Köln - Freitag, 5. Februar 2021, 18:53 Uhr.
Die öffentliche Kritik und Rücktrittsforderungen an Kardinal Rainer Maria Woelki, vor allem durch Teile der Kölner Regionalpresse und Kritiker des Erzbischofs, hat nach Einschätzung von Beobachtern zu einer medialen Vorverurteilung des Kölner Oberhirten geführt. Dessen "unglückliches Kommunikationsmanagement" habe dazu allerdings beigetragen, dass er ohne bislang belastbare Hinweise zum Rücktritt aufgefordert wurde.
Im Magazin "Der Spiegel" kritisiert Thomas Fischer in einem Kommentar vom heutigen Freitag die Anwaltskanzlei "Westpfahl Spilker Wastl" und wirft den Münchner Juristen einen "Sound der Voreingenommenheit" gegenüber Woelki vor.
Es sei stark zu bezweifeln, so der Autor, dass die Öffentlichkeit, die sich seit 15 Monaten über die Nichtveröffentlichung erregt, es kaum erwarten kann, die 511 Seiten zu lesen. Das Ganze werde auf einem Niveau abgehandelt, auf dem "ernsthafte Zweifel am Sachverhalt gar nicht mehr als diskutabel angesehen, vielmehr öffentlich Schlachten um das gebotene Maß von 'Abscheu' und moralischer Verurteilung der 'Verantwortlichen' gefochten werden", schreibt Fischer. Am Rande gehe es auch "um viel Geld, um Schadensersatzforderungen, um den Zusammenhang von Zölibat, Hierarchie, Homosexualität und Pädophilie, um Biografien und Selbstbilder, Verhältnis von Kirche und Staat".
Kritik übt der "Spiegel"-Autor auch an Protagonisten, die wiederholt mit vehementer Polemik den Rücktritt des Erzbischofs forderten. Wörtlich schreibt er:
"Wir bewegen uns damit einmal mehr auf der Kreisbahn öffentlicher Vorurteile und Empörungsverlautbarungen, auf der zwischen der Behauptung, irgendetwas sei möglicherweise passiert, der Feststellung, der 'Druck nehme zu', und der Forderung, irgendjemand müsse von irgendetwas 'zurücktreten' in der Regel nicht mehr als zehn Tage vergehen."
Woelki hatte mehrfach betont, dass er im Falle von persönlicher Schuld Konsequenzen ziehen werde. "Wir haben Fehler gemacht, wir haben Vertrauen verspielt, ich verstehe die Ungeduld", so der Kardinal heute. Dennoch stehe er weiter zu seinem Wort und werde die Aufklärung vorantreiben. Wie CNA Deutsch berichtete, hat Woelki Papst Franziskus gebeten, die gegen den Kölner Erzbischof erhobenen Vertuschungsvorwürfe zu überprüfen. Der Kardinal erklärte, er werde "moralische Verantwortung" übernehmen. Dies könne jedoch nur geschehen, wenn die Grundlagen eindeutig geklärt seien.
Unterdessen haben sich besorgte Personen öffentlich hinter den Kardinal gestellt. Auf der Plattfrom "OpenPetition" erklären knapp 1.000 Unterzeichner, sie sprächen Woelki ihr Vertrauen aus.
Eine Initiative "Fairness in der Kirche" setzt sich auf einer neu gegründeten Plattform nach eigenen Angaben "für Recht und Gerechtigkeit, Fairness und einen respektvollen Umgang miteinander in unserer Kirche" ein. Bislang haben 144 Personen (Stand 5.2.2021, 18:52 Uhr) diese Aktion unterschrieben.
Bereits am ersten Konferenztag reagierte der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, auf die gegen ihn erhobenen Vertuschungsvorwürfe. Hintergrund des nun schon seit Wochen andauernden Konflikts ist die Entscheidung der Kölner Bistumsleitung, ein Gutachten der Kanzlei "Westpfahl Spilker Wastl", nachdem Woelki dieses Gutachten selbst in Auftrag gegeben hatte. Die Kanzlei hatte den Auftrag, die einschlägigen Personalakten ab 1975 zu untersuchen um festzustellen, "welche persönlichen, systemischen oder strukturellen Defizite in der Vergangenheit dafür verantwortlich waren, dass Vorfälle von sexuellem Missbrauch gegebenenfalls vertuscht oder nicht konsequent geahndet wurden".
Das Gutachten der Münchner Kanzlei, hatte jedoch – wie CNA Deutsch berichtete – nach Einschätzung anderer Juristen in einem Gutachten "methodische Mängel". Woelki hatte daraufhin den Kölner Strafrechtsexperten Professor Björn Gercke mit einem neuen Gutachten beauftragt, welches am 18. März 2021 vorgestellt werden soll.
Die Entscheidung Woelkis, das Gutachten von "Westpfahl Spilker Wastl" wegen der gravierenden Mängel nicht zu veröffentlichen - unter anderem sollen nach Auskunft von Insidern aus dem Umfeld des Bistums auch personenschutzrechtliche Überlegungen bei dieser Entscheidung eine Rolle gespielt haben - hat daraufhin für teils heftige Reaktionen in der Regionalpresse gesorgt, in der einzelne Medien- und später auch Kirchenvertreter den Rücktritt des Kölner Erzbischofs forderten. Auch er selbst habe dieses Gutachten jedoch nicht gelesen, betonte Woelki kürzlich in einem Interview noch einmal. Zudem räumte er ein, Fehler gemacht zu haben.
Schon zu Beginn der Online-Konferenz zum "Synodalen Weg" wurden die Unruhen im Erzbistum Köln von Teilnehmern der Konferenz kommentiert. In einem Wortbeitrag am Abend, der auch auf der Homepage des Erzbistums Köln veröffentlicht wurde, ging Kardinal Woelki auf die Kritik ein und beteuerte erneut seinen Willen zur lückenlosen Aufklärung.
"Ich bin mir schmerzlich bewusst, dass dadurch, wie von uns Aufarbeitung in den vergangenen Monaten erfolgt ist, Vertrauen verloren gegangen ist", so Woelki, "als einer der ersten, die einen Betroffenenbeirat eingerichtet und eine unabhängige Untersuchung mit Namensnennung in Auftrag gegeben haben, haben wir und habe ich Fehler gemacht". Man habe "nicht gut kommuniziert", räumte der Hirte ein, für diese Fehler trage er selbst die Verantwortung. Das erste Gutachten, dessen Veröffentlichung von Medienvertretern wiederholt gefordert wurde, werde man "zur Einsicht freigeben", kündigte er an. Kardinal Woelki sagte wörtlich:
"Es tut mir wirklich leid, dass Betroffene wieder sozusagen durch das, was wir hier getan haben, neuem Leid ausgesetzt sind, aber auch alle Schwestern und Brüder, auch in den anderen Diözesen. Wir werden aufarbeiten, wir werden das erste Gutachten, das wir nicht veröffentlicht haben, zur Einsicht freigeben, erst den Betroffenen, dann auch Journalisten und allen anderen, die das möchten. Wir werden mit dem zweiten Gutachten, von dem wir uns erhoffen, dass es rechtssicher ist, weiterarbeiten, systemische, institutionelle und persönliche Verantwortlichkeiten benennen und aufdecken. Und ich stehe zu meinem Wort, dass dann Namen genannt werden. Das habe ich den Betroffenen versprochen und das wird auch so sein."
Wie CNA Deutsch von der Pressestelle des Erzbistums Köln am heutigen Freitagnachmittag erfahren hat, gibt es noch keinen Zeitplan, an dem das erste Gutachten Interessierten zur Einsicht vorgelegt wird. "Die Umstände, auch die zeitlichen, für diese Einsicht werden vorher von uns veröffentlicht", teilte das Erzbistum auf Anfrage schriftlich mit.
Gleichzeitig verwies die Pressestelle gegenüber CNA Deutsch auf eine Pressemitteilung vom 27. November 2020. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte Kardinal Woelki angekündigt, dass eine Einsicht in das nichtveröffentlichte erste Gutachten grundsätzlich möglich sei. Wörtlich heißt es:
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"Darüber hinaus hat Kardinal Woelki in Absprache mit Prof. Gercke und weiteren Experten beschlossen, nach Abschluss der Arbeiten an der unabhängigen Untersuchung eine generelle Möglichkeit eines Einblicks in das Westpfahl-Gutachten für die Öffentlichkeit zu ermöglichen. Als Vorbild dient hierbei das Vorgehen in Limburg. Dies eröffnet die Möglichkeit der Einsicht für interessierte Einzelpersonen, insbesondere Betroffene oder Journalisten im rechtlich möglichen Rahmen."
Über den aktuellen Stand können sich Interessierte über eine Internetseite informieren, so das Erzbistum.
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