"Bitte Putin, den Ukraine-Krieg zu beenden": Appell von Erzbischof Gadecki an Patriarch

Erzbischof Stanisław Gądecki (li.) und Patriarch Kirill von Moskau.
piskopat.pl/Kremlin.ru via Wikimedia (CC BY 4.0).

Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz Polens hat das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche aufgefordert, Präsident Wladimir Putin zu bitten, den Krieg in der Ukraine zu beenden.

Das berichtet die "Catholic News Agency", die englischsprachige Schwesteragentur von CNA Deutsch.  

In einem eindringlichen Schreiben – hier die offizielle deutsche Übersetzung – vom 2. März wendet sich Erzbischof Stanisław Gądecki an den Moskauer Patriarchen Kyrill: Präsident Putin könne "mit einem Wort das Leiden Tausender von Menschen beenden".

"Ich bitte Sie, Bruder, an Wladimir Putin zu appellieren, den sinnlosen Krieg gegen das ukrainische Volk zu beenden, in dem unschuldige Menschen getötet werden und das Leid nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilisten - insbesondere Frauen und Kinder - trifft", so der polnische Erzbischof.

"Ein Mann kann das Leiden Tausender von Menschen mit einem Wort beenden - dieser Mann ist der Präsident der Russischen Föderation. Ich bitte Sie in aller Bescheidenheit, den Abzug der russischen Truppen aus dem souveränen Staat Ukraine zu fordern."

Verdacht auf Kriegsverbrechen

Das UN-Menschenrechtsbüro erklärte am 1. März, es habe 536 zivile Opfer gezählt, seit der russische Präsident am 24. Februar einen umfassenden Einmarsch in die Ukraine angeordnet habe. Es teilte mit, dass 136 Zivilisten, darunter 13 Kinder, getötet und 400, darunter 26 Kinder, verletzt worden seien, dass die tatsächliche Zahl aber wahrscheinlich noch höher liege.

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag (Niederlande) kündigte am 2. März an, dass er eine Untersuchung mutmaßlicher Kriegsverbrechen Russlands während des Feldzugs einleiten werde.

Mehr in Europa

Das UN-Flüchtlingshilfswerk berichtete am 2. März, dass mehr als 900.000 Menschen vor den Kämpfen in der Ukraine geflohen sind. Mehr als die Hälfte von ihnen hat Zuflucht in Polen gefunden, das eine 332 Meilen lange Grenze mit dem Land hat.

Patriarch spricht in Moskau über Unruhen

Patriarch Kirill, dem eine enge Beziehung zu Putin nachgesagt wird, steht seit 2009 an der Spitze der russisch-orthodoxen Kirche.

In einer Ansprache in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau am 27. Februar kommentierte er den Krieg in der Ukraine mit den Worten: "Möge der Herr die Völker, die Teil des geeinten Raums der Russisch-Orthodoxen Kirche sind, vor inneren Unruhen schützen."

Die Ukraine ist ein überwiegend christlich-orthodoxes Land mit 44 Millionen Einwohnern, das an Russland grenzt.

Die orthodoxen Christen in der Ukraine sind geteilt zwischen der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats (UOC-MP), die der Jurisdiktion der Russischen Orthodoxen Kirche untersteht, und der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OCU), die dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel angeschlossen ist.

Putins Sicht der Ukraine

In einer Rede am Vorabend der Invasion bezeichnete Putin die Ukraine als "unveräußerlichen Teil" von Russlands "eigener Geschichte, Kultur und geistigem Raum".

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In seiner Botschaft an den Patriarchen bezog sich Gądecki auf einen früheren Briefwechsel und dankte Kirill für die Worte, die er im Brief von Metropolit Hilarion, dem Leiter der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der Russischen Orthodoxen Kirche, gefunden hatte.

"Ich teile die Ansicht Eurer Heiligkeit, dass Feindseligkeit gegenüber jeder Nation immer inakzeptabel ist. Wir sind alle Brüder, und deshalb nehmen wir jedes Unglück des ukrainischen oder russischen Volkes als unser eigenes wahr. Deshalb beten wir von ganzem Herzen für den Frieden in der Ukraine", schreibt der Erzbischof von Poznań (Posen).

"Damit unser Gebet jedoch nicht als Ausdruck von Heuchelei angesehen wird, muss es von Taten begleitet werden. Ich glaube, Eure Heiligkeit, dass Ihr ein Mann des Friedens seid. Unser Herr Jesus Christus hat gelehrt: 'Selig, die Frieden stiften; / denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.' (Matthäus 5:9)."

"Eine Niederlage für die Menschheit" 

Gądecki forderte den Patriarchen, das Oberhaupt von mehr als 100 Millionen russisch-orthodoxen Christen, auf, sich direkt an den russischen Präsidenten zu wenden, um den Konflikt zu beenden.

Der Erzbischof betont: "Kein Grund, keine Begründung kann jemals die Entscheidung rechtfertigen, eine militärische Invasion eines unabhängigen Landes zu starten, Wohngebiete, Schulen oder Kindergärten zu bombardieren. Krieg ist immer eine Niederlage für die Menschheit."

"Dieser Krieg ist – wie ich bereits in meinem letzten Brief schrieb – wegen der Nähe der beiden Nationen und ihrer christlichen Wurzeln noch sinnloser. Ist es zulässig, die Wiege des Christentums auf slawischem Boden zu zerstören, den Ort, an dem die Rus getauft wurde?"

"Das Gericht wird kommen"

Der Erzbischof bezog sich dabei auf die Taufe von Fürst Wladimir dem Großen, dem Herrscher der Kiewer Rus, im Jahr 988 – ein Ereignis, das zur Christianisierung Russlands führte.

Weiter schreibt er: "Ich bitte Sie auch, an die russischen Soldaten zu appellieren, sich nicht an diesem ungerechten Krieg zu beteiligen, sich zu weigern, Befehle auszuführen, die, wie wir bereits gesehen haben, zu vielen Kriegsverbrechen führen. Die Verweigerung von Befehlen in einer solchen Situation ist eine moralische Verpflichtung".

"Es wird die Zeit kommen, diese Verbrechen aufzuklären, auch vor den internationalen Gerichten. Doch selbst wenn es jemandem gelingt, sich dieser menschlichen Gerechtigkeit zu entziehen, gibt es ein Gericht, das sich nicht vermeiden lässt. 'Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, damit jeder seinen Lohn empfängt für das Gute oder Böse, das er im irdischen Leben getan hat'. (2. Korinther 5,10)."

Der polnische Erzbischof zitiert einen russischen Soldaten in der Ukraine mit den Worten: "Wir wissen nicht, auf wen wir schießen sollen; sie sehen alle wie wir aus".

"Deshalb bitte ich Sie, an sie zu appellieren, so schnell wie möglich nach Hause zu gehen, ohne ihre Hände mit unschuldigem Blut zu beflecken", schreibt Gądecki.

Der Erzbischof weist darauf hin, dass die polnischen Katholiken am 2. März einen Tag des Gebets und des Fastens für den Frieden in der Ukraine begangen haben und damit auf einen Aufruf von Papst Franziskus reagierten.

"Ich bitte dich, Bruder, alle orthodoxen Brüder und Schwestern in Russland aufzurufen, sich in ähnlicher Weise geistlich zu engagieren", schloss er. "Ich glaube, dass der Herrgott unseren Gebeten und Opfern nicht gleichgültig gegenübersteht. Ich glaube, dass Fasten und Gebet das Herz eines Menschen verändern."

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