Jerusalem-Abt Nikodemus Schnabel fordert, „nicht nur den Politikern nachzuplappern“

Abt Nikodemus Schnabel OSB beim „Red Wednesday“ in der Kirche St. Clemenskirche in Berlin
Kirche in Not

Nikodemus Schnabel OSB, der Abt der deutschsprachigen Dormitio-Abtei in Jerusalem, findet viele Haltungen zum Krieg im Heiligen Land „unerträglich“: „Viele sind der Meinung, man müsste sich jetzt auf eine Seite stellen: entweder für Israel oder für Palästina.“ Er stelle Unerbittlichkeit und viel „Schwarz-Weiß-Denken“ fest, beklagte der Abt bei einem von „Kirche in Not“ (ACN) mitveranstalteten Gebetsabend zum „Red Wednesday“ bereits Ende November in der Berliner Kirche St. Clemens.

Doch diese Parteilichkeit passe nicht für Christen, denn sie hätten sowohl auf israelischer wie palästinensischer Seite Glaubensgeschwister. Schnabel erinnerte daran, dass bei den Terrorangriffen der Hamas am 7. Oktober 2023 auch christliche Migranten ermordet worden seien. Bei den folgenden Kämpfen im Gaza-Streifen seien mindestens 36 Christen ums Leben gekommen.

Hass richtet sich auch gegen Christen

Ähnliches geschehe im Libanon: „Die Hisbollah hat auch Christen, die auf dem Feld gearbeitet haben, mit Raketen getötet. Es sind bei allen diesen Ereignissen immer auch Christen mitbetroffen.“ Schnabel bezeichnete es als eine Form von Diskriminierung, „wenn jetzt gesagt wird: ,Du musst dich entscheiden: Bist du pro Israel oder pro Palästina?“ Seine Haltung bleibe: „Wir Christen sind weder pro Israel noch pro Palästina, sondern pro Mensch.“

Das bringe ihm und seinen Mitbrüdern jedoch viel Feindschaft ein, berichtete der Abt: „Wir werden regelmäßig auf der Straße angespuckt. Unsere Fensterscheiben wurden eingeworfen. Wir haben schon mehrere Brandanschläge erlebt. Unser Klosterfriedhof wurde schon ein paar Mal geschändet.“

Er fordere gerade die Christen in Deutschland auf, „nicht nur den Politikern nachzuplappern, sondern auf das zu hören, was Christus gesagt hat“. Vokabeln wie „Staatsräson“ oder „Siedlerkolonialismus“ kämen nicht in der Bibel vor, dafür aber provokante Sätze wie „Liebt eure Feinde, tut denen Gutes, die euch Böses tun“, betonte Schnabel.

Christliche Migranten im Heiligen Land geraten aus dem Blickfeld

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Der Abt erinnerte auch daran, dass im Heiligen Land rund 100.000 christliche Migranten unter prekären Umständen leben. Viele von ihnen könnten Gottesdienste nur heimlich in heruntergekommenen Fabrikhallen oder auf Schrottplätzen feiern, da ihre Arbeitgeber ihnen jede religiöse Betätigung untersagten: „Manche Menschen haben Chefs, die ihnen sagen: ,In meinem Haus will ich das Wort Jesu nicht haben, kein Neues Testament, kein Kreuz.’ Das ist eine Realität, die viele nicht im Blick haben.“

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Viele christliche Migranten im Heiligen Land verrichteten einfachste Aufgaben wie die Reinigung von Flughafentoiletten. „Wir schauen immer auf die Mächtigen, die in den Nachrichten sind. Aber wir müssen die sehen, die am Rand sind“, forderte Schnabel.

Seine Klöster in Jerusalem und Tabgha am See Genezareth versuchten, für Menschen offen zu sein, die vom Krieg betroffen sind. Obwohl Pilger nahezu ausbleiben, habe er bislang keinen Mitarbeiter entlassen. „Ich kann nicht die Welt retten, ich kann nicht den Nahen Osten retten. Aber Gott hat mir diese Menschen anvertraut“, sagte der Abt und bat abschließend: „Beten Sie für die Bekehrung der Herzen derer, die nur noch die Sprache des Hasses kennen!“

Hilfe in Israel und den Palästinensischen Gebieten

„Kirche in Not“ unterstützt seit Kriegsausbruch in Kooperation mit dem Lateinischen Patriarchat von Jerusalem christliche Gemeinden im Gaza-Streifen, Ostjerusalem und im Westjordanland, wo zahlreiche Christen arbeitslos geworden sind. Auf israelischem Staatsgebiet unterstützt das Hilfswerk die Seelsorge und Versorgung von Migranten.

Der „Red Wednesday“ ist eine von „Kirche in Not“ ins Leben gerufene Aktion, um auf das Schicksal verfolgter und bedrängter Christen hinzuweisen. Jedes Jahr werden dazu Ende November Kirchen und öffentliche Gebäude rot beleuchtet; es finden Gottesdienste, Konzerte, Vorträge und Diskussionen statt. In diesem Jahr waren in Deutschland über 200 teilnehmende Pfarreien registriert.