Köln - Montag, 18. September 2023, 7:00 Uhr.
Der erste Marsch für das Leben am Samstag in Köln war mit 2.800 Teilnehmern nach Angaben des Bundesverbands Lebensrecht ein großartiger Erfolg – obwohl es zu Störungen durch Gegendemonstranten kam: Feministinnen und linke Vertreter der Antifa hatten überregional dazu aufgerufen, „zu sabotieren und zu stören“. Die Kölner Polizei zeigte sich zeitweise überfordert und ohne Konzept, schützte aber insgesamt die Veranstaltung.
Zeitgleich zur gleichnamigen Veranstaltung in Berlin versammelten sich die überwiegend jüngeren Menschen zunächst zu einer Kundgebung auf dem Heumarkt, dann zu einem Demonstrationszug und zuletzt zu einer Abschlusskundgebung.
Nach drei Wortbeiträgen auf der Bühne hatte sich der Demonstrationszug formiert. Allerdings gab die Polizei den Weg zunächst nicht frei: Störer blockierten die geplante Strecke. Die Wartezeit in der prallen Sonne vertrieben sich einige junge Teilnehmer mit ausgelassenen Tänzen. Dann setzte sich die Zugspitze endlich in Bewegung.
Aber nach einigen hundert Metern und nur zwölf Minuten versperrten Polizeibeamte den Weg. In Sichtweite hatten die Störer eine Sitzblockade gebildet, umringt von Einsatzkräften der Polizei. Dabei kam es kurz zu einem Schlagstockeinsatz, bei dem die Beamten den Störern mehrere Stoffbanner entrissen. Es gab keine weiteren Versuche, die illegale Gegendemonstration aufzulösen, damit die legale Demonstration ihres Weges ziehen konnte.
Die meist jungen Teilnehmer reagierten auf die ständigen Hassparolen der umgebenden Gegendemonstranten gelassen. Nach einer zweistündigen Wartezeit und einem ausbleibenden weiteren Eingreifen der Polizei erklärten die Veranstalter ihre Rückzugsbereitschaft.
Die Polizei geleitete die pro-life-Demonstranten zur Abschlusskundgebung zurück zum Heumarkt. Dort hatte sich allerdings in der Zwischenzeit eine erhebliche Anzahl an Störern eingefunden und begonnen, die vorhandenen Stände der Veranstaltung zu demolieren.
Dabei gab es einen Zwischenfall, der nach Auskunft des betroffenen Lebensschützers mit Schürfwunden und Blutergüssen endete. Nachdem die linken Störer, die ihre Gesinnung mit eindeutigen Gesängen und Parolen zum Ausdruck gebracht hatten, einen Ausstellungsstand beschädigten, brachten sie einen Standbetreuer in ihre Gewalt und warfen ihn nach dessen Aussage zu Boden. Dort wurde demnach auf ihn getreten und eingeschlagen, wie auf Fotos zu sehen ist, die in den sozialen Medien veröffentlicht wurden.
Vor dem Versuch, den eigentlichen Marsch für das Leben durch Köln zu beginnen, hatten sich auf der Bühne drei Vertreter der Lebensrechtsbewegung zu Wort gemeldet.
„Wir wollen, dass die Lebensrechtsbewegung überall in Deutschland vertreten wird und wächst – nicht nur in Berlin“, sagte Paul Cullen, Vorsitzender des Vereins „Ärzte für das Leben“ und Vorstandsmitglied des Bundesverbands Lebensrecht. „Wir wollen in Köln Zeichen setzen für das fundamentale Menschenrecht auf Leben, das allen anderen Menschenrechten vorausgeht und deshalb von allen das wichtigste ist.“
Paul Cullen kritisierte auf der Bühne die Störer: „Wer hier für das Lebensrecht eintritt, wird auf das Übelste diffamiert. Die Teilnehmer werden von Gruppen angegriffen, die sich brüsten, tolerant und weltoffen zu sein, hier aber Intoleranz und Engstirnigkeit gegenüber den Schwächsten zeigen. Dafür müssten sie sich schämen.“
Er bedauerte, dass es nötig sei, Selbstverständlichkeiten zu betonen. Ärztliche Einrichtungen dürften nicht unter Druck geraten, der Kultur des Todes den Weg zu bahnen: „Hier müssen wir widerstehen und die ärztliche Gewissensfreiheit verteidigen. Kein Arzt darf gezwungen werden, medizinische Maßnahmen gegen das eigene Gewissen durchzuführen.“
Ein solcher Druck dürfe auch nicht durch die Hintertür ausgeübt werden, zum Beispiel in der ärztlichen Ausbildung, so Cullen. „Ein Arzt muss stets auf der Seite des Lebens sein. Es darf keine Interaktion zwischen einem Arzt und seinem Patienten geben, mit dem Ziel, dass der Patient hinterher tot ist.“
Die Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben, Susanne Wenzel, ermutigte die Teilnehmer und dankte für den Zuspruch: „Das Leben braucht Freunde!“ Sie befürchtete jedoch Verschlechterungen der Gesetzeslage: „Beim Einsatz für das Lebensrecht des Menschen kommt es in den nächsten Wochen und Monaten auf jeden Einzelnen an.“
Wenzel bat darum, vor Ort auf die Politiker zuzugehen und Kontakt zu den Abgeordneten aufzunehmen. „Ein Staat, der das Recht des Schwächeren dem Stärkeren unterordnet, wird zum Unrechtsstaat.“ Es gebe kein Recht, einen anderen Menschen absichtlich zu töten. „Es gibt kein Menschenrecht auf Abtreibung, aber es gibt ein unbedingtes Menschenrecht auf Leben!“
Sandra Sinder von der Aktion Lebensrecht für alle ist als Beraterin für schwangere Frauen in Konfliktsituationen tätig. Sie berichtete aus dem Alltag der Hilfs- und Begleitungspraxis.
Jedes positive Signal aus Staat und Gesellschaft mit der Haltung „Wir lassen niemanden zurück“ könne bedrängten Frauen die Angst nehmen, sie stützen und Hilfe finden lassen. Leider erlebten die betroffenen Frauen oft das Gegenteil. Das fange bereits bei der ärztlichen Untersuchung an.
„Bereits die Frage, ob überhaupt ein Mutterpass ausgestellt werden solle, weil sich die Schwangere noch anders entscheiden könne, wirkt auf eine ungewollt schwangere Frau in einer Konfliktsituation zusätzlich schockierend“, berichtete sie. „Eine helfende, stützende Hand sieht anders aus.“
Deshalb sei es problematisch, wenn die Bundesregierung das Abtreibungsrecht weiter liberalisieren wolle, sagte Sinder. Eine sich entsolidarisierende Gesellschaft führe weiter in die Einsamkeit. Überforderte Menschen bräuchten vielmehr einen gesetzlichen Halt gebenden Schutzraum.
Sinder rief eindringlich dazu auf, schwangeren Frauen in Not zuzuhören, und zwar nicht, um ihnen fertige Lösungen zu präsentieren, sondern um sie zu verstehen: „Wer offenen Geistes und mit liebevollem Herzen hinhört, wird den Mangel an Angenommensein, an Gemeinschaft sowie emotionaler und finanzieller Sicherheit bemerken, der einen Menschen in seiner Entscheidung für oder gegen eine Abtreibung begleitet.“
Diese Zerrissenheit führe leicht an den Rand der Erschöpfung. Eine selbstbestimmte, souveräne Entscheidung nach dem Motto „Mein Körper, meine Wahl“ habe sie in solchen Fällen noch nie erlebt. „Wenn wir Frauen in Schwangerschaftskonflikten verständnisvoll zuhören, dann können wir hinter vielfältigen Bedenken und Ängsten erkennen, dass es nicht das Kind ist, das die Frauen ablehnen.“
Erst wenn Frauen von Menschen begleitet werden, die an ihrem Wohlergehen interessiert sind, sie einfühlsam begleiten, sie von ihrer Angst befreien und echte Hilfe anbieten, haben sie wirklich eine selbstbestimmte Wahl, so die Beraterin im Dienst der Aktion Lebensrecht für Alle.
Nach hunderten Gesprächen mit Betroffenen könne sie sagen: „Ich habe noch keine Frau in einem Schwangerschaftskonflikt erlebt, die sich für eine Abtreibung entschieden hat, nachdem sie ihre Katastrophengedanken und mannigfaltigen Ängste hinter sich lassen konnte.“ Frauen seien in solchen Situationen nicht frei, „sie haben Angst“. Und Angst sei das Gegenteil von Freiheit.
Betroffenen Frauen sei klar, dass es bei einer Abtreibung nicht um „Schwangerschaftsgewebe“ und einen bloßen Zellklumpen gehe. „Es geht vielmehr um eine Entscheidung über das Leben, und zwar über das Leben des eigenen Kindes.“