Köln - Donnerstag, 1. Juli 2021, 12:00 Uhr.
Das katholische Mediennetzwerk "Pontifex" hat zu einer "Sühneaktion" aufgerufen. Die Initiatoren wollen länderübergreifend dazu aufrufen, bis zum 13. Juli "jeden Tag für das Leben, für die Ungeborenen, für die Umkehr Europas" zu fasten und zu beten.
Hintergrund ist der kürzlich vom Europäischen Parlament in Brüssel verabschiedete "Matic-Bericht", der Abtreibung als "wesentliche Gesundheitsfürsorge" beschreibt und versucht, eine Verweigerung von Abtreibung aus Gewissensgründen – etwa von Ärzten oder Hebammen – als "Verweigerung medizinischer Versorgung" neu zu definieren.
Die Initiative "Pontifex" bezeichnet den Matic-Bericht als "einen weiteren, entsetzlichen Angriff auf das Leben" und möchte mit der kürzlich gestarteten Aktion Christen aus Deutschland und aus den anderen EU-Ländern zum Fasten und zum Beten aufrufen.
Die Aktion firmiert unter dem Hashtag #lifeislife. Über die Internetseite von "Pontifex" haben Gläubige die Möglichkeit, sich online in die Gebetsliste eintragen zu lassen. Über die dort angegebene Handynummer bekommen die Teilnehmer schließlich "genaue Infos, wie der Fasten- und Gebetstag geht", heißt es dort.
Zusätzlich können Teilnehmer Handyvideos einschicken, mit dem sie ihre Unterstützung erklären.
Mediennetzwerk "Pontifex": Müssen Sühne leisten
Gegenüber CNA Deutsch teilte Elisabeth Doczy, Sprecherin des Mediennetzwerkes Pontifex, am Donnerstag mit, dass Christen dazu aufgerufen seien, mit den Schwachen und Hilfsbedürftigen solidarisch zu sein. "Das sind die Ungeborenen, die Frauen beziehungsweise Paare in Notsituation, und im Grunde die Gesellschaft als Ganze, die an solchen Entscheidungen, falls sie durchgehen, sicher auch zu leiden haben wird", so Doczy.
Glauben verkünden, aus dem Glauben sprechen und den Glauben leben - dies sei der Antrieb der jungen Katholiken bei "Pontifex". Die Motivation hinter der Sühneaktion erklärt sie so:
"Für uns war erschreckend, dass dieser eine Punkt zum Thema Abtreibung die Parlamentarier nicht bestürzt und wachgerüttelt hat, wie er es sollte. Eine Passage, in der das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nicht mehr für selbstverständlich erachtet wird, hätte doch jeden nachdenklich stimmen sollen."
Nun komme es darauf an, dass die Christen "ein Zeichen setzen". "Für jemanden oder etwas beten und fasten bedeutet: tatsächlich für ihn (auch statt ihm) bitten und mittragen", so Doczy. Die Initiative "Pontifex" zeige keine "verknöcherte, religiöse Fanatiker, die hier Zeit und Wohlbefinden zu opfern bereit sind, sondern ganz normale, sympathische Menschen". Überwiegend seien es momentan sogar junge Frauen, die sich dort engagieren, fügte die Sprecherin hinzu.
Schon jetzt habe die Gebets- und Fastenaktion auch durch aktive Mundpropaganda viele Unterstützer gewonnen. Auf die Frage, ob die Klassifizierung als "Sühneaktion" nicht auch abschrecken könne, antwortet Elisabeth Doczy:
"Es klingt drastisch, weil man Drastisches damit assoziiert. Sühne ist aber etwas Sanftes: sühnen kommt von 'versühnen', also 'versöhnen'. Man leistet Sühne, weil man liebt - Gott, die Menschen, seine Schöpfung, das Leben. Man leistet Sühne, wenn man sieht, dass die Liebe Gottes zu den Menschen und unter Menschen verletzt wird. Man ist dafür bereit, selber etwas auf die Schultern zu nehmen. Es geht darum, einen Bruch zu heilen, eine Verbindung wieder herzustellen. Und das in Stellvertretung für andere, die dazu selber nicht in der Lage sind oder vielleicht keinen Bedarf sehen. Jesus Christus selbst hat das größte Sühneopfer gebracht. Nicht mit dem Finger auf andere zu zeigen und 'Du Sünder' zu sagen, sondern sich selbst an die Brust klopfen und Gott so Zutritt zu einem selbst und anderen zu gestatten: das heißt Sühne zu leisten. Damit Er Zerbrochenes heilt, Verirrten Einsicht schenkt und dem Verlorengegangenen sucht. Ich vermute, dass diese von Gott übergebene Kapazität, für andere einzutreten mit Gebet und Fasten, bei uns 'Alltags-Katholiken' etwas vergessen worden ist. Sie hat aber großen Wert, im Glaubens- und Beziehungsleben! Nicht nur der oder die Geweihte, sondern jeder Christ kann das tun."
Ob die Aktion Erfolg haben wird? Für Doczy hat sich die Initiative schon jetzt gelohnt. Gegenüber CNA Deutsch sagt sie:
"Gott ist so oder so bereits am Werk. Alles, was von unserer Seite aus Gott und den Menschen dient, lohnt sich immer. Wir müssen einfach auf den Zug des Lebens aufspringen und mitmachen. Damit die Gesellschaft noch solidarischer, alle Menschen noch lebenszugewandter und die Herzen noch mehr für Gott empfänglich sind. Wir hoffen, dass daraus viele Früchte wachsen, zum Beispiel, dass noch mehr Leute sich bei den verschiedenen Hilfswerken für Schwangere in Not engagieren."
Hintergrund: Der Matic-Bericht
Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments, des gesetzgebenden Organs der EU, haben am 24. Juni mit 378 Ja-Stimmen und 42 Nein-Stimmen für die Annahme des Textes gestimmt, der als Matić-Bericht bekannt ist.
Die Parlamentarier hatten zuvor zwei Versuche abgelehnt, den umstrittenen Bericht zu unterbinden.
Zwei Mitglieder des Europäischen Parlaments, Margarita de la Pisa Carrión und Jadwiga Wiśniewska, legten eine "Minderheitenposition" dar und argumentierten, der Bericht habe "keine rechtliche oder formale Strenge". Wörtlich schrieben sie:
"Es behandelt die Abtreibung als ein angebliches Menschenrecht, das im internationalen Recht nicht existiert. Dies ist ein Verstoß gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die wichtigsten verbindlichen Verträge sowie gegen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Gerichtshofs der Europäischen Union."
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Katholische Kirchenvertreter und Experten sowie Lebensrechtler hatten das Europäische Parlament aufgefordert, den Bericht abzulehnen, der von dem kroatischen Politiker Predrag Fred Matić eingebracht wurde.
Das Sekretariat der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union (COMECE) äußerte sich alarmiert über den Bericht und sagte, dass es "ethisch unhaltbar" sei, Abtreibung als "wesentliche" Gesundheitsdienstleistung einzustufen.
Auch weitere Bischöfe äußerten sich negativ über den Ansatz.
Scharf und deutlich kritisierte Erzbischof Stanisław Gądecki, der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz, den Bericht.
"Abtreibung ist immer eine Verletzung des grundlegenden Menschenrechts auf Leben, eine Verletzung, die noch abscheulicher ist, weil sie das Leben des schwächsten und völlig wehrlosen Menschen betrifft. Sie ist daher eine Manifestation der ungerechtesten Diskriminierung", sagte er.
Schmutzkampagne gegen katholische Organisationen?
Bereits am 23. Juni hatte CNA Deutsch berichtet, dass das Europäische Parlamentarische Forum für sexuelle und reproduktive Rechte (EPF) - eine Gruppe europäischer Parlamentarier, die sich dafür einsetzt, die Anerkennung der Abtreibung als "Menschenrecht" weltweit zu erzwingen - christliche Persönlichkeiten und Institutionen sowie Menschenrechtsorganisationen offenbar diskreditieren will. Diese werden in einem Bericht pauschal mit anderen als "religiöse Extremisten" bezeichnet, die sich angeblich dafür einsetzen würden, "die Menschenrechte im Bereich Sexualität und Reproduktion zurückzudrängen."
In dem Kapitel, das der katholischen Kirche gewidmet ist, kritisiert das Dokument den Vatikan, einige europäische Kardinäle wie den Wiener Erzbischof Christoph Schönborn, die Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union (COMECE) sowie andere Organisationen und Einzelpersonen.
In dem Dokument heißt es: "Es gibt mehrere katholische Ordensgemeinschaften, die Anti-Gender-Ziele vertreten und ebenfalls über finanzielles Einflusspotenzial verfügen".
Außerdem sollen "mehrere Vertreter des Vatikan (...) direkte Rollen in Anti-Gender-Initiativen spielen."
Christliche Juristen verurteilten nach Bekanntwerden diesen Bericht und sprachen von einer "gezielten Verleumdungskampagne".
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