Aufgefächert in die Vielfalt ihrer Disziplinen zeigt sich, dass Theologie auch eine sehr weltliche Gestalt hat. Gerade der innere Zusammenhang von Dogmatik und Exegese hat sich als ein besonderes Spannungsfeld erwiesen. Sichtbar wird dies durch das Selbstbewusstsein und die Ohnmacht vieler Theologen, die Kirche zu lieben und mit ihr zu denken. Im 20. Jahrhundert, ausgehend von Rudolf Bultmann, hat eine existenzialistische Philosophie Eingang in die Gedankenwelt vieler Bibelkundler gefunden. Die Versuchung, vor allem philosophisch zu denken und sich auch auf gewisse Weise – auch exegetisch – von der Kirche zu emanzipieren, scheint heute noch zugenommen zu haben.

Wer heute, gesegnet mit der erdverbundenen, klarsichtigen Nüchternheit eines einfach gläubigen Katholiken aus Niederbayern, Ostwestfalen oder Friesland, die exegetischen Experimente der letzten Jahrzehnte sich anschaut, die manchmal rhetorisch gekonnt inszeniert werden – ob konstruktivistisch, existenzialistisch, feministisch oder anders –, wird sich in seiner Skepsis bestätigt wissen und der Kirche treu bleiben.

Mit einem ähnlichen Misstrauen begegnen auch gläubige Christen verschiedener Konfessionen den Vorschlägen, die in dem vielfach diskutierten Text "Gemeinsam am Tisch des Herrn" enthalten sind, in dem – wieder einmal – offensiv die Mahlgemeinschaft der Konfessionen gefordert wird. Gegen diese Empfehlungen hätte auch der evangelische Theologe Ferdinand Kattenbusch sicher mehr als nur Bedenken vorgebracht. Benedikt XVI. zufolge, dessen Gedanken von 1921 aufgreifend, sagt der Protestant, dass die "Stiftungsworte Jesu beim Letzten Abendmahl der eigentliche Akt der Kirchengründung" seien: "Damit habe Jesus seinen Jüngern das Neue gegeben, das sie zusammenschloss und sie zur Gemeinschaft machte. Kattenbusch hatte recht: Mit der Eucharistie ist die Kirche selbst gestiftet. Sie wird eins, sie wird sie selbst vom Leib Christi her, und sie wird zugleich von seinem Tod her geöffnete auf die Weite der Welt und der Geschichte hin." (Joseph Ratzinger – Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Zweiter Teil: Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung. Freiburg im Breisgau 2010, 158)

In neueren theologischen Gedankenspielen herrschen oft wunderliche, verstörende Vorstellungen über das Wesen und die Herzmitte der Kirche. Es wird von ihr gesprochen, als sei sie ein Werk des Menschen, eine Institution, die in bester Absicht errichtet worden sei, aber ständig – besonders heute – reformiert werden müsse. Hätten sich Menschen die Kirche ausgedacht, so könnte jede Generation daran arbeiten, mal mehr, mal weniger erfolgreich – säkular betrachtet. Anders als der Staat und seine Institutionen ist die Kirche des Herrn aber ihrem Wesen nicht Menschenwerk. Wer das bestreitet und über die Kirche wie eine beliebige Einrichtung der "civitas terrena" denkt, ihr die Heiligkeit abspricht, wäre gut beraten, das Credo zu bedenken.

Wir leben als Katholiken nicht von bunten Meinungen, sondern aus der Danksagung – nicht weil wir alle so verschieden sind, sondern weil wir Gottes geliebtes Kinder sein dürfen. Wir dürfen dankbar sein für das Geschenk des Lebens, und wir dürfen dankbar sein für den Glauben, der uns trägt und hält. Dankbar sein – gelingt uns das? Der griechische Begriff dazu lautet «Eucharistomen» («wir danken»). Wir feiern Eucharistie und statten Gott Dank ab. Wir feiern Eucharistie, ja – wir leben aus der Eucharistie. Oder wir bemühen uns darum. Besonders in der Begegnung mit Konvertiten können wir immer wieder die positive, beglückende und bereichernde Erfahrung machen, wie sehr sie sich nach dem Sakrament verzehren, mit welcher Leidenschaft sie – inwendig wie äußerlich – sich für den Herrn bereiten möchten, um würdig den Leib des Herrn zu empfangen. Auch verfolgte Christen in aller Welt, etwa in Syrien, die in großer Bedrängnis oder selten nur Eucharistie feiern konnten und können, geben oft ein Zeugnis für dieses Bedürfnis nach dem Brot des Lebens. Vielleicht wachsen wir alle unser ganzes Leben hindurch in das Geheimnis der Eucharistie hinein und lernen ihre Schönheit immer mehr kennen. Als Gläubige empfangen wir, in rechter Weise disponiert, das "wirkliche Manna", die "Gemeinschaft mit Gott im auferstandenen Christus" (ebd., 161).

Die Feier der heiligen Messe, zu der wir uns versammeln, ist also weder ein Lehrvortrag noch ein geselliges Beisammensein. Wir gehorchen nicht einer äußerlichen Verpflichtung, auch wenn das preußisch streng klingende Wort "Sonntagspflicht" – ein harter Imperativ – die Schönheit der Einladung zur Messe verdeckt, die doch von Gott kommt. Benedikt schreibt: "Die Eucharistie ist sichtbares Geschehen der Versammlung, das – am Ort und über die Orte hinaus – Eintreten in die Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott ist, der die Menschen von innen her zueinanderführt." Wir sehen und erkennen einander als Schwestern und Brüder im Glauben, als Familiengemeinschaft der Kirche, die in aller Verschiedenheit im Wesentlichen verbunden ist – nämlich in Christus, der der Herr und das Lebensprinzip der Kirche ist. Es besteht keine weltliche Pflicht, dafür dankbar zu sein. Aber wir dürfen, Sonntag für Sonntag, Dank sagen, indem wir die heilige Messe von innen her nicht pflichtbewusst absitzen – wie vielleicht eine langweilige Schulstunde –, sondern gläubig mitfeiern: "Kirche wird von der Eucharistie her. Sie empfängt von ihr her ihre Einheit und ihre Sendung. Die Kirche kommt vom Abendmahl, aber eben deshalb von Tod und Auferstehung Christi her, die er in der Gabe von Leib und Blut vorweggenommen hat." (ebd., 158)

Die konsekrierte Hostie ist dem Wesen nach substanziell verwandelt – darum wird sie im Tabernakel aufbewahrt, mitten in der Kirche. Wer eucharistisch lebt, wird sein Leben lang hoffen, die Kirche immer mehr zu lieben, und wird dankbar sein für die Nähe und die Gegenwart des Herrn. Wer glaubt, ist niemals allein, nicht im Leben und nicht im Sterben. Wir feiern Eucharistie, wir danken. So einfach und so schön ist es, ein von Herzen gläubiger Christ, eine Tochter oder ein Sohn der Kirche des Herrn zu sein.

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