Würzburg - Freitag, 21. Februar 2020, 13:01 Uhr.
In einem Podiumsgespräch hat der Würzburger Bischof Franz Jung die Methodik des Vatikan bei der Aufarbeitung von Missbrauchsvorfällen kritisiert. Die Beurteilung von gemeldeten Fällen sei "in vielen Fällen nicht transparent", so Jung. Gleichwohl gab er zu, die Bistümer seien 2010 von den Enthüllungen der Missbrauchsvorfälle regelrecht "überrollt" worden. Auch der Jesuitenpater Hans Zollner, Präsident des Kinderschutzzentrums der Universität Gregoriana in Rom und Mitglied der Päpstlichen Kinderschutzkommission, beteiligte sich an der Diskussion. Zollner sprach beim Thema Missbrauch von einem erlernten "Abwehrverhalten" der Kirche.
Im Gespräch, das von Rainer Dvorak, dem Leiter der Domschule Würzburg, moderiert wurde, kündigte Jung an, dass das Bistum Würzburg noch in diesem Jahr weitere Schritte zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt einleiten werde. Zum Gesprächsthema "Leid und Gerechtigkeit" war auch Pater Hans Zollner SJ ins Burkardushaus nach Würzburg gekommen und berichtete in einem Vortrag von seinen Erkenntnissen zum Thema "sexualisierte Gewalt in der Kirche".
Bischof Jung versprach unterdessen, dass die Treffen mit den Betroffenen weitergehen sollen. Bisher würden sie von den Beteiligten "konstruktiv wahrgenommen". Außerdem stellte er weitere Maßnahmen in Aussicht:
"Einzelne Bistümer haben bereits mit Projekten begonnen. Wir im Bistum Würzburg werden in diesem Jahr beginnen."
Konkret wurde Jung indes nicht. So hatte das Erzbistum Freiburg beispielsweise angekündigt, monatliche Entschädigungszahlungen an Betroffene zu entrichten. Der Würzburger Bischof dagegen möchte für seine Projekte noch einen "entsprechenden Beschluss der deutschen Bischofskonferenz" abwarten, der "zum Sommer hin" erfolgen soll. Der DBK sei es wichtig, so Jung, alle Schritte mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig abzustimmen.
Wie reagiert die Kirche, wenn es einen Missbrauchsvorwurf gibt? Welche Verfahren werden eingeleitet? Und: Welche Folgen hat die Aufhebung der päpstlichen Geheimhaltung?
— Rudolf Gehrig (@RudolfGehrig) February 21, 2020
Eine kurze Übersicht über den aktuellen Stand der Dinge:https://t.co/znaQjs7rDA via @CNAdeutsch
Jung behauptete zudem, dass "Kirchenvertreter Jahre gebraucht" hätten, um die Perspektive Betroffener stärker als früher in ihr Denken einzubeziehen. Die von den deutschen Bischöfen in Auftrag gegebene "MHG-Studie", die allerdings nicht unumstritten ist, habe die Betroffenen und ihr Leid massiv ins Bewusstsein gerückt.
Die Enthüllungen im Jahr 2010 hätten die Bistümer regelrecht "überrollt", so der Oberhirte. Damals sei man angezeigten Fällen nachgegangen und habe "Basisarbeit" geleistet, etwa durch das Erarbeiten von Präventionsordnungen. Dieses "Erstellen von Instrumentarien" habe so viel Energie gebunden, dass für weitergehende Fragen wie die "systemischen Ursachen des Missbrauchs" keine Energie vorhanden gewesen sei.
Große Erwartungen setzt Jung deshalb in den sogenannten "Synodalen Weg" (lesen Sie hierzu die Analyse eines Missbrauchsopfers).
Die #Synodalkerze brennt. Ein Missbrauchsopfer macht das wütend:
— Rudolf Gehrig (@RudolfGehrig) December 1, 2019
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"Mehr Verlässlichkeit" wünschte sich Bischof Jung außerdem von den zuständigen Behörden in Rom. Dort herrsche teilweise "Kompetenzwirrwarr". Die Einschätzung der gemeldeten Fälle sei "in vielen Fällen nicht transparent", beklagte Jung.
Ein Zuschauer des Podiumsgesprächs formulierte die Vermutung, dass die Überhöhung der priesterlichen Autorität und die damit einhergehende Distanz zwischen Priestern und Laien sexuellen Missbrauch begünstige. Bischof Jung wies diesen Vorwurf zurück:
"Diese Überhöhung nehme ich in unseren Breiten nicht so wahr."
Hans Zollner erklärte, dass sich viele Bischöfe in der Weltkirche "überfordert und allein" fühlten. Der Jesuit wies darauf hin, dass es seiner Erfahrung nach ein "in der Institution Kirche ein erlerntes Abwehrverhalten" gebe, "nämlich das Thema sexualisierte Gewalt aus dem alltäglichen Betrieb herauszuhalten". Seiner Meinung nach müsse man diese Thematik jedoch auch theologisch untersuchen.
Bischof Jung entgegnete, dass diese Abwehrreflexe nicht nur bei "geweihten Amtsträgern" vorkomme, sondern auch an der kirchlichen Basis. Gerade in den Pfarreien habe die Kirche oft Widerstand erfahren, wenn sie gegen mutmaßliche Missbrauchstäter vorgehen wollte. Dieser Widerstand kam laut Jung "von Leuten, die es nicht wahrhaben wollten". Auch Missbrauchsopfer stünden dabei häufig unter Druck, wie Pater Hans Zollner bestätigte:
"In vielen Weltgegenden können die Betroffenen sexuellen Missbrauchs nicht nach außen gehen und sagen, dass sie Betroffene sind – aus kulturellen Gründen. Sie würden ausgegrenzt und als Nestbeschmutzer beschimpft. Das ist die Realität in den meisten Ländern der Welt."
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Die Kritik am römischen "Kompetenzwirrwarr" konnte Zollner indirekt bestätigen. Der Präsident des Kinderschutzzentrums der Universität Gregoriana in Rom zählte auf, dass im Vatikan acht von 15 Kardinalskongregationen für Kirchenobere zuständig seien. Wenn Amtsträger wegen Nichtbeachtung kirchlicher Vorschriften angezeigt würden, liege die Zuständigkeit demnach bei verschiedenen Behörden.
Dadurch könne Verantwortung leicht abgeschoben werden, was wiederum zu einem "massiven und andauernden Vertrauensverlust in die Kirche" führe. Zollner appellierte daran, dass die Kirche ein Vorbild in der Aufklärung der Missbrauchsfälle sein könne, da sich die Gesellschaft "vor dem Thema" ebenfalls wegducke.
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"Auch bedeutet die Abschaffung des 'Papstgeheimnisses' nicht, dass die Namen von beschuldigten kirchlichen Mitarbeitern automatisch öffentlich gemacht werden.' Welche Folgen hat nun die Aufhebung der päpstlichen Geheimhaltung in Deutschland? https://t.co/fkDW6YATfR
— CNA Deutsch (@CNAdeutsch) December 22, 2019
Limburg: Zwei Fälle sexuellen Missbrauchs systematisch vertuscht. Altbischof Kamphaus: "Habe schwere Schuld auf mich geladen" https://t.co/iwSaLs7jyd #Kirchenkrise #Missbrauch #Vertuschung #SexuelleGewalt
— CNA Deutsch (@CNAdeutsch) November 20, 2019
"Der Strafprozess benennt vier Priester der Legionäre und Anwalt des Ordens. Diese Personen sollen – laut Berichten der AP – unter Verdacht stehen, die Justiz behindert und die Familie eines Opfers sexuellen Missbrauchs erpresst zu haben." https://t.co/SkKtFdyfAZ via @CNAdeutsch
— Rudolf Gehrig (@RudolfGehrig) February 18, 2020
Synodaler Weg: Bischof Voderholzer kritisiert MHG-Studie erneut https://t.co/5fQ7tSIg7w #synodalerweg #MIssbrauch #Zölibat
— CNA Deutsch (@CNAdeutsch) January 31, 2020
Nach Veröffentlichung der „MHG-Studie“, die noch immer kritisiert wird, hatte der Kölner Kardinal @ErzbischofKoeln eine eigene, unabhängige Untersuchung der Missbrauchsvorfälle angeordnet.
— Rudolf Gehrig (@RudolfGehrig) February 12, 2020
Ein Bericht von @CNAdeutsch.#Woelki #DBK #Missbrauch #Kölnhttps://t.co/mx42WXZzMd