Vatikanstadt - Freitag, 10. Dezember 2021, 10:24 Uhr.
Der deutsche Kardinal Walter Brandmüller hat angesichts der Kontroverse über Traditionis Custodes zur Versöhnung zwischen den Anhängern der traditionellen lateinischen Messe und vermeintlich "progressiven" Anhängern der neuen Form aufgerufen, die dagegen vorgehen wollen.
Brandmüller gibt zu bedenken, dass es auf beiden Seiten ein falsches Verständnis von der Entwicklung der Liturgie gebe.
In der Wochenzeitung "Die Tagespost" warnt der renommierte Kirchenhistoriker davor, dass dieser innerkirchliche Streit die ohnehin gebeutelte Kirche zusätzlich schwäche, während es weiter Angriffe auch von Außen gebe.
"Mit der Liturgie steht der Glaube selbst auf dem Spiel", so der Kardinal, der vor jeder Polemik in der Frage warnt und zur Einheit aufruft.
Die seit Jahrhunderten gefeierte traditionelle lateinische Messe (TLM) ist auch als "tridentinische" und "gregorianische" bekannt, als Feier im Usus Antiquior, als Messe in der außerordentlichen oder überlieferten Form sowie als "Messe aller Zeiten" und "Alte Messe" (Vetus Ordo), im Gegensatz zur in den 1970er Jahren eingeführten "Neuen Messe" (Novus Ordo).
Papst Franziskus hat die Feier der TLM mit seinem Schreiben "Traditionis Custodes" stark eingeschränkt. Darüber ist eine heftige Kontroverse in der Kirche entbrannt, wie Brandmüller konstatiert.
"Der Feind berennt die Mauern"
Der Kardinal schildert eine Auseinandersetzung der beiden Lager in Publikationen und im Internet. Dort lasse sich auch erkennen, "wie sehr es dabei nicht nur um Ästhetik, Nostalgie et cetera, sondern um die Substanz des Glaubens geht". Daher dränge sich ihm der Vergleich mit einem alten Kirchenlied auf:
"Der Feind' – eine zunehmend militant atheistische Gesellschaft – berennt die Mauern, und Zwietracht in der Stadt öffnet ihm zudem die Tore! Seit geraumer Zeit 'tobt um die Mauern', immer mehr auch in der Stadt, 'der Sturm in wilder Wut'."
Brandmüller schreibt, dass die Auseinandersetzungen um dieses Thema "nicht nur Blockbildungen" verursacht hätten, "sondern auch Brüche innerhalb des sogenannten traditionalistischen Milieus". Daher sei es notwendig, die Konfliktparteien daran zu erinnern, dass "das eucharistische Mysterium wahrhaftig das 'Allerheiligste' der Kirche darstellt" und dieses zentrale Geheimnis nicht zu einem "Zankapfel" werden dürfe. Der Kardinal schreibt wörtlich:
"Wie deprimierend auch zu sehen, wie diese innerkirchliche Zwietracht auf die 'Welt' wirken muss, die Tertullians Worte aus dem zweiten Jahrhundert – 'Seht, wie sie einander lieben' – den Christen von heute höhnisch vorhalten kann. Da tut es dringend not, dass der Pulverdampf des innerkirchlichen Streites durch einen kraftvollen Windstoß des Heiligen Geistes vertrieben werde."
Die "Messe aller Zeiten" hat es nie gegeben"
Entscheidend sei letztlich nicht, in welcher Form oder Ritus die heilige Messe gefeiert wird, fährt Brandmüller fort, sondern mit welcher "Gewissenhaftigkeit, Sorgfalt, Andacht und Würde das heilige Opfer gefeiert wird". Wenn dies der Fall ist, sei es "abwegig", auf der je eigenen Form zu bestehen.
"So etwa verbietet es sich auch, im Namen einer 'Messe aller Zeiten' – die es nie gegeben hat – jede liturgische Weiterentwicklung zu verteufeln", erklärt der Kardinal. Schon immer habe es Entwicklungen in der Liturgie gegeben, auch das Messbuch "Missale Romanum" sei nicht "vom Himmel gefallen, wie der Koran". Brandmüller wörtlich:
"Vergessen wir doch eines nicht: Weder Petrus und Paulus noch Titus und Timotheus haben die Feier der heiligen Messe begonnen mit 'Introibo ad altare Dei'. Und: sie haben die heilige Wandlung wohl nicht mit dem im Missale Romanum Pius‘ V. oder jenem Pauls VI. zu findenden Wortlaut vollzogen. Überdies sind die 'Wandlungsworte', ja selbst die Wandlungsworte, in den drei synoptischen Evangelien nicht gleichlautend überliefert. In welcher Form sie unser Herr selbst gesprochen hat, wissen wir also nicht. Wohl aber wissen wir, was er gesagt hat. Der Rede kurzer Sinn: Das Missale Romanum ist nicht vom Himmel gefallen, wie der Koran. Es ist Ergebnis der vom Heiligen Geist geleiteten Überlieferung der Kirche.
Jede Weiterentwicklung benötige allerdings Zeit und Stille, "gewaltsame Eingriffe in dieses Geschehen" seien dagegen wie eine "Operation am offenen Herzen mit all ihren Gefahren", so der Kardinal.
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