wieder in Kraft treten: "Wer sehr viel Vermögen hat muss einen größeren Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten", heißt es im Wahlprogramm. Dafür wolle man einen "maßvollen, einheitlichen Steuersatz von einem Prozent für sehr hohe Vermögen" einführen. Gleichzeitig werde es "hohe persönliche Freibeträge geben, so dass sich die Steuerbelastung auf besonders vermögende Teile der Bevölkerung konzentriert". Die Grundlage von Betrieben soll bei der Vermögenssteuer "verschont" bleiben, so heißt es.

Das "Vier-Säulen-Modell" für Eltern

Um mehr "Familienzeit" zu schaffen, wollen die Sozialdemokraten ein sogenanntes "Vier-Säulen-Modell" einführen. Wörtlich wird das so beschrieben:

"Die erste Säule sind zwei Wochen Elternschaftszeit direkt nach Geburt eines Kindes, auf die jeder Vater bzw. der/die Partner*in kurzfristig und sozial abgesichert Anspruch hat. Wir werden damit Familien mit Kindern in ihrer allerersten Phase unterstützen und die Voraussetzungen für eine gerechtere Aufteilung von Sorgeaufgaben schaffen.

Die zweite Säule ist die Familienarbeitszeit, mit der wir den derzeitigen Partnerschaftsbonus beim ElterngeldPlus zu einer flexiblen, geförderten Elternteilzeit nach dem ersten Lebensjahr eines Kindes ausbauen werden. Wenn in Paarfamilien beide Elternteile gleichzeitig oder Alleinerziehende ihre Arbeitszeit reduzieren, sollen sie zukünftig je zehn Monate ElterngeldPlus erhalten – mindestens 200 und höchstens 900 Euro. Diese Leistung kann so lange genutzt werden wie auch der Anspruch auf Elternzeit gilt. Denn auch jenseits des Kleinkindalters brauchen Eltern Zeit für ihre Kinder, sei es bei der Einschulung, weil ein Umzug ansteht oder ein Kind einfach mehr unterstützt werden muss als andere.

Die dritte Säule ist das neue Elterngeld akut als dauerhafte Ausweitung der pandemiebedingt erhöhten Kinderkrankentage auf 20 Tage pro Kind, Jahr und Elternteil - bei mehr als zwei Kindern maximal 90 Tage pro Elternpaar oder Alleinerziehende. Kinderkrankentage waren schon vor Corona oft zu knapp - gerade bei jüngeren Kindern, die in den ersten Kita-Jahren häufig krank werden. Darüber hinaus soll künftig auch anderer kurzzeitiger Betreuungsbedarf über das neue Elterngeld organisiert werden können.

Unser Modell der Familienpflegezeit ist die vierte Säule. Wer Angehörige pflegt, soll dabei unterstützt werden, die Pflege mit Erwerbsarbeit zu kombinieren. Das bedeutet: 15 Monate Anspruch auf Unterstützung (Lohnersatz) bei einer Arbeitszeitreduzierung für jeden nahen Angehörigen ab Pflegegrad 2, auf mehrere Pflegepersonen aufteilbar mit einer Mindestarbeitszeit von 15 bis 20 Stunden. Wichtig ist, dass Unternehmen gezielt auch die Männer ermutigen, dieses Modell zu nutzen."

"Kinderrechte" und Wahlrecht ab 16

Wie die Partei der "Grünen" bereits gefordert hat, will auch die SPD das Wahlalter auf 16 Jahre herabsenken. Gleichzeitig sollen auch die sogenannten "Kinderrechte" im Grundgesetz verankert werden.

Erst im Januar diesen Jahres sorgte die SPD gemeinsam mit der CDU/CSU für Aufsehen, als sie bereits einen entsprechenden Vorstoß machten (CNA Deutsch hat berichtet). Während dieses Vorhaben von vielen Menschen als Fortschritt betrachtet wird, sehen andere die Pläne der Koalition kritisch bis ablehnend.

Hauptkritikpunkt liegt in der Befürchtung, dass auf lange Sicht Elternrechte ausgehebelt werden und der Staat die eingangs von Olaf Scholz zitierte "Lufthoheit über die Kinderbetten" übernimmt. 

Der Verband Familienarbeit e.V. warnte beispielsweise davor, dass die Idee von Kinderrechten im Grundgesetz zwar "sympathisch und harmlos" klinge, aber auch eine Gefahr darstelle. So könne der zusätzliche Passus staatlicherseits als Aufforderung missverstanden werden, um "zu definieren, was ein 'Recht auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten' ist". Kinderrechte im Grundgesetz weisen daher nach Ansicht des Verbandes die Tendenz auf, "das Elternrecht zukünftig zulasten des staatlichen Bestimmungsrechts zu schmälern".

Auch der Familienbund der Katholiken sprach sich gegen eine Verfassungsänderung aus. In einer Pressemitteilung des Verbandes sagte Familienbund-Präsident Ulrich Hoffmann:

"Der wortreiche Passus, auf dem sich die große Koalition nun geeinigt hat, scheint zwar mit Blick auf die Einschränkung von Elternrechten weitgehend entschärft, bleibt aber für die Stellung von Kindern in unserem Rechtssystem folgenlos und bietet Anlass für Missverständnisse."

Dialog mit der Kirche und Religionsfreiheit

"Wir begrüßen das Engagement in den Kirchen und Religionsgemeinschaften", lautet ein weiterer Passus im Parteiprogramm der SPD. Wörtlich heißt es:

"Den interreligiösen Dialog werden wir weiter fördern und verstärken. Die Religionsfreiheit ist fest im Grundgesetz verankert und wir schützen sie. Wo Religionsfreiheit missbraucht wird und in religiösen Fanatismus umschlägt, müssen staatliche Sicherheitsbehörden konsequent eingreifen."

Wo genau nach dem Verständnis der SPD die Trennlinie zwischen der vom Grundgesetz garantierten Religionsfreiheit und "religiösen Fanatismus" verläuft, wird im Wahlprogramm jedoch nicht näher definiert. 

Abtreibung als "Grundversorgung"?

Auch die SPD fordert, dass Frauen die Möglichkeit haben sollten zur Abtreibung, wenngleich das Wort "Abtreibung" im Programm mit der Formulierung "Schwangerschaftsabbruch" umschrieben wird. Zusätzlich soll das Strafrecht geändert werden, welches Abtreibungen bislang zwar als Unrecht kennzeichnete, aber keine Strafen verhängte. Außerdem soll künftig jedes staatlich finanziere Krankenhaus verpflichtet sein, Abtreibungen anzubieten.

Mit dem Verweis auf das "Selbstbestimmungsrecht" der Frau fordern die Sozialdemokraten, dass eine "Grundversorgung" an Abtreibungsmöglichkeiten gewährleistet sein muss. Wörtlich heißt es dazu im Wahlprogramm:

"Frauen und Paare, die sich in einer Konfliktsituation für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, brauchen Zugang zu Informationen und einer wohnortnahen, guten medizinischen Versorgung – das gilt ambulant wie stationär. Deshalb müssen Länder und Kommunen dafür sorgen, dass Krankenhäuser, die öffentliche Mittel erhalten, Schwangerschaftsabbrüche als Grundversorgung anbieten. Wir erkennen die Verantwortung und das Selbstbestimmungsrecht von Frauen an. In Hinblick auf die Paragraphen 218 und 219a stellen wir fest: Schwangerschaftskonflikte gehören nicht ins Strafrecht."

Auch an anderer Stelle wiederholt die SPD die Forderung nach einem umfassenden Abtreibungsangebot, indem sie es unter das bei Abtreibungsbefürwortern übliche Schlagwort "sexuelle und reproduktive Gesundheit" stellt. Die SPD kündigt an:

"Gesundheit ist ein globales öffentliches Gut. Wir setzen uns für die Einrichtung eines globalen Gesundheitsfonds ein und legen Schwerpunkte auf den Aus- und Aufbau öffentlicher Gesundheitssysteme, die Verbesserung des Zugangs zu Arzneimitteln und Impfstoffen sowie auf gesundheitliche Bildung und damit einhergehend auf die Stärkung sexueller und reproduktiver Gesundheit."

Da nach Angaben von unabhängigen Lebensrechtsorganisationen häufig "kranke" Kinder im Mutterleib getötet werden oder jene, bei denen in der Voruntersuchung eine mögliche Behinderung festgestellt wurde, ergibt sich ein weiterer Widerspruch zu dem von den SPD beschworenen Ziel, die Rechte von Behinderten in Deutschland zu stärken. An anderer Stelle heißt es im Parteiprogramm:

"Für die nächste Generation soll das tägliche Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen selbstverständlich sein. Menschen mit Behinderungen sollen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten."

Auch ein anderes Wahlsversprechen der SPD wird durch die Forderung nach einer "Grundversorgung" an Abtreibungsmöglichkeiten ad absurdum geführt:

"Wir werden dafür sorgen, dass jedes Kind und alle Jugendlichen unabhängig von ihrer Herkunft die gleichen Chancen haben, das Bestmögliche aus ihrem Leben zu machen. Jedes Kind soll gut und geborgen aufwachsen und alle jungen Menschen sollen gut ins Erwachsenenleben starten. Die Unterstützung von Kindern und Familien in Deutschland ist vielfältig. Aber genau dort, wo sie besonders gebraucht wird, kommt sie oft nicht an."

Auch das Beharren auf die Einführung von Kinderrechten bekommt angesichts der Tatsache, dass diese offensichtlich nur für jene Kinder gelten sollen, die den Mutterleib "überlebt" haben, eine bemerkenswerte Dimension.

Warum die Katholischen Kirche Abtreibung verurteilt

Die SPD steht mit ihrer Haltung zur Abtreibung im krassen Gegensatz zur Lehre der Katholischen Kirche. Die Kirche betont immer wieder den uneingeschränkten Schutz des menschlichen Lebens. Nicht zuletzt in der Enzyklika "Humanae Vitae" von Papst Paul VI. wird die Abtreibung, aber auch aktive Sterbehilfe verurteilt. Erst im Februar hatte Papst Franziskus erneut zum Schutz des ungeborenen Lebens aufgerufen

Auch in der Vergangenheit war Franziskus sehr deutlich in diesem Punkt. Sowohl der Glaube als auch die reine Menschlichkeit verbieten jede Form der Abtreibung, so Franziskus im Mai 2019:

"Nur zwei Sätze werden uns helfen, dies gut zu verstehen: zwei Fragen. Erste Frage: Ist es erlaubt, ein Menschenleben zu töten, um ein Problem zu lösen? Zweite Frage: Ist es erlaubt, einen Killer zu mieten, um ein Problem zu lösen? Ihr könnt selber darauf antworten. Das ist der Punkt."

Unter der Nummer 51 der Konstitution "Gaudium et spes", die während des II. Vatikanischen Konzils veröffentlicht wurde, heißt es:

"Abtreibung und Tötung des Kindes sind verabscheuungswürdige Verbrechen."

Auch Papst Johannes Paul II. hat in seiner Enzyklika "Evangelium Vitae" die "sittliche Schwere der vorsätzlichen Abtreibung" verurteilt. Unter der Nummer 59 schrieb der mittlerweile heiliggesprochene Papst:

"Nicht unterschätzt werden darf schließlich das Netz der Mittäterschaft, das sich bis auf internationale Institutionen, Stiftungen und Vereinigungen ausdehnt, die systematisch für die Legalisierung und Verbreitung der Abtreibung in der Welt kämpfen. Damit übersteigt die Abtreibung die Verantwortung der einzelnen Personen und den ihnen verursachten Schaden und nimmt eine stark soziale Dimension an: sie ist eine sehr schwere Verletzung, die der Gesellschaft und ihrer Kultur von denen zugefügt wird, die sie aufbauen und verteidigen sollten."

Welche "Früchte" die Kooperation von Politikern mit der Abtreibungslobby hervorbringen kann, zeigte erst im vergangenen Jahr der Skandal um die CDU-Politikerin und Abtreibungslobbyistin Maria Flachsbarth.

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