Kardinal Ouellet antwortet mit Offenem Brief auf Erzbischof Vigano

Der kanadische Kurienkardinal Marc Ouellet bei der Vorstellung des Dokuments Iuvenescit Ecclesia, im Presse-Saal des Vatikans am 14. Juni 2016.
CNA/Daniel Ibanez

In einem Offenen Brief hat der Präfekt der Bischofskongregation am heutigen Sonntag auf einige der Vorwürfe und Forderungen von Erzbischof Carlo Maria Viganò reagiert. Kardinal Marc Ouellet bezeichnet diese als "ungerecht und ungerechtfertigt" und bestreitet einerseits, dass Papst Franziskus gegen Erzbischof Theodore McCarrick verhängte Sanktionen aufgehoben habe - solche habe es gar nicht gegeben. Andererseits räumt er ein, dass McCarrick bereits ein Verdächtiger gewesen sei - und dass die nun erneut laufenden Ermittlungen weitere Tatsachen ans Licht bringen könnten, auch über die Entscheidungen von Papst Franziskus. 

Ouellets Offener Brief ist in Antwort auf zwei veröffentliche Aussagen Viganòs, in denen der ehemalige Nuntius schwere Vorwürfe gegen Papst Franziskus und mehrere hochrangige Kurienmitglieder im Fall des ehemaligen Kardinals und mutmaßlichen Kinderschänders McCarrick erhebt.

Wie CNA Deutsch berichtete, wurde Kardinal Ouellet im zweiten Schreiben Viganòs aufgefordert, die Akten zum Fall zu veröffentlichen. 

In seiner heute veröffentlichten Antwort - einen Tag, nachdem der Vatikan angekündigt hat, die Akten im Fall McCarrick prüfen zu wollen - verurteilt der kanadische Kurienkardinal Viganòs Vorgehen aufs schärfste. Gleichzeitig bestätigt er Punkte Viganòs - und wirft selbst neue Fragen auf in einer Schlüsselpassage über den Papst.

"Unverständlich und äußerst verwerflich"

Vorneweg äußert Ouellet Unverständnis an den Vorwürfen des ehemaligen Nuntius in den USA sowie dessen Rücktrittsforderungen an Franziskus und weitere Kurienvertreter: Dies sei "unverständlich und äußerst verwerflich", schreibt Ouellet und verteidigt im gleichen Abschnitt seine Zustimmung zu Amoris Laetitia: 

"Meine Interpretation von Amoris Laetitia, über die du dich beschwerst, ist in dieser Treue zur lebendigen Tradition eingeschrieben, von der Franziskus uns mit der jüngsten Änderung des Katechismus der Katholischen Kirche zur Frage der Todesstrafe ein Beispiel gegeben hat."

Im weiteren Brief geht der kanadische Kurienkardinal auf den Fall McCarrick ein. Dabei bestätigt er zunächst, dass Papst Benedikt XVI. gegen McCarrick vorgegangen ist - bestreitet aber, dass dies "Sanktionen" waren.

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Ouellet räumt wörtlich ein, dass McCarrick, "der im Mai 2006 in den Ruhestand ging", von Papst Benedikt XVI. "nachdrücklich aufgefordert" wurde, "weder zu reisen noch in der Öffentlichkeit aufzutreten, um keine weiteren Gerüchte über ihn hervorzurufen". 

Es sei jedoch "falsch, die gegen ihn ergriffenen Maßnahmen als 'Sanktionen' darzustellen, die von Papst Benedikt XVI. erlassen und von Papst Franziskus aufgehoben wurden", schreibt Ouellet wörtlich.

Seine Begründung: Nach Durchsicht der Archive stelle er fest, dass es keine von Papst Franziskus oder Kardinal Giovanni Battista Re unterzeichnete Dokumente gebe, in denen kirchenrechtliche Strafen verhängt werden. 

(Kardinal Re war Ouellets Vorgänger als Präfekt der Bischofskongregation.)

Ouellet fährt fort: Der Grund dafür sei, "dass es im Gegensatz zu heute nicht genügend Beweise für [McCarricks] damalige mutmaßliche Schuld gab."

Daher habe der Papst und die Kongregation "von Umsicht inspiriert" die Haltung eingenommen, die auch Nuntius Pietro Sambri und Viganò selber gegenüber McCarrick wiederholt hätten, nämlich "ein zurückgezogenes Leben im Gebet und in der Buße zu führen, zum eigenen Wohl und zum Wohl der Kirche".

Entscheidung des Papstes "nicht unfehlbar"

McCarricks Fall wäre Gegenstand neuer Disziplinarmaßnahmen gewesen, so Ouellet weiter, "wenn die Nuntiatur in Washington oder eine andere Quelle uns aktuelle und entscheidende Informationen über sein Verhalten gegeben hätte." 

Der Kardinal fährt fort, er "hoffe, wie so viele andere auch, dass uns die laufenden Ermittlungen in den Vereinigten Staaten und der Römischen Kurie aus Respekt vor den Opfern und der Notwendigkeit der Gerechtigkeit endlich einen kritischen Gesamtüberblick über die Verfahren und Umstände dieses schmerzhaften Falls geben werden, damit sich solche Ereignisse in Zukunft nicht wiederholen."

Dann stellt der Kurienkardinal die zentrale Frage, die auch ihn "überrascht" habe: 

"Wie kann es sein, dass dieser Mann der Kirche, dessen Unbeständigkeit heute bekannt ist, mehrmals befördert wurde, bis hin zur höchsten Position des Erzbischofs von Washington und des Kardinals?" 

Mit Blick darauf, und damit auch die - freilich indirekt - verknüpfte Frage, ob und wie Papst Franziskus kurz nach seiner Wahl zum Papst trotz der Mahnungen McCarrick rehabilitiert habe, wie Vigano behauptet hat, schreibt Ouellet: 

"Ohne jedoch hier ins Detail zu gehen, muss man verstehen, dass die Entscheidungen des Papstes auf den in diesem Moment verfügbaren Informationen beruhen" und "nicht unfehlbar" seien.

Unklar ist damit, so Beobachter, ob Papst Franziskus nicht gewusst haben soll, dass McCarrick im Verdacht des Missbrauchs und sexueller Nötigung stand, beziehungsweise ob er ihn rehabilitiert hat. 

Anspielung auf 'Homo-Lobby' im Vatikan?

Kardinal Ouellet schreibt weiter, es erscheine ihm "ungerecht, zu dem Schluss zu kommen, dass die Verantwortlichen" für diese Entscheidung "korrupt" seien, wenngleich "im konkreten Fall einige Hinweise aus den Zeugnissen hätten weiter untersucht werden müssen". 

Der "fragliche Prälat" - gemeint ist offensichtlich McCarrick - habe sich "mit großem Geschick" verteidigt, so Ouellet in seiner Antwort an Viganò, und schreibt dann, was manche Beobachter für eine Anspielung auf eine 'Homo-Lobby' im Vatikan halten: 

"Andererseits berechtigt uns die Tatsache, dass es im Vatikan Menschen gibt, die in Fragen der Sexualität ein den Werten des Evangeliums widersprechendes Verhalten praktizieren und unterstützen, nicht, zu verallgemeinern und dies und jenes als unwürdig und mitschuldig zu bezeichnen, sogar den Heiligen Vater selbst."

Vor solcher "Verleumdung" sollten sich die "Diener der Wahrheit" doch hüten, so Ouellet, der in den letzten Absätzen noch einmal bekräftigt, dass er Viganòs Vorgehen für unverständlich und ungerechtfertigt hält. Er lädt ihn ein, die Gemeinschaft mit dem Papst "wieder zu entdecken".

Kardinal Ouellet schreibt weiter, er verstehe, "wie Bitterkeit und Enttäuschung deinen Weg im Dienst am Heiligen Stuhl gezeichnet haben, aber du kannst dein priesterliches Leben nicht auf diese Weise beenden, in einer offenen und skandalösen Rebellion, die der Braut Christi eine sehr schmerzhafte Wunde zufügt, von der du behauptest, ihr zu dienen, und die Spaltung und Verwirrung im Volk Gottes zu verschlimmern!" 

Ouellet fordert Viganò auf: "Komm aus deinem Versteck heraus, bereue deine Revolte und kehre (...) zum Heiligen Vater zurück, anstatt die Feindseligkeit gegen ihn zu verschärfen". 

Er frage sich, wie Viganò "die Heilige Eucharistie feiern und seinen Namen im Kanon der Messe aussprechen" könne, so Kardinal Ouellet. Er komme zu dem Schluss, dass die Vorwürfe "eine politische Intrige bar jeder Grundlage sind", die der Einheit der Kirche schaden.

"Möge es Gott gefallen, dass diese Ungerechtigkeit schnell behoben wird und dass Papst Franziskus weiterhin als das anerkannt wird, was er ist: ein hervorragender Hirte, ein mitfühlender und standhafter Vater, ein prophetisches Charisma für die Kirche und für die Welt. Möge er mit Freude und vollem Vertrauen seine missionarische Reform fortsetzen, getröstet durch das Gebet des Volkes Gottes und durch die erneuerte Solidarität der ganzen Kirche mit Maria, der Königin des Heiligen Rosenkranzes."

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