Indien: Ein Kampf gegen die Bestrebungen, das Land zu einem Konfessionsstaat zu machen

Flagge Indiens
Naveed Ahmed / Unsplash (CC0)

Millionen Demonstranten haben in ganz Indien gegen den kontroversen "Citizenship Amendment Act" (CAA) protestiert, der im Wesentlichen die Staatsbürgerschaft für nicht-muslimische Flüchtlinge beschleunigt. Kritiker bemängeln, dass der CAA einen gefährlichen Präzedenzfall für das Land schafft, indem er die Religion als Kriterium für die Staatsbürgerschaft heranzieht. 

Die indische Regierung plant außerdem die Einführung von zwei weiteren Staatsbürgerschaftsmaßnahmen – das "National Population Register" (Nationales Bevölkerungsregister) und das "National Register of Citizenship" (Nationales Register der Staatsbürgerschaft), die sich negativ auf die christliche Gemeinschaft Indiens auswirken könnten. Da die meisten indischen Christen nicht über die erforderliche Geburtsurkunde verfügen, um ihre Staatsbürgerschaft nachzuweisen, könnten sie sich unter Druck gesetzt fühlen, sich als Hindus auszugeben. 

Der Jesuitenpater Cedric Prakash ist der Gründer von "Prashant", dem in Ahmedabad gelegenen Zentrum der Jesuiten für Menschenrechte, Gerechtigkeit und Frieden. Er ist Mitglied einer nationalen Bürgerinitiative "We the People of India" (Wir, das indische Volk), die fordert, dass der CAA, das "National Register of Citizenship" (NRC) und das "National Population Register" (NPR) sofort und bedingungslos zurückgezogen werden.

"Indem der CAA die Staatsbürgerschaft für alle Personen ohne Papiere, mit Ausnahme der Muslime, sichert, riskiert er, das Land auseinander zu reißen, die Wunden der Teilung (zwischen Indien und Pakistan) wieder zu öffnen und schließlich die säkularen und demokratischen Grundsätze der Verfassung zu zerstören. Darüber hinaus ist das Gesetz eklatant diskriminierend, spaltend und drakonisch. Es ist zudem eindeutig verfassungswidrig und widerspricht der säkularen, demokratischen Grundstruktur Indiens", so Prakash. 

"Das Volk schreit nach einer gerechteren, humaneren und egalitären Gesellschaft, in der seine Würde und Rechte respektiert werden. Als Mensch, als Christ und als Jesuit habe ich keine andere Wahl, als auf diese Schreie zu hören und darauf zu antworten, vor allem, indem ich versuche, die Leidenden zu begleiten, wo immer ich kann. Meine treibende Kraft ist die Person und die Botschaft Jesu selbst."

Die Staatsbürgerschaftsgesetze sind besonders für Christen problematisch, so der Pater. Die Mehrheit der indischen Bürger besitze keine von der Regierung ausgestellte offizielle Geburtsurkunde. "Früher wurden Dokumente wie der Führerschein, der Reisepass oder die Bescheinigung der Sekundarschule als Geburtsnachweis akzeptiert. Und für Christen, insbesondere Katholiken, reichte eine Taufurkunde aus. Dies ist nicht mehr der Fall. Um heute zu beweisen, dass Sie die indische Staatsbürgerschaft besitzen, müssen Sie eine Geburtsurkunde einer offiziellen Regierungsbehörde vorlegen".

Eine beträchtliche Anzahl der indischen Christen stammt aus den unteren Kasten und aus indigenen Völkern, die zumeist aus abgelegenen und rückständigen Gebieten des Landes kommen, erklärt Prakash. Für die sei es unmöglich, die vorgeschriebene Geburtsurkunde zu erhalten.

"Wenn sie angeben, dass sie Hindus sind, kann es sein, dass das Fehlen der Papiere ignoriert wird; wenn sie jedoch darauf bestehen, dass sie Christen sind und sie nicht in der Lage sind, die erforderlichen Dokumente vorzulegen, riskieren sie, staatenlos zu werden; sie könnten in Internierungslager geschickt und sogar Gott weiß wohin deportiert werden. Es wird sehr ernste Auswirkungen auf die Zukunft der Christen haben."

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Dies sind extrem schlechte Zeiten für die Christen in Indien, betont der Jesuit.

"Wir haben immer wieder Angriffe auf Pastoren, Priester und Laien erlebt. Kircheneigentum wird angegriffen. Einschüchterungen, Schikanen und Verunglimpfungen von Christen durch Hindu  Nationalisten, die der 'Hindutva'-Ideologie anhängen, gehen mit erschreckender Regelmäßigkeit weiter."

Hindutva habe nichts mit dem Mainstream-Hinduismus zu tun, der im Großen und Ganzen eher tolerant sei. Es gibt einen sehr kleinen Prozentsatz von Indern, die der Hindutva-Ideologie anhängen. "Aber heute haben sie die Zügel der Macht in der Zentralregierung und in einigen Bundesstaaten Indiens in der Hand. Hindutva-Anhänger glauben an das faschistische Diktum 'eine Nation, eine Religion und eine Sprache'", meint Prakash wörtlich.

Minderheiten – vor allem Christen und Muslime – würden dagegen als Bürger zweiter Klasse behandelt.

Die Zahl der Christen in Indien liegt bei ca. 30-35 Millionen, rund 70% davon sind Katholiken. Die Christen machen somit schätzungsweise 2,3% der indischen Bevölkerung aus. 

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