Wie gehen die Jesuiten mit dem Fall Rupnik um? Eine Zeitleiste

Der Orden hat mittlerweile zugegeben, seit Jahren von den schweren Vorwürfen sexueller Gewalt und Missbrauchs gegen den Pater Mario Rupnik SJ gewusst zu haben

Pater Marko Rupnik, SJ.
Screenshot Vatican News

Die Gesellschaft Jesu teilte am 21. Februar mit, sie habe 15 "glaubwürdige Missbrauchsvorwürfe" gegen Pater Marko Rupnik erhalten und werde ein internes Verfahren gegen den beschuldigten Jesuitenpater einleiten.

Das Verfahren könnte zu Disziplinarmaßnahmen bis hin zum Ausschluss des 68-jährigen aus seinem Orden führen.

In einer Erklärung vom 21. Februar sagte Rupniks Vorgesetzter im Orden, Pater Johan Verschueren: "Ich halte es für meine Pflicht, diesen Fall und andere ähnliche Fälle, die sich ereignet haben und noch ereignen werden, ernsthaft zu behandeln, aus Respekt und zum Schutz der Wahrheit und der Gerechtigkeit für alle beteiligten Parteien."

Zu den weiteren Einschränkungen des Priesters fügte Verschueren ein Verbot öffentlicher "künstlerischer Aktivitäten" hinzu. Pater Mario Rupnik SJ galt kirchenintern als bekannter Maler.

Der Jesuitenorden hat mittlerweile zugegeben, seit Jahren von den Missbrauchsvorwürfen gegen Rupnik gewusst zu haben, nicht erst seit die mutmaßlichen Opfer Anfang Dezember 2022 mit schweren Vorwürfen an die Öffentlichkeit gingen.

CNA Deutsch veröffentlicht eine Zeitleiste der bislang bekannten Fakten darüber, was der Orden — dem auch Papst Franziskus angehört und der in der im Vatikan zahlreiche einflussreiche Posten besetzt — über den Fall Pater Rupnik wusste.

2018

Oktober: Der Jesuitenpater Juan Antonio Guerrero Alves, Ordensoberer von Rupnik, erhält Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens von Rupnik sowie den Vorwurf, Rupnik habe einem Mittäter die Absolution für eine Sünde gegen das sechste Gebot erteilt. Eine Voruntersuchung wird eingeleitet.

Mehr in Vatikan

2019

Mai: Die Vorwürfe von 2018 werden als glaubwürdig eingestuft; ein Dossier wird an die vatikanische Glaubenskongregation (CDF) geschickt.

Juni: Rupnik werden von seinem Vorgesetzten, Pater Guerrero, vorsorglich Einschränkungen auferlegt. Wie diese im Einzelnen aussehen, ist noch nicht bekannt.

Juli: Die Glaubenskongregation bittet Pater Arturo Sosa, den Generaloberen der Jesuiten, wegen der Vorwürfe gegen Rupnik ein Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten. Sosa ernennt einen Delegierten und zwei Beisitzer, die nicht dem Orden angehören.

2020

Januar: Der von Sosa ernannte Delegierte und die Beisitzer stellen einstimmig fest, dass Rupnik das kanonische Verbrechen der Absolution eines Mittäters begangen hat. Der Orden ist sich bewusst, dass Rupnik für dieses Verbrechen automatisch exkommuniziert wurde.

Mai: Die CDF erklärt auch formell, dass die exkommunizierbare Handlung (die Absolution eines Komplizen bei einer Sünde gegen das sechste Gebot) stattgefunden hat und dass Rupnik exkommuniziert ist. Die Exkommunikation wird noch im selben Monat durch ein Dekret der CDF aufgehoben. Rupnik hört auf, das von ihm gegründete Zentrum für Kunst und Theologie in Rom, das Centro Aletti, zu leiten, und wird für drei Jahre mit administrativen Einschränkungen belegt.

Oktober: Bischof Daniele Libanori, Weihbischof von Rom, wird zum außerordentlichen Delegaten der Loyola-Gemeinschaft ernannt, nachdem bei einer kanonischen Visitation Probleme in der Leitung des Ordensinstituts festgestellt worden waren.

Erhalten Sie Top-Nachrichten von CNA Deutsch direkt via WhatsApp und Telegram.

Schluss mit der Suche nach katholischen Nachrichten – Hier kommen sie zu Ihnen.

Bischof Libanori ist ebenfalls Jesuit.

2021

Libanori stellt in Gesprächen mit aktuellen und ehemaligen Mitgliedern der Loyola-Gemeinschaft Anfang 2021 sexuelle Missbrauchsvorwürfe gegen Rupnik fest.

Der Beschuldigte hatte sich 1993 von dem Institut getrennt, das er Ende der 1980er Jahre gemeinsam mit der heutigen Leiterin, Schwester Ivanka Hosta, gegründet hatte. Laut Associated Press fordert Libanori die Frauen auf, ihre Vorwürfe dem Vatikan zu melden.

Juni: Die von einem Jesuiten geleitete Glaubenskongregation wendet sich wegen der Vorwürfe gegen Rupnik und einige Mitglieder der Loyola-Gemeinschaft an die Generalkurie der Jesuiten.

Juli: Pater Sosa bittet Pater Johan Verschueren, der im Januar 2020 die Nachfolge Guerreros als Rupniks Vorgesetzter antritt, eine Voruntersuchung der Vorwürfe mit einer Person außerhalb der Jesuiten in die Wege zu leiten.

2022

Januar: Eine Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass genügend Beweise vorliegen, um ein Verfahren gegen den mutmaßlichen Sexualstraftäter zu eröffnen; die Ergebnisse werden der Glaubenskongregation mit einer Empfehlung für ein Strafverfahren gegen den Jesuiten übermittelt.

Am 3. Januar trifft sich Papst Franziskus mit dem schwer belasteten Rupnik im Vatikan.

Februar: Verschueren verhängt neue, nicht näher spezifizierte Einschränkungen gegen Rupnik.

Oktober: Die von einem Jesuiten geleitete Kongregation für die Glaubenslehre (heute Dikasterium für die Glaubenslehre) teilt mit, dass die mutmaßlichen Straftaten Rupniks "verjährt" seien und es keinen kirchenrechtlichen Prozess gegen ihn geben werde.

 

Diese Entscheidung ist höchst ungewöhnlich, denn die Kongregation kann diese Verjährung in solchen Fällen durchaus aussetzen und trotzdem ermitteln. Warum nicht im Fall Rupnik?

Dezember: Irgendwann in diesem Monat verhängt Verschueren dann weitere Sanktionen gegen Rupnik. Am 18. Dezember veröffentlichen die Jesuiten eine Erklärung, in der sie alle Missbrauchsopfer öffentlich ermutigen, sich bei ihnen zu melden, um eine neue Klage einzureichen oder bereits eingereichte Vorwürfe gegen den mutmaßlichen Täter weiter zu erörtern. Diese Erklärung enthält auch einen groben Zeitplan, wann die Jesuiten von den Vorwürfen gegen Rupnik erfahren hätten — und welche Maßnahmen ergriffen worden seien.

Am 17. Dezember berichtete Verschueren dem National Catholic Register, dass Rupniks anfängliche Sanktionen darin bestanden, dass er "private, tiefgehende spirituelle Kontakte mit Menschen" vermieden sollte. Rupnik dürfe auch auch nicht mehr Frauen die Beichte abnehmen. Er solle auch nicht mehr den "geistlichen Begleiter" für Frauen des Centro Aletti geben. Im Jahr 2020 wurden diese Einschränkungen "geografisch auf alle Orte ausgeweitet". In weiteren Aussagen gegenüber dem National Catholic Register am 20. Dezember sagte Verschueren, dass Rupnik in der Lage gewesen sei, bestimmte öffentliche Aktivitäten fortzusetzen, während er Einschränkungen unterworfen gewesen sei, da "einige Ausnahmen" für ihn gemacht worden seien.

Was für "Ausnahmen" es für den Jesuiten gab, und wer diese erteilte? 

"Der örtliche Vorgesetzte hatte das Recht, Ausnahmen zu genehmigen", so Verschueren, und "er konnte beurteilen, ob sie angemessen waren oder nicht".

Der Jesuit fügte hinzu: "Ich gebe zu, dass das nicht gut funktioniert hat. Wir haben diese Regeln 'verabsolutiert', nachdem ich Beschwerden erhalten habe."

Offenbar hat Rupnik also sich nicht an die Auflagen seines Ordens halten müssen. Dann gab es erneut Beschwerden gegen den bereits schwer beschuldigten Pater. 

2023

Januar: In Aussagen gegenüber ACI Prensa, dem spanischsprachigen Nachrichtenpartner von CNA, sagt Pater Verschueren, er habe seinen Ordensbruder Runpik gebeten, Latium nicht zu verlassen — die italienische Region, in der Rom liegt.

Ob sich Rupnik daran gehalten hat, ist derzeit unklar.

Februar: Der öffentlich in die Kritik geratene Orden kündigt an, ein neues internes Verfahren gegen Rupnik einzuleiten, nachdem man 15 Missbrauchsvorwürfe mit einem "sehr hohen" Grad an Glaubwürdigkeit erhalten habe.

Übersetzt und redigiert aus dem Original der CNA Deutsch-Schwesteragentur.