Bistum Münster: Akte über Missbrauchspriester "aufgetaucht"

Der St.-Paulus-Dom in Münster
Marie-Luise Carl (CC BY-SA 2.5)

Im Bistum Münster ist nach eigenen Angaben "beim Umräumen im Bistumsarchiv eine bisher unbekannte Akte zu Pfarrer A. aufgetaucht".

Das teilte Peter Frings, Interventionsbeauftragter der Diözese, am heutigen Freitag mit.

Der Priester war von 1973 bis 1988 im Bistum Münster im Einsatz. Er wurde zweimal rechtskräftig wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern verurteilt. Dennoch wirkte er über Jahrzehnte weiter als Priester in den Bistümern Münster, Essen und Köln.

Im vergangenen Dezember hat der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki ihn aus dem Klerikerstand entlassen, wie CNA Deutsch berichtete.

Das Bistum Münster teilte heute mit, es sei "bisher davon ausgegangen, dass es in seinen Unterlagen nahezu keine Akten zu Pfarrer A. gibt." Am vergangenen Freitagnachmittag, 15. Januar, habe nun "ein Mitarbeiter des Bistumsarchivs bei Umräumarbeiten vier bisher nicht verzeichnete Akten von Priestern gefunden".

Die Diözese teilte weiter mit: "Eine der Akten betrifft den ehemaligen Priester A." Der Mitarbeiter habe unmittelbar den Leiter des Bistumsarchivs, Heinz Mestrup, unterrichtet. Dieser habe seinerseits "unverzüglich am Montagmorgen" – also am 18. Januar – "Historiker der Universität Münster informiert, die den sexuellen Missbrauch im Bistum Münster in völliger Unabhängigkeit vom Bistum aufarbeiten".

"Die Bistumsverantwortlichen wurden durch Dr. Mestrup nicht vorab über den Aktenfund informiert", heißt es in der Mitteilung der Diözese weiter. Ein Mitglied der Historikerkommission der Universität Münster habe die Akte am Dienstag, 19. Januar, eingesehen. Der Interventionsbeauftrage Frings habe die Akte erst einen Tag später eingesehen, so die Mitteilung heute.

"Eine Kopie der Akte ist am heutigen 22. Januar an das Erzbistum Köln gegangen, das wir heute vorab über den Aktenfund informiert haben. Da es sich um einen Priester des Erzbistums Köln handelt und die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs durch Pfarrer A. federführend dort aufgearbeitet wird, war es uns wichtig, das Material unmittelbar nach Köln zu übermitteln."

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Weiter betont Frings: "Es ist bedauerlich, dass wir diese Akte erst jetzt gefunden haben. Meine bisherigen Aussagen, dass es im Bistum Münster keine weiteren Unterlagen zu dem Fall gibt, entsprachen meinem bisherigen Kenntnisstand. Es zeigt sich nun, dass sie nicht richtig waren."

Hintergrund: Priester A.

Drei deutsche Bischöfe haben im November 2019 Fehler im Umgang mit dem wegen Missbrauchs verurteilten "Priester A." eingestanden und um Vergebung gebeten. Bischof Franz-Josef Overbeck (Bistum Essen), Bischof Felix Genn (ehemals Bistum Essen, nun Bistum Münster) und Kardinal Rainer Maria Woelki (Erzbistum Köln) gaben zu, die jeweiligen Gemeinden nicht informiert zu haben, als es um die Versetzung des Priesters ging.

Der Priester stammte aus dem Erzbistum Köln und war bereits 1972 wegen "fortgesetzter Unzucht mit Kindern und Abhängigen" zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Ab 1973 war er im Bistum Münster tätig, 1988 wurde er wegen sexueller Handlungen an Minderjährigen erneut auffällig und erhielt eine Bewährungsstrafe. Ab 1989 arbeitete er im Erzbistum Köln als Altenheimseelsorger, bis er ab 2002 als Ruhestandsgeistlicher in die Gemeinde von Bochum-Wattenscheid (Bistum Essen) kam – und weitherin ungehindert als geweihter Geistlicher "wirkte".

In einem Brief wandten sich im November 2019 der frührere Bischof von Essen und jetzige Bischof von Münster, Felix Genn, an die Öffentlichkeit. Darin benennt er seine eigenen Fehler, stellt zugleich aber auch die "Systemfrage", auf die er keine Antwort habe:

"Dass damals ein Priester in einer Gemeinde seelsorgliche Dienste tun konnte, obwohl bekannt war, dass er mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden war, war ein verheerender Fehler. Mich erschreckt im Rückblick die damals fehlende Einsicht, dass ein Priester grundsätzlich nicht mehr seelsorglich eingesetzt werden darf, wenn er sich solcher Verbrechen schuldig gemacht hat. Heute frage ich mich deshalb: Warum habe ich diesen Fall in all den Jahren in Essen nicht wahrgenommen? Welche Schwächen und Fehler gibt es in unserem 'System', dass ein Bischof nicht weiß, wenn ein Priester mit einer solchen Vorgeschichte in einer Gemeinde tätig ist? Haben wir diese systemischen Schwächen heute wirklich beseitigt? Und zentral ist natürlich die Frage, wie es überhaupt sein konnte, dass ein Priester, der mehrfach verurteilt wurde, von Bistum zu Bistum versetzt wurde? Auf diese Fragen habe ich keine einfachen Antworten."

Er wisse, so Genn weiter, dass er als damaliger Bischof die Verantwortung trage und bitte alle Leidtragenden um Entschuldigung.

Genn erklärte, er habe bereits im Mai 2019 Kenntnis von dem Fall erhalten. Er habe einen Brief bekommen, den er an den Interventionsbeauftragten weitergeleitet habe, der daraufhin auch das Erzbistum Köln informierte.

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Für das Erzbistum Köln bezog ein Jahr später Kardinal Rainer Maria Woelki noch einmal Stellung. Auch Essens Bischof Franz-Josef Overbeck räumte im November 2020 ein, den Missbrauchstäter als Priester in seinem Bistum beschäftigt zu haben. 

"Ich habe die Verantwortung am Anfang meiner Zeit als Bischof nicht richtig wahrgenommen. Ich hätte die Unterlagen lesen müssen, um dann Konsequenzen daraus zu ziehen", so Overbeck damals gegenüber der Beilage "Christ und Welt" der "Zeit".

Einen Rücktritt als Konsequenz lehnte Overbeck jedoch ab. "Verantwortung zu übernehmen heißt für mich lernen. Das halte ich in diesem Fall für angemessen". Außerdem wolle er in Zukunft alles Tun, "damit solche Taten verhindert werden".

Zeitgleich mit Overbecks Geständnis veröffentlichte das Bistum Essen einen Missbrauchsbericht. Die unabhängige Studie einer Anwaltskanzlei offenbart die Fehler im Umgang mit "Priester A.", der von 2002 bis 2015 in Bochum-Wattenscheid gelebt hatte.

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