Rom - Montag, 24. Juni 2024, 15:00 Uhr.
Franz-Josef Bormann, der Professor für Moraltheologie an der Universität in Tübingen, hat in einem Interview mit EWTN News die Missbrauchsaufarbeitung in Deutschland kritisiert und dabei schwere Vorwürfe gegen die Initiatoren des „Synodalen Weg“ erhoben.
„Durch die Art und Weise, wie wir in Deutschland die Aufarbeitung betrieben haben, war es geradezu ein Missbrauch des Missbrauchs mit Ansage“, so Bormann. „Und die Schwäche, die sich seit diesen Jahren immer deutlicher zeigt, wird insbesondere auch vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ganz bewusst genutzt, um ihre eigenen Interessen auf diese Weise umso effizienter durchzusetzen.“
Der Moraltheologe sprach mit EWTN News am Rande eines Symposiums zum Thema „Erneuerung der Kirche“ am 31. Mai in Rom. Auf der Theologenkonferenz hatte Bormann unter anderem der Kirchenleitung in Deutschland einen „unprofessionellen Umgang mit der Missbrauchsproblematik und deren gezielte Instrumentalisierung durch die Protagonisten des sogenannten ‚Synodalen Weges‘“ vorgeworfen.
Im Interview mit EWTN (das Interview erscheint demnächst auf dem Youtube-Kanal von EWTN Deutschland) bekräftigte Bormann seine Vorwürfe und ergänzte, die Deutsche Bischofskonferenz habe durch die „dezentrale Aufarbeitung“ dafür gesorgt, dass die Diözesen in Deutschland „eigentlich nie aus den Negativschlagzeilen herauskommen“. Bormann weiter: „Dadurch entsteht in der gesamtgesellschaftlichen Öffentlichkeit ja der völlig falsche Eindruck, als sei sexueller Missbrauch primär eine Problematik, die sich im Raum der katholischen Kirche findet. Das ist ja beileibe nicht der Fall.“
Experte: Angewandtes Kirchenrecht und Sexualmoral verhindert Missbrauch
Deutliche Kritik übte der Theologieprofessor an den Protagonisten des „Synodalen Weges“, die „Behauptungen aufstellen, die in keiner Weise empirisch nachweisbar sind“. So habe die vielfach kritisierte MHG-Studie keinesfalls das Ergebnis gebracht, dass der Zölibat oder die Sexualmoral der Kirche die Hauptursache des Missbrauchs gewesen sei. Bormann wörtlich: „Man merkt eben sehr deutlich, dass die Debatte von ganz klaren partikularen Interessen gefiltert wird.“
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Besonders tragisch daran sei, dass das Leid der Betroffenen dadurch in den Hintergrund trete, so der Moraltheologe weiter. Zudem sei deutlich geworden, dass „das Nicht-Befolgen kirchlicher Regeln kein ausschließender Faktor ist, sondern gerade ein Missbrauch generierender Faktor“ sei.
„Wenn sich auch die Kirchenleitung stärker sowohl an die moralischen wie auch an die kanonischen geltenden Rechtsnormen gehalten hätte, dann hätte es ja niemals dieses Ausmaß an Missbrauch geben können“, unterstrich Bormann und fügte an: „Vor allen Dingen hätte es nicht diese kriminellen Vertuschungsaktionen geben können, die gegen geltendes Recht, auch gegen geltendes Kirchenrecht verlaufen sind. Es leuchtet mir überhaupt nicht ein, dass das eine Art cantus firmus des ‚Synodalen Wegs‘ geworden ist, zu sagen, wir brauchen eine neue Sexualmoral, um künftigen Missbrauch zu verhindern. Ganz im Gegenteil! Es gibt wohl kein Normenkonstrukt dieser Welt, in dem Missbrauch so stark, energisch und kontinuierlich verurteilt worden ist wie es die Sexualmoral der Katholischen Kirche tut.“
Keine Sonder-Pastoral für Homosexuelle
Ein Umdenken forderte der Theologe auch im Bereich der Ehe- und Familienpastoral. Besonders die Ehevorbereitung müsse verstärkt werden, um die Menschen besser auf das Sakrament der Ehe vorzubereiten.
Kritik äußerte er zudem an der „obsessiven Fixierung“ des Synodalen Wegs auf Segensfeiern für homosexuelle Verbindungen. „Die Kirche sollte im Zugehen auf diese Personen keine ‚homosexuelle oder transgeschlechtliche Sonderpastoral‘ entwickeln, sondern stattdessen die Botschaft aussenden, dass das, worum es im Glauben geht, die viel Wesentlichere und konstitutivere Bestimmung ihrer Identität ist als die jeweiligen Probleme, mit denen sie möglicherweise gegenwärtig gerade selber hadern“, so Bormann. Der Glaube habe „keine Vorbedingungen“, sondern sei ein „Gnadengeschenk für jeden, unabhängig der sexuellen Orientierung“.
Gleichzeitig sei der Glaube „kein Freibrief, um unmoralisch zu handeln“. „Grundsätzlich ist jeder willkommen, weil wir als Glaubende hoffen dürfen, dass Gott uns selber annimmt“, erklärte der Tübinger Moraltheologe im EWTN-Interview. „Und diese Botschaft gilt unterschiedslos für Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung. Wenn die Kirche das glaubwürdig vermittelt und wenn das auch in der Gemeinde erfahrbar wird, weil es vorgelebt wird, dann relativieren sich viele der sehr aufgeregten Debatten ganz von selbst.“