Mehrheit der Weltbevölkerung genießt keine volle Religionsfreiheit

Bei der Vorstellung von „Religionsfreiheit weltweit 2023“ in Berlin: Kirche-in-Not-Geschäftsführer Florian Ripka (links) und Mark von Riedemann, Vorsitzender des Redaktionsteams.
Kirche in Not

62 Prozent der Menschen weltweit leben in Ländern, in denen das Menschenrecht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit eingeschränkt ist. In 61 Staaten, rund einem Drittel der Länder weltweit, kommt es zu Diskriminierung oder Verfolgung aufgrund der Religion und Weltanschauung. Das sind die zentralen Ergebnisse der Studie „Religionsfreiheit weltweit 2023“, die das weltweite katholische Hilfswerk „Kirche in Not“ (international „Aid to the Church in Need, ACN) am 22. Juni auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt hat.

„Religiöse Verfolgung hat zugenommen“

„Wir stellen fest, dass religiöse Verfolgung weltweit zugenommen hat: In 47 der untersuchten Länder hat sich die Situation in den vergangenen zwei Jahren verschlimmert, darunter in großen Nationen wie Indien, China, Pakistan, aber auch in zahlreichen afrikanischen Ländern. Betroffen sind nicht nur religiöse Minderheiten, sondern auch Mehrheitsreligionen“, erklärte der Vorsitzende des Redaktionsteams von „Religionsfreiheit weltweit 2023“, Mark von Riedemann. Nur in neun Staaten seien zaghafte Verbesserungen eingetreten, zum Beispiel in Ägypten, Jordanien oder Katar.

„Kirche in Not“ gibt den Bericht zum 16. Mal heraus; er nimmt 196 Länder und alle Religionen in den Blick. Rund 30 internationale Journalisten und Beobachter haben Entwicklungen und Vorkommnisse von Januar 2021 bis Dezember 2022 dokumentiert. „Religionsfreiheit weltweit“ ist der einzige Bericht, der von einer nicht staatlichen Einrichtung in diesem Umfang vorgelegt wird. Er erscheint alle zwei Jahre neu.

Verfolgung, Diskriminierung, staatliche Restriktionen

Laut dem Bericht „Religionsfreiheit weltweit“ herrscht in 28 Staaten weltweit explizite Verfolgung für Angehörige von religiösen oder weltanschaulichen Gruppen („Kategorie rot“). Erstmalig wurde Nicaragua in diese Liste aufgenommen. Dort geht das sandinistische Regime insbesondere gegen die katholische Kirche vor. In 33 Staaten kommt es zu Diskriminierungen („Kategorie orange“), zum Beispiel im Irak, in Israel und den Palästinensischen Gebieten oder in der Türkei. 23 Länder hat der Bericht als „unter Beobachtung“ eingestuft, darunter Chile, die Philippinen, aber auch Russland und die Ukraine. Dort seien staatliche Maßnahmen gegen Aspekte der Religionsfreiheit, zunehmende Hasskriminalität und vereinzelte religiöse Verfolgung festzustellen.

„Hauptursachen für die Missachtung der Religionsfreiheit sind nach wie vor ein ethno-religiöser Nationalismus wie in Indien oder Myanmar, der islamistische Extremismus, der vor allem weite Teile Afrikas erfasst, und autoritäre Systeme wie Nordkorea, Iran oder Vietnam“, erklärte Redaktionsleiter Mark von Riedemann.

Autokraten bauen ihre Macht auf Kosten der Religionsfreiheit aus

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„Religionsfreiheit weltweit“ zufolge hätten in den vergangenen beiden Jahren Autokraten und Anführer fundamentalistischer Gruppen ihre Macht ausbauen können. Die internationale Gemeinschaft setze diesen Entwicklungen aus wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen zu wenig entgegen.

In afrikanischen Staaten, wo nach wie vor am meisten Verfolgung und Diskriminierung herrsche, seien dschihadistische Gruppen dazu übergegangen, rohstoffreiche Gebiete auszuplündern und wirtschaftliche Netzwerke aufzubauen.

Auch die Zunahme von Angriffen auf jüdische Gemeinden in westlichen Ländern und die zunehmende Verfolgung von Muslimen durch Angehörige der eigenen Religion hätten zugenommen, so der Bericht. In vielen Staaten kämen Antikonversionsgesetze immer stärker zum Tragen, die den Religionswechsel unter drakonische Strafen stellten.

Im Blick auf die OSZE-Staaten macht „Religionsfreiheit weltweit“ darauf aufmerksam, dass dort in den vergangenen beiden Jahren ein Klima der „Cancel Culture“ zugenommen hätte. Diese trete zunehmend aggressiv gegenüber religiösen Überzeugungen und Gewissenentscheidungen des Einzelnen auf. Der Bericht stellt einen immer stärkeren Druck fest, sich ideologischen Trends anzupassen.

Als positiv wertet der Bericht die wachsende Zahl von Initiativen zum religiösen Dialog und das Erstarken religiöser Feste und Wallfahrten nach der Covid-19-Pandemie.

„Einsatz für Religionsfreiheit ist Gebot der Nächstenliebe“

Der Geschäftsführer von „Kirche in Not“ Deutschland, Florian Ripka, wies darauf hin, dass der Einsatz für bedrängte Christen und das Engagement für Religionsfreiheit einander bedingten: „Wir können unsere Mission für notleidende Christen nur dann redlich und erfolgreich erfüllen, wenn wir uns für das allgemeine Menschenrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit stark machen.“ Von Verletzungen der Religionsfreiheit seien nicht nur Christen betroffen, sondern alle religiösen Gruppen: „Es ist ein Gebot christlicher Nächstenliebe, auch diesen bedrängten Brüdern und Schwestern eine Stimme zu geben.“ Zudem profitierten von der Hilfe für notleidende Christen auch die anderen Bevölkerungsgruppen.

Religionsfreiheit sei ein wichtiger Indikator für die allgemeine Menschrechtslage, erklärte Ripka: „Wo Menschen ihren Glauben nicht oder nur eingeschränkt leben können, steht es oft auch schlecht um Meinungs-, Presse-, Versammlungsfreiheit, politische Mitbestimmung und andere Rechte. Kurz: Religionsfreiheit ist kein Menschenrecht zweiter Klasse, sondern das Salz in der Suppe einer menschenwürdigen Gesellschaft!“

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